Möglichkeiten der Wiederansiedlung von seltenen Pflanzenarten in Steppenrasen in Thüringen
Seltene Pflanzenarten bilden in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, einen bedeutenden Anteil der pflanzlichen Diversität. Da in den oftmals kleinen Populationen dieser Arten demografische und umweltbedingte Stochastizität stärker wirkt, sind diese mitunter auch in grundsätzlich intakten Habitaten vom Aussterben bedroht. Hinzu kommt, dass diese Arten häufig kurzlebige Samenbanken haben und ein geringes Ausbreitungspotenzial besitzen, weshalb sie geeignete Habitate nicht von allein neu- oder wiederbesiedeln können. Aus diesen Gründen stellen für seltene Pflanzenarten Wiederansiedlungen in Form von Ausbringung von Samen und Jungpflanzen in geeignete Habitate eine notwendige Naturschutzstrategie dar.
Derzeit werden solche Wiederansiedlungsmaßnahmen für zwei seltene Arten der Steppenrasen (Pulsatilla pratensis und Scorzonera purpurea) im Rahmen des LIFE-Projekts „Erhaltung und Entwicklung der Steppenrasen Thüringens“ im Thüringer Becken durchgeführt. Diese werden im Rahmen der Promotionsarbeit analysiert und begleitet. Dabei soll beantwortet werden, ob die Eigenschaften von Quell- und Zielhabitaten einen Einfluss auf den Wiederansiedlungserfolg haben, wie viele Pflanzen angesiedelt werden müssen, um eine sich selbst erhaltende Population zu etablieren und ob die Methode der Ansaat oder der Anpflanzung bessere Wiederansiedlungserfolge erzielt. Zudem sollen die Gründe für das Aussterben von S. purpurea in Thüringen und Sachsen-Anhalt untersucht werden.
Schon ab 2009 bzw. 2010 wurden aus Samen von natürlichen Populationen der beiden Zielarten im Gewächshaus Jungpflanzen angezogen. Im Frühjahr 2010 (S. purpurea) und Herbst 2011 (P. pratensis) wurden etwa je Art etwa 900 Jungpflanzen in sechs bzw. acht Zielgebieten ausgebracht. Je Zielgebiet wurden die Pflanzen in zwei Habitattypen, Trockenrasen (Südhang) und Halbtrockenrasen (Nordhang), gepflanzt. Zusätzlich wurden im Januar 2012 in acht Zielgebieten insgesamt ca. 16.000 Samen von Pulsatilla pratensis, die Hälfte davon auf Nord-, die andere Hälfte auf Südhängen, ausgesät.
Während der Vegetationsperiode 2013 wurden zudem alle natürlichen Vorkommen von S. purpurea sowie Gebiete, in denen die Art vorkam, jedoch ausgestorben ist, in Sachsen- Anhalt und Thüringen besucht und ihre Größe sowie Habitateigenschaften aufgenommen, um die Gründe für das Aussterben der Art zu ermitteln.
Etwa drei Viertel der angepflanzten Individuen von P. pratensis und 60 % der von S. purpurea waren im Jahre 2013 noch am Leben, davon blühten je 16 %. Die Überlebensraten unterschieden sich nicht signifikant zwischen Pflanzen, die aus Samen aus Trocken- und Halbtrockenrasen gezogen wurden, sowie zwischen Pflanzen, die in Trocken- und Halbtrockenrasen ausgepflanzt wurden. Sie wurden allerdings von der Höhe der umgebenden Vegetation, der Deckung der Streu- und auch der Deckung der Skelettschicht signifikant negativ beeinflusst. Die Deckung der Streu- und Krautschicht sowie die Hanginklination hatten zudem einen signifikant negativen Effekt und die Höhe der umgebenden Vegetation einen signifikant positiven Effekt auf die Rate der blühenden Pflanzen. Zudem blühten S. purpurea-Nachkommen von großen Herkunftspopulationen signifikant häufiger als solche aus kleinen Populationen.
Die Aussterbeanalyse von S. purpurea zeigte, dass heute noch 28 von ehemals mindestens 82 Vorkommen in Thüringen und Sachsen-Anhalt existieren, was einen Rückgang der Art um zwei Drittel bedeutet. Die Art kommt heute konzentriert im Kyffhäusergebirge und der unmittelbaren Umgebung vor und ist außerhalb dieser Region weitgehend ausgestorben. Dabei war die Wahrscheinlichkeit, dass Vorkommen in kleinen, isolierten Gebieten ausstarben höher als nicht-isolierte Vorkommen in großen Gebieten. Zudem wirkte sich der Anteil an für S. purpurea geeignetem Habitat (geringer Verbuschungs- und Verfilzungsgrad) signifikant positiv auf das Überleben der Art in einem Gebiet aus. Mehr rezente Populationen befanden auf süd- als auf nordexponierten Flächen und die Größe dieser noch rezenten Populationen wurde signifikant positiv von der Größe des geeigneten Habitats beeinflusst.
In Thüringen und Sachsen-Anhalt ist S. purpurea eine stark gefährdete Art, die durch Habitatverlust vor allem durch fortschreitende Sukzession infolge von Nutzungsaufgabe aber auch durch Isolation noch geeigneter Habitate bedroht ist. Eine kontinuierlich extensive Nutzung bzw. Pflege der Habitate ist essentiell, um das Überleben der konkurrenzschwachen Art dauerhaft zu sichern. Auch Wiederansiedlungen können eine geeignete Methode zum Schutz der Art darstellen. Die Tatsache, dass ca. 75 % bzw. 60 % der angesiedelten Pflanzen überlebten, deutet darauf hin, dass die Wiederansiedlung von P. pratensis und S. purpurea zu diesem Zeitpunkt als erfolgreich angesehen werden kann. Ein guter Pflegezustand der Flächen, der sich durch niedrige Vegetation und geringere Deckungen an Streu- und Krautschicht wiederspiegelt, vergrößert mutmaßlich den Wiederansiedlungserfolg.