Die Rolle von Flexibilität in den Internationalen Beziehungen
In dieser Dissertation beschäftige ich mich mit der Effektivität grenzüberschreitender Abkommen im Bereich der Internationalen Umweltpolitik. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt insbesondere auf der Wasserqualität grenzüberschreitender Flüsse in Europa. Zentrale Annahme der Arbeit ist, dass das Unterzeichnen internationaler Abkommen einen Einfluss auf die Umweltqualität hat. Vier verschiedene aber zugleich auch verwandte Fragen werden in dieser Arbeit behandelt: Erstens, sind rechtlich bindende Verträge effektiv? Genauer gesagt, lassen sich Effekte rechtlich bindender Verträge auf die Umweltqualität nachweisen, die ohne sie nicht zu Stande gekommen wären? Zweitens untersuche ich in dieser Arbeit die Effektivität rechtlich nichtbindender Abkommen. Vor allem analysiere ich den Einfluss rechtlich nichtbindender Abkommen auf die Umweltqualität. Drittens gehe ich der Frage nach, ob rechtlich bindende Verträge effektiver sind als rechtlich nichtbindende Abkommen. Schließlich evaluiere ich die Effektivität von ‚addierten Abkommen‘, also von Abkommen, die in Bereichen hinzugefügt werden, in denen bereits ein rechtlich bindender Vertrag beziehungsweise ein rechtlich nichtbindendes Abkommen existiert.
Um diese Fragen zu beantworten wende ich einen ‚mixed-method‘ Ansatz an: Eine integrative Analyse von statistischen und fallbasierten Methoden, in der die Ergebnisse der ersten Methode für die Fallauswahl benutzt werden. Im quantitativen Teil besteht die Arbeit insbesondere aus einer statistischen Analyse des Einflusses internationaler Abkommen auf die Wasserqualität grenzüberschreitender Flüsse in Europa. Der Datensatz besteht aus 773 Beobachtungen und umfasst 39 grenzüberschreitende Flüsse, 43 Länder-Dyaden zwischen 1954 und 2008 mit dem empirischen Schwerpunkt auf der Ebene des Fluss-Dyaden-Jahres. Im qualitativen Teil der Arbeit werden zwei Fälle aus dem Datensatz ausgewählt: Die Donau und der Rhein. Ziel der Fallstudienanalyse ist eine fundiertere Beschreibung und Illustration der Ergebnisse der statistischen Analyse sowie eine Charakterisierung der Kausalmechanismen zwischen den Abkommen und grenzüberschreitender Wasserqualität.
Das wesentlichste empirische Ergebnis der Arbeit ist, dass Abkommen wirken. Internationale Abkommen haben zu einer Verbesserung der Wasserqualität bei grenzüberschreitenden Flüssen in Europa geführt, die ohne sie nicht zustande gekommen wäre. Zu wichtigen Randbedingungen gehören in diesem Zusammenhang die Charakteristika der Staaten, wie Demokratie und Einkommen. Zudