Promotionsstipendium: Dr. Maria Avramov

Die Bedeutung der Invertebraten für das Schadstoff-Selbstreinigungspotenzial in Grundwasserökosystemen

Schadstoff-Selbstreinigung im Grundwasser: De Bedeutung der Invertebraten

Grundwasserökosysteme beherbergen eine enorme Vielfalt an einzigartigen Organismen. Zugleich liefern sie eine lebensnotwendige Grundlage für die Menschheit, indem sie große Mengen sauberen Wassers als Ressource für die Trinkwassergewinnung, für die Landwirtschaft und zur Aufrechterhaltung von industriellen Prozessen bereitstellen. Die stetig wachsenden Bevölkerungszahlen auf unserem Planeten gehen mit immer größeren Nutzungsansprüchen einher, was zur Folge hat, dass mehrere ernstzunehmende Stressoren auf die Grundwasserökosysteme einwirken – übermäßige Grundwasserentnahme, Nährstoffbelastungen, toxische Kontaminationen, sowie Veränderungen des natürlichen Temperaturhaushalts. Diese Stressoren wirken sich auf die Organismen im Grundwasser aus und können damit auch potenziell das natürliche Funktionieren des gesamten Ökosystems bedrohen. Dies wiederum kann die Bereitstellung der vielfältigen Ökosystemleistungen (inklusive sauberer Wasser‐Ressourcen) gefährden, die täglich durch Grundwasserökosysteme erbracht werden.

Das Ziel der Arbeit war es, die Effekte von zwei verschiedenen Stressoren (Schadstoffe und Temperaturschwankungen des Grundwassers) auf die Grundwasserfauna zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden zwei neue Verfahren für die Untersuchung von Schadstoff‐ und Wärmestress bei Stygofauna entwickelt – (i) ein ökotoxikologischer Test, mit dem die letalen Effekte von flüchtigen organischen Verbindungen untersucht werden können, sowie (ii) eine Methode für die Analyse von Ganzkörper‐Katecholamin‐Konzentrationen in Grundwasser‐Organismen, anhand welcher physiologische Belastungen auf subletalem Niveau angezeigt werden können. Darüber hinaus wurden die Temperaturen ermittelt, welche kritisch für das Überleben zweier Krebstier‐Arten sind, sowie die Frage untersucht, ob diese Organismen die unterschiedlichen Temperaturen in einem Wärmegradienten wahrnehmen können und folglich dazu in der Lage sind, ihren Aufenthaltsort entsprechend ihrer Temperaturpräferenz bewusst auszuwählen, um Bereichen mit ungünstigen Temperaturverhältnissen fernzubleiben.

Die folgenden Ergebnisse wurden unter anderem erzielt:

Die durchgeführten ökotoxikologischen Untersuchungen an Grundwasser-Flohkrebsen (Niphargus inopinatus) ergaben, dass Toluol-Konzentrationen, wie sie an kontaminierten Standorten typischerweise vorgefunden werden, für 50% der getesteten Flohkrebse tödlich sind.

Die in Deutschland aktuell empfohlene maximale Einleitungstemperatur beim Betrieb oberflächennaher Geothermie‐Anlagen (20°C) war auf Dauer kritisch für das Überleben zweier Krebstierarten – der Grundwasserasseln Proasellus cavaticus und der –Flohkrebse N. inopinatus.

Beide Arten waren in der Lage, die unterschiedlichen Temperaturen in einem Wärmegradienten wahrzunehmen und wählten einen geeigneten Aufenthaltsort entsprechend ihrer Temperaturpräferenzen. Bei Temperaturextremen trat jedoch zuweilen auch eine Kälte- bzw. Wärmestarre auf.

Das Vorhandensein von  Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin im stygobionten Flohkrebs Niphargus inopinatus konnte erstmalig erfolgreich mittels zweier unabhängiger Methoden nachgewiesen werden. Im Vergleich zu den Katecholamin-Konzentrationen, die in einer verwandten Oberflächenwasser-Flohkrebsart (Gammarus pulex) gemessen wurden, waren die Ganzkörper‐Katecholamin‐Konzentrationen der Grundwasser-Flohkrebse erstaunlich hoch.

Bei beiden untersuchten Arten (N. inopinatus und G. pulex) veränderten sich die Katecholamin‐Gehalte nach der Einwirkung von kurzzeitigen, subletalen Temperatur‐Erhöhungen und zeigten somit an, dass die Katecholamine an der physiologischen Stress‐Antwort dieser Organismen beteiligt sind.

Aufgrund der charakteristischen Anpassungen von Grundwasserfauna an ihren Lebensraum, besitzen diese Organismen eine besonders hohe Vulnerabilität gegenüber Einwirkungen von anthropogenen Stressoren. Darüber hinaus führt der hohe Anteil endemischer Arten, die über ein sehr kleinräumliches Verbreitungsareal verfügen, zu einem hohen Extinktionsrisiko, was darin begründet liegt, dass das lokale Aussterben von Populationen schnell zu einem absoluten (d.h. weltweiten) Aussterben einer Art führen kann.

Die thermischen und chemischen Belastungen, die in dieser Dissertation unter Laborbedingungen untersucht wurden, treten in ähnlich hohem Ausmaß auch in anthropogen beeinflussten Grundwasserökosystemen auf. Somit können sie an belasteten Standorten, sofern sie bestimmte kritische Schwellenwerte überschreiten, die Existenz betroffener Krebstier-Populationen stark gefährden.

Um Grundwasserökosysteme dauerhaft zu schützen und ihre Ökosystemdienstleistungen auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, sollte die zukünftige Nutzung des Grundwassers anhand von nachhaltigen, ökologisch‐begründeten Grundwassernutzungs‐ und Bewirtschaftungsplänen geregelt werden. Hierfür sind geeignete rechtliche Rahmenbedingungen und Vorschriften notwendig, zu deren Entwicklung die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten kann.

AZ: 20009/005

Zeitraum

01.07.2009 - 30.06.2012

Institut

Technische Universität München (TUM) Lehrstuhl für Grundwasserökologie Wissenschaftszentrum Weihenstephan

E-Mail

Mail

Betreuer

Prof. Dr. Rainer U. Meckenstock