Promotionsstipendium: Dr. Annika Busch-Geertsema

Mobilität der Studierenden im Übergang ins Berufsleben. Die Änderung mobilitätsrelevanter Einstellungen und der Verkehrsmittelnutzung

Nachhaltige Mobilität und Kontextwechsel

Anlass der Forschung: Nachhaltig unterwegs im Studium – und mit dem Auto ins Berufsleben?

Der Start ins Berufsleben ist für viele junge Menschen ein wichtiger Meilenstein. Damit verbunden sind viele Neuerungen, sei es das spürbare Mehr auf dem Konto, das regelmäßige Arbeiten zu festen Zeiten oder auch neue Rollenbilder und Funktionen, die übernommen werden. Vor diesem Hintergrund sind auch Veränderungen im Mobilitätsverhalten zu sehen: Das Semesterticket entfällt und vielleicht erfordert die neue Arbeit mehr Pünktlichkeit oder ein Dresscode muss eingehalten werden. Auch ändern sich schlichtweg die raumzeitlichen Muster der Alltagsgestaltung. Während das studentische Mobilitäts-verhalten noch durch eine nachhaltigere Verkehrsmittelnutzung im Alltag geprägt ist, gilt für Berufstätige häufig das komplette Gegenteil.

Angesichts der gegenwärtigen globalen Umweltveränderungen und der Knappheit fossiler Ressourcen stehen wir damit vor einem Problem. Zwar rufen Non-Profit-Organisationen seit vielen Jahrzehnten und auch die UN mit ihren Weltklima-Konferenzen seit Mitte der 1990er dringend dazu auf, Umwelt und Klima zu schützen, doch scheinen die Folgen (noch) zu abstrakt, um Wirkungen im Verhalten der Bevölkerung zu zeigen. In den letzten 25 Jahren haben sich die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland um etwa ein Viertel verringert, der Verkehrsbereich weist dabei allerdings keine nennenswerte Abnahme auf.

Dabei bestehen durchaus Einsparpotentiale auch durch die Veränderung der Verkehrsmittelnutzung, weg vom Pkw und hin zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, des Fahrrades oder der eigenen Füße. Neben der positiven Wirkung auf unser Klima bringt eine Reduzierung des Autoverkehrs viele weitere Vorteile mit sich: sinkender Flächenverbrauch in Städten durch weniger fahrende und parkende Pkw, verringerte Lärm- und Abgasbelastungen der Anwohnenden oder auch gesundheitliche Vorteile durch mehr Bewegung.

Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wäre es sinnvoll und wünschenswert, wenn Studierende ihre umweltfreundliche Verkehrsmittelnutzung auch im Berufsleben beibehielten und sich der auch massenmedial aufgegriffene Trend der Abkehr vom Auto bei jungen Erwachsenen verfestigen würde. Damit einher geht die Frage, welche Faktoren ausschlaggebend sind und inwiefern nicht nur situative Rahmenbedingungen auf individuelle Handlungsspielräume und Mobilitätsverhalten einwirken, sondern auch, welche Rolle veränderte Anforderungen und Einstellungen hier einnehmen.

Zielsetzung der Arbeit

Um in der Mobilitätsbiographie auftretende Schlüsselereignisse, wie es der Berufseinstieg darstellt, als „Gelegenheitsfenster“ zur Veränderung von Verhalten hin zu nachhaltiger Mobilität zu nutzen, wurden in den letzten Jahren neue Instrumente des Mobilitätsmanagements entwickelt (z. B. im Neubürger_innen-Marketing für Personen, die gerade zugezogen sind). Damit solche Instrumente zielgruppengenau zugeschnitten und effektiv angewendet werden können, ist es essentiell, Veränderungen von Verkehrsmittelentscheidungen in Umbruchphasen zu verstehen. Diese sind bisher nur unzureichend erforscht und die Rolle von Einstellungen wurde dabei nur wenig beachtet. Meine Forschungen leisten deshalb einen essentiellen Beitrag zum Verständnis dieses Prozesses. Die zentrale Forschungsfrage, die im Zuge dieser Arbeit beantwortet wird, lautet damit: Wie verändern sich Verkehrsmittelnutzung und verkehrsmittelbezogene Einstellungen im Übergang vom Studium ins Berufsleben?

