Unsicherheiten bei der Einschätzung globaler Naturschutzprioritäten
Der Verlust von biologischer Vielfalt gilt als eines der drängendsten Umweltprobleme weltweit. Es ist daher das Ziel verschiedener internationaler Abkommen (z.B. Übereinkommen über die biologische Vielfalt; CBD) die biologische Vielfalt zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Während die Erhaltung bestimmter Elemente der biologischen Vielfalt die Voraussetzung für die Einkommenserzielung vieler Menschen ist, kommt es andererseits oft zu Zielkonflikten zwischen Schutz der Biodiversität und intensiver Landnutzung. Die finanziellen Mittel, um solche Konflikte zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu entschärfen, sind allerdings begrenzt. Es müssen daher Naturschutzprioritäten gesetzt werden. Es mit dem Aichi Target 11 nun ein „offizielles“ politisches Ziel im Rahmen der CBD: Bis 2020 sind 17% der terrestrischen Fläche zu schützen, insbesondere solche Gebiete mit herausragender Bedeutung für die biologische Vielfalt.
Technisch gesprochen bedeuten Naturschutzprioritäten, dass ein Auswahlproblem gelöst werden muss, das sowohl die Kosten als auch die ökologischen Vorteile der Unterschutzstellung einer Fläche („Naturschutznutzen“) berücksichtigt. Für die Lösung dieses Problems werden in der Literatur verschiedene Verfahren vorgeschlagen. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse zeigt, dass es erhebliche Differenzen in den vorgeschlagenen Prioritäten gibt. Die methodischen Unterschiede liegen einerseits in der Nutzung unterschiedlicher Berechnungsarten für die Naturschutzkosten und andererseits in verschiedenen ökologischen Indikatoren für den Naturschutznutzen. Zudem können die international gebräuchlichen Datengrundlagen bereits jenseits der eingesetzten Auswahlmethodik mit nicht unerheblichen Fehlern behaftet sein.
Es fehlen Arbeiten, welche die grundsätzlich erkannten Unsicherheiten und Datenfehler systematisch und jenseits von ausgewählten Einzelaspekten im Hinblick auf die Qualität der vorgeschlagenen Auswahlentscheidungen und Priorisierungen quantifizieren. Dies ist ein wichtiges Hindernis für die Anwendung von Verfahren zur weltweiten Optimierung der bestehenden Schutzgebietssysteme und beschreibt ein grundsätzliches Problem der derzeitigen Naturschutzforschung.
In meiner Arbeit soll diesem Mangel abgeholfen werden. Ich möchte dafür die in den verschiedenen ökologischen und ökonomischen Einzelwissenschaften sowie der angewandten Statistik erarbeiteten Methoden für die Abschätzung von Unsicherheiten nutzen, um eine umfassende, quantitative Bewertung des Einflusses verschiedener methodischer und Daten-Unsicherheiten durchzuführen.
Aus anwendungsorientierter Sicht soll bestimmt werden welche Datenquellen und Methoden besonders geeignet erscheinen um globale Naturschutzprioritäten für potentielle Aichi Target 11-Flächen festzulegen bzw. wo die größten Unsicherheiten bestehen.
Es wird sowohl der Einfluss unterschiedlicher ökologischer Indikatoren (z.B. Artenreichtum, Gefährdung bzw. Seltenheit der vorkommenden Arten und Ökosystemdiversität) des Naturschutznutzens, als auch der Einfluss unterschiedlicher Berechnungsarten von globalen Naturschutzkosten untersucht. Der Einfluss von Datenfehlern in den Berechnungsgrundlagen wird anhand unterschiedlicher statistischer Verfahren überprüft.