Nutzung von Naturstrategien zur Vermeidung von Biofilmen an Oberflächen
Biofilme am falschen Ort oder mit pathogenen Keimen verursachen volkswirtschaftliche Schäden und sind gesundheitsgefährdend. Häufig angewandte Bekämpfungsstrategien sind in ihrer Anwendung und Effektivität eingeschränkt: Biofilme können oftmals nicht vollständig entfernt werden oder bilden Resistenzen gegenüber den eingesetzten Chemikalien, welche zudem oft stark toxisch und hochkorrosiv sind.
Bakterien können in Abhängigkeit von der Populationsdichte ihr Verhalten über extrazelluläre Signalmoleküle steuern (Quorum Sensing, QS). So wird eine Vielzahl an bakteriellen Verhaltensweisen wie die Biofilmbildung und die Expression von Virulenzfaktoren reguliert, die durch eine Störung der Zell-Zell-Kommunikation beeinflusst werden können. Typische Strategien zur Bekämpfung der Biofilmbildung Gram-negativer Organismen über das QS beinhalten die kompetitive Inhibition des Signalmolekülrezeptors durch ein Strukturanalogon und den enzymatischen Abbau des Signalmoleküls N-Acylhomoserinlacton (AHL).
Grundvoraussetzungen für den praktischen Einsatz eines biofilmreduzierenden Wirkstoffes sind seine Verfügbarkeit und seine Wirkung, idealerweise mit einem breiten Wirkspektrum, sowie ferner seine Darreichungsform, beispielsweise als Oberflächenbeschichtung oder in Form einer Formulierung. Die Wirkung von AHL-Lactonasen auf die Biofilmbildung und die Produktion von Virulenzfaktoren sind in der Literatur beschrieben als Untersuchungen, in denen entsprechende Gensequenzen, vor allem aiia, in die untersuchte Zielspezies kloniert und das Verhalten dieser Mutanten mit ihren jeweiligen Wildtypen verglichen wurden. Diese Art der Wirkungsbestimmung wurde angewandt, da AHL-Lactonasen derzeit nicht kommerziell verfügbar sind. Die Expression der AHL-Lactonasen erfolgte in bisherigen Studien vor allem mit Escherichia coli im Schüttelkolbenmaßstab mit geringen Ausbeuten von bis zu 54 mg/L, um die Struktur von AiiA und AiiB aufzuklären und ihre Aktivität zu bestimmen.
Ziel dieser Arbeit war es in das QS Gram-negativer Bakterien einzugreifen, um deren Biofilmwachstum zu hemmen und die Bildung von Virulenzfaktoren zu reduzieren Darüber hinaus wurde das Potential von AHL-Lactonasen, beispielhaft an AiiA, AiiB und BlcC (ehemals AttM), als antibakterielle Wirkstoffe ermittelt. Um dies zu erreichen, wurden die AHL-Lactonasen AiiA, AiiB und BlcC zunächst in E. coli in einem 7 L-Bioreaktor exprimiert und über chromatographische Methoden aufgereinigt. Anschließend wurde ihre Wirkung auf das QS anhand der Biofilmbildung und der Produktion unterschiedlicher Virulenzfaktoren an ausgewählten Gram-negativen Bakterienstämmen untersucht. Für einen praktischen industriellen Einsatz wurden sie zur Demonstration der Machbarkeit an Partikeloberflächen und mit Maltose ausgerüsteten Flachsubstraten physisorbiert, an COOH- und NH2-funktionalisierten Oberflächen gebunden sowie in ein Hydrogel eingeschlossen. Auch diese Oberflächenbeschichtungen und Formulierungen wurden auf ihre Biofilm-reduzierenden Eigenschaften analysiert.
Zunächst wurden AiiA, AiiB und BlcC in einer Hochzelldichtefermentation mit bis zu 1,2 g/L exprimiert und auf eine Reinheit von 99 % aufgereinigt. Anschließend wurden die mit MALDI-TOF verifizierten AHL-Lactonasen AiiB und BlcC hinsichtlich ihrer hydro-dynamischen Radien (2,42 ±0,12 nm für AiiB und 2,37 ± 0,12 nm für BlcC), ihrer iso-elektrischen Punkte (5,45 für AiiB und 5,75 für BlcC) und ihrer Sekundärstruktur (AiiB mit 11,4 ±2,2 % ?-Helix und 36,2 ±2,9 % ?-Faltblatt, BlcC mit 4,4 ±4,2 % ?-Helix und 32,4 ±0,7 % ?-Faltblatt) charakterisiert. Bei der Bestimmung der spezifischen Aktivität mit Pyranin als pH-Indikator und mit Hilfe des Reporterstammes A. tumefaciens NTL4 (pCF218)(pCF372) im ONPG- und X-Gal-Assay zeigte sich BlcC stets um einen Faktor von 2 bis 3 aktiver als AiiB.
