Diagnose ethischer Bewertungskompetenz durch Lehrkräfte
Die Fähigkeit, ethische Dilemmasituationen kompetent bewerten zu können, wird heute im fachdidaktischen Diskurs verbreitet als ein Ziel naturwissenschaftlicher Curricula beschrieben. Die Bildungsstandards greifen diesen internationalen Trend durch die Vorgabe des Kompetenzbereichs „Bewertung“ als einen von vier Kompetenzbereichen für den Biologieunterricht an deutschen Schulen auf. Die Thematisierung ethischer Bewertungsprozesse und die Diagnose von Kompetenzen in diesem Bereich stellen Lehrkräfte der Biologie jedoch vor große Herausforderungen.
In dieser empirischen Untersuchung wurden qualitative Interviews mit Biologielehrkräften und eigens erstellte Videovignetten genutzt, um Deutungs- und Handlungsmuster von Lehrkräften zur Diagnose von Bewertungskompetenz zu analysieren. Die Auswertung der Interviews nach den Verfahren der Grounded Theory zeigte, dass die interviewten Biologielehrkräfte das Diagnostizieren von Schülerleistungen im Kompetenzbereich „Bewertung“ als schwierig empfanden und ihre diesbezüglichen Fähigkeiten partiell oder vollständig abstritten. Gleichzeitig waren sie jedoch überwiegend in der Lage, wesentliche Aspekte von Bewertungskompetenz zu diagnostizieren. Dieses zentrale Phänomen wurde als „negiertes Bewältigen“ ausgearbeitet. Auf der Basis der Befunde werden Implikationen für die Lehrerbildung abgeleitet.