Regionale Modellierung der troposphärischen MehrphasenchemieIn der Atmosphäre finden viele physikalische und chemische Prozesse statt, die alle Umweltkompartimente beeinflussen können. Sie sind Teil eines komplexen und gekoppelten Mehrphasensystems. Dabei stehen alle einzelnen Prozesse direkt oder indirekt in Interaktion mit allen anderen. Auf Grund dieser Komplexität ist dieses System noch nicht vollständig verstanden. Das gilt insbesondere für physikochemische Wolkenprozesse und ihre Auswirkungen auf die atmosphärische Dynamik (meteorologische Prozesse wie Wetter- und Klimaentwicklung) und die Erdoberfläche (Ökosysteme). Detaillierte Untersuchungen der Teilsysteme und einzelnen Prozesse sind wichtig um das Verständnis des Systems zu verbessern. In dem hier beschriebenen Promotionsvorhaben werden daher mit 3D Modellstudien die Wechselwirkungen zwischen Wolken, Partikeln und Gasen analysiert. Dabei wird speziell auf die Auswirkungen der Mehrphasenchemie auf Wolken- und Partikeleigenschaften, das Oxidationsbudget, die Akkumulation von Schadstoffen und Partikeln in der Atmosphäre und am Erdboden sowie deren Produktion und Abbau in der Atmosphäre fokussiert.Partikel und Spurengase haben zum einen Auswirkungen auf den Strahlungshaushalt der Erde und zum anderen können sie direkt auf Mensch und Ökosysteme einwirken. Die Evolution von Partikeln und Spurengasen in der Atmosphäre zu verstehen ist demnach unabdingbar für möglichst gute Vorhersagen mit Luftqualitäts-, Wetter- und Klimamodellen.Zwischen Wolken, Partikeln und Atmosphärenchemie gibt es eine Vielzahl von Interaktionen, die sich gegenseitig beeinflussen. So bilden sich Wolkentropfen durch Kondensation an Partikeln. Dabei lösen sich Partikelbestandteile im Tropfen. Weiterhin können Gase in den Tropfen aufgenommen werden und dort, wie auch in der Gasphase, mit anderen Verbindungen reagieren. Über chemische Reaktionen werden die Zusammensetzung der Partikel und der Luft, sowie die Größenverteilung von Partikeln und damit auch der Wolkentropfen verändert. Diese Rückkopplungsmechanismen sind nicht einfach überschaubar, sodass simple Ursache-Wirkung-Prinzipien oft nicht abgeleitet werden können. Für eine genaue Abschätzung der Effekte einzelner Parameter sind Modellstudien ein wichtiges Werkzeug.Daher werden schrittweise detaillierte chemische und mikrophysikalische Prozesse in das gekoppelte Chemietransportmodell COSMO-MUSCAT integriert werden. Mit Fallstudien bezüglich mikrophysikalischer Parameter (Auflösung des Partikel- und Tropfenspektrums), und chemischer Mechanismen (komplizierte und simple Flüssigphasenchemie) werden die sensitivsten Einflussfaktoren des Modellsystems ermittel. Untersuchungskriterien sind bestimme Schlüsselverbindungen der Mechanismen wie Oxidanzien (OH, HO2, H2O2, NO3, O3), organische Verbindungen (Ameisensäure, Essigsäure, Formaldehyd), anorganische (Sulfate, Nitrate) und organische Partikelmasse oder der pH Wert. Daneben soll das neue Modellsystem mit realen Feldmessungen verifiziert werden. Dabei wird gleichzeitig zur Interpretation der Messungen beigetragen.Mit dem hier entwickelten Modell können speziell die Interaktionen zwischen Wolken, Partikeln und Atmosphärenchemie analysiert werden um verschiedene Einflussfaktoren auf das Gesamtsystem abzuschätzen. Dabei werden auch Kosten-Nutzen-Abschätzungen durchgeführt, das heißt, wie viel Rechenaufwand für eine höhere Detailstufe benötigt wird und ob das eine wesentliche Veränderung des Ergebnisses mit sich bringt. Damit können praktikable Prozessbeschreibungen für die verschiedenen Anwendungsbereiche der regionalen Luftqualitäts-, Wetter- und Klimamodellierung abgeleitet werden, um die Vorhersagen zu verbessern.Erste Ergebnisse:Die in MUSCAT implementierte Flüssigphasenchemie wurde in einer 2D Sensitivitätstudie getestet und die Ergebnisse analysiert. Dabei wurde MUSCAT in einer stand-alone-Version ohne den Antrieb des meteorologischen Modells betrieben. Der Vergleich verschiedener Flüssigphasenmechanismen hat Übereinstimmungen und Unterschiede für verschiedene chemische Subsysteme aufgezeigt. Es konnten deutliche Abweichungen im HOx-Budget oder dem pH-Wert ermittelt werden. Mit INORG werden die Tropfen immer weniger sauer als mit CAPRAM. Bei Verwendung des simplen Mechanismus wird unter anderem auch dadurch weniger S(VI) produziert. Es hat sich gezeigt, dass speziell die Wolkenränder für die Rechenkosten verantwortlich sind, da es dort zu einer Störung des Lösungsgleichgewichts und starken Konzentrationsunterschieden der Flüssigphasenverbindungen zwischen wolkenfreien und bewölkten Gitterzellen kommt. Genau dieser Umstand führt auch zu numerischen Problemen bei der Kopplung der Flüssigphasenchemie mit COSMO, da nun auch dynamische Prozesse (zeitlich und örtlich variabler Flüssigwassergehalt) die chemischen Gleichgewichte in den Wolkentropfen stören können. Dieses Problem kann zum Teil umgangen werden, indem a) Inhomogenität im Flüssigwassergehalt vermieden wird und b) die Zeitschritte für die Kopplung zu COSMO und die horizontale Advektion stark verkleinert werden, womit die die Simulation weiterhin sehr rechenintensiv ist. Ein vielversprechender, aber vereinfachender Ansatz geht von Punkt a) aus und führt einen minimalen Flüssigwassergehalt ein, der dafür sorgt, dass Flüssigphasenchemie im gesamten Modellgebiet gerechnet wird. Zur Zeit werden die Ergebnisse dieses neuen Ansatzes analysiert und inhaltlich mit anderen Simualtionen und Messungen verglichen.