Umweltrelevanz der Ergebnisse

Angesichts dessen, dass laut meinen Ergebnissen ein Großteil der Berufseinsteiger_innen auch bei kurzen Pendeldistanzen auf motorisierte Verkehrsmittel zurückgreift, die Einstellungsmuster aber eine Präferenz der Nutzung von Rad und Fuß verdeutlichen, sind Maßnahmen zur Stärkung des nicht-motorisierten Verkehrs zu empfehlen, etwa im Rahmen eines betrieblichen Mobilitätsmanagements. Solche Maßnahmen können auch vor Ende des Studiums sinnvoll sein, damit Mobilität bei den anstehenden Entscheidungen bzgl. der Arbeitgebersuche oder des neuen Wohnstandortes einbezogen werden. Informationen zu Dienstfahrrädern, Möglichkeiten des Fahrradleasings und persönliche Erfahrungen mit Pedelecs, etwa im Rahmen von studentischen Exkursionen, könnten dabei Ansätze sein.

Aus den empirischen Ergebnissen wurde deutlich, dass die Habitualisierung der Autonutzung ein eher schleichender Prozess ist. Oftmals wird der Pkw gar nicht erst, wie angenommen, zum Berufseinstieg angeschafft, sondern stand bereits zuvor zur Verfügung. Der Eintritt ins Berufsleben, verbunden mit dem Wegfall des Semestertickets, scheint so das Gelegenheitsfenster zu öffnen, um bei anstehenden Lebensentscheidungen den verfügbaren Pkw mit ins Kalkül zu ziehen. Für Maßnahmen des Mobilitätsmanagements gilt es, die Ursachen näher zu beleuchten, die dazu führen, dass viele Studierende bereits im Studium ein Auto besitzen bzw. es ihnen zur Verfügung steht. Ferner ist zu fragen, ob der Pkw zu Studienzeiten bereits in Nutzungsmuster eingewoben ist, oder aber, ob der Pkw eher „zwischengeparkt“ wurde und eigentlich kaum genutzt wird. In diesem Fall können die potentielle Autoabhängigkeit sowie die häufig mit ihr einhergehenden Entscheidungen, wie etwa der Umzug ins Grüne oder die Bewerbung bei einem Arbeitgeber ohne ÖV-Anbindung, ins Bewusstsein gerückt werden.

Es überraschte zunächst, dass über die Hälfte der Berufseinsteiger_innen noch über ein Semesterticket verfügen. Wenn der Kostenanstieg für das Pendeln mit dem ÖV nun nicht so plötzlich von statten ginge, sondern sich ein Übergang ergäbe, wäre anzunehmen, dass mehr Personen den ÖV nutzen. Denkbar ist dies etwa im Rahmen eines preislich sukzessive ansteigenden Übergangstickets oder gar eines Bürgertickets, dass das Prinzip des Semestertickets auf die gesamte Bevölkerung überträgt.

Um einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilitätsentwicklung zu leisten, ist es für die Praxis ratsam, neben vielen kleinen Maßnahmen, die auf das Individuum gerichtet sind, auch umfassendere und systemische Veränderungen zuzulassen und Mut zu Experimenten zu zeigen. Ein Beleg hierfür ist die Einführung des Semesterticket in den 1990er Jahren. Ähnliche Auswirkungen könnten entsprechend von der Einführung eines Bürgertickets ausgehen.

AZ: 20012/180

Zeitraum

01.08.2012 - 31.12.2015

Institut

Goethe Universität Frankfurt Institut für Humangeographie FB Geowissenschaften/Geographie

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Betreuer

Prof. Dr. Martin Lanzendorf