Zukünftiger meeresspiegelrelevanter Eisfluss durch das Filchner-Ronne-Eisschelf, Westantarktis
Der Antarktische Eisschild speichert ein Eisvolumen, dessen Äquivalent mehr als 60 m globalem Meeresspiegelanstieg entspricht. Damit hat die zukünftige Entwicklung seiner Massenbilanz eine hohe Bedeutung für die weltweiten Küstengebiete. Seit zwei Jahrzehnten erfährt der Antarktische Eisschild einen sich beschleunigenden Netto-Eisverlust. Dieser wird vor allem verstärktem Schmelzen unterhalb einer Reihe kleinerer Eisschelfe in der Westantarktis zugeschrieben, welches eine Beschleunigung der seewärts fließenden Eismassen ermöglicht. Ursache hierfür sind erhöhte Temperaturen der lokalen Ozeanströmungen. Die Untersuchung der Massenbilanz dieser Region wird vor allem vor dem Hintergrund einer potentiellen Instabilität des westantarktischen Landeises durchgeführt, da die Bodentopographie der Westantarktis größtenteils weit unterhalb des Meeresspiegels liegt. Ein Kollaps des Westantarktischen Eisschilds würde den globalen Meeresspiegel um über 3 m ansteigen lassen. Neueste Projektionen zeigen nun für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts in einer weiteren Region der Westantarktis, dem Filchner-Ronne-Eisschelfs (FRIS), eine starke Erhöhung der Ozeantemperaturen. Eingefasst in eine Bucht, übt das zweitgrößte Eisschelf der Antarktis eine Stützwirkung auf ein erhebliches Landeisvolumen in seinem Einzugsgebiet aus. Die durch die Projektionen erwarteten verstärkten Schmelzvorgänge unterhalb des Eisschelfs würden einen beschleunigten Eistransport aus dem Landesinneren ermöglichen und könnten damit eine weitere Instabilität auslösen.
Ich möchte in meiner Dissertation den Einfluss der globalen Erwärmung auf die Dynamik des FRIS und den damit verbundenen zukünftigen Beitrag seines Einzugsgebiets zum globalen Meeresspiegel untersuchen. Dafür sollen das Eisschelf und sein Einzugsgebiet mit dem 3D-Eismodell PISM modelliert werden. In einem ersten Arbeitsschritt wird das Modell für diese Region aufgesetzt. Nach der Implementierung der Anfangsdaten und Randbedingungen wird ein Ensemble von Simulationsläufen durch Variation der relevanten Modellparameter generiert. Ausgehend von den resultierenden Gleichgewichtsläufen, welche den derzeit beobachteten Zustand des Systems reproduzieren, ist für den zweiten Arbeitsschritt die Durchführung idealisierter Schmelzexperimente unterhalb des Eisschelfs vorgesehen. Durch die punktuelle Anwendung des Schmelzens soll dabei die Auslösung möglicher Instabiliäten auf bestimmte Regionen und Mechanismen zurückgeführt werden. In einem dritten Arbeitsschritt werden dann Szenariensimulationen des Systems durchgeführt. Das Modell wird dafür gespeist mit Projektionsdaten für die Ozean- und Oberflächentemperatur, sowie den Niederschlag. Die Projektionen stammen aus regionalen Klimamodellen, welche die repräsentativen Treibhausgas-Emissionspfade des fünften Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC-AR5) benutzen. Anhand der Szenarienläufe wird dann die Dynamik des modellierten Systems unter Berücksichtigung der identifizierten Instabilitätsmechanismen analysiert und dessen Massenbilanz ausgewertet.
Die Ergebnisse des hier vorgestellten Projekts sollen den zukünftigen Beitrag einer wichtigen Region der potentiell instabilen Westantarktis zum globalen Meeresspiegel bestimmen und somit helfen, die derzeit noch mit großen Unsicherheiten behafteten Projektionen für den gesamten Antarktischen Eisschild zu verbessern.