In der mikrobiologischen Bewertung wurde für AiiB und BlcC eine Reduzierung der Biofilmbildung, gemessen durch die metabolische Aktivität und die Biofilmmasse, von P. aeruginosa, P. pseudoalcaligenes, P. fluorescens, E. aerogenes und C. violaceum nachgewiesen. Sie besaßen jedoch keinen Einfluss auf Bakterien, die nicht über AHL kommunizieren, wie S. lutea, E. coli, P. mirabilis und die QS-defizienten Mutanten von E. coli und C. violaceum. Neben der Biofilmbildung in P. aeruginosa reduzierten AiiB und BlcC auch dessen Virulenzfaktoren wie Pyocyanin, Pyoverdin, Pyochelin und Rhamnolipide. In C. violaceum verminderte sich in Anwesenheit von AiiB und BlcC die Bildung von Violacein signifikant um 18 %. Weiterhin störten AiiB und BlcC das Schwimm- und Schwarmverhalten von P. aeruginosa und P. mirabilis.
Die Immobilisierung über Physisorption und Chemisorption sowie durch den Einschluss in eine polymere Matrix wurde zunächst mit Hilfe von Modellenzymen erarbeitet und auf ihre Eignung untersucht. Zur Immobilisierung über Physisorption wurden verschiedene polymere und anorganische Partikel ausgewählt und charakterisiert. Der pH-Wert des Immobi-lisierungspuffers und die spezifische BET-Oberfläche der Partikel besaßen den größten Einfluss auf die Immobilisierung von Enzymen. Das Desorptionsverhalten der physi-sorbierten Enzyme variierte in Abhängigkeit der zugrundeliegenden physikalischen Wechselwirkungskräfte. Es zeigte sich jedoch, dass 50 bis 90 % des gesamten physisorbierten Enzyms innerhalb der ersten 24 Stunden desorbierten. Lediglich die Immobilisierung über ionische Wechselwirkungen führte zu einer verzögerten Freisetzung.
Siliziumsubstrate, welche über eine Silanisierung aus der Flüssigphase, mit COOH- beziehungsweise NH2-Gruppen ausgerüstet wurden, dienten zur chemisorptiven Anbindung von AHL-Lactonasen. Es wurden hier Belegungsdichten von 330 – 630 funktionellen Gruppen/nm2 erzielt. Eine Freisetzung des immobilisierten Enzyms ist hier per Definition nicht möglich und wurde folglich nicht untersucht.
Hydrogele, basierend auf Poly(ethylenglykol)diacrylat, mit Polymergehalten zwischen 25 und 50 % wurden als Depotsystem hergestellt. Sie zeigten eine moderate Quellung von 200 % und waren in ihrer Maschenweite von 4,4 bis 7,1 nm über den Polymeranteil ein-gestellt. Bei einer Deformation < 1 % verhielten sich die Hydrogele wie weiche visko-elas-tische Feststoffe und wiesen mit zunehmendem Polymeranteil eine höhere, mechanische Sta-bilität auf. Die UV-Einwirkung während der Netzwerkbildung besaß weder auf die Sekun-därstruktur noch auf die spezifische Aktivität von Enzymen einen gravierenden negativen Einfluss. Durch eine geeignete Kombination der Maschenweite und des hydrodynamischen Radius des Proteins wurde ein Ausbluten des Hydrogels in der Anfangsphase vermieden und eine gleichmäßige Freisetzung von aktivem Enzym über eine Dauer von 14 Tagen erreicht.
Letztlich wurden AHL-Lactonasen mit geeigneten Methoden immobilisiert und ihre Biofilm-reduzierende Wirkung auf P. aeruginosa PAO1 untersucht. AiiB und BlcC, welche auf Kalksodaglaskügelchen und Siliziumdioxidpartikeln immobilisiert wurden, reduzierten die Biofilmbildung und die Produktion von Virulenzfaktoren signifikant, wohingegen sich Polystyrolacrylsäurepartikel für diese Anwendung als ungeeignet herausstellten. AHL-Lactonasen, welche über ihr Tag an Maltose immobilisiert wurden, reduzierten zwar die Biofilmbildung, jedoch nicht statistisch signifikant. AiiB und BlcC, welche kovalent über ihren N-Terminus gebunden wurden, führten zur einer reduzierten Biofilmbildung und einer verminderten Produktion von Virulenzfaktoren. Auch ein Einschluss von AiiB und BlcC in einem Hydrogel verminderte die Bildung von Virulenzfaktoren und des Biofilms nach 16 h und nach 88 h.
Mit dieser Arbeit wurden die Voraussetzungen geschaffen, die für einen industriellen Einsatz von AHL-Lactonasen im Einsatz gegen Biofilme bisher fehlten: Zunächst wurde anhand verschiedener Bakterienspezies systematisch gezeigt, dass sie als biofilmvermeidende Wirk-stoffe in das QS Gram-negativer Baktrien eingreifen und das Biofilmwachstum und die Virulenzfaktorbildung reduzieren. Das hier entwickelten Herstellungsverfahren ermöglicht ein weiteres Upscaling zur großtechnischen Herstellung der AHL-Lactonasen, um deren kommerzielle Verfügbarkeit zu ermöglichen. Letzlich wurden beispielhaft Immobili-sierungsansätze gezeigt, die nach ihrer Weiterentwicklung, in technischen wasserführenden Systemen eingesetzt werden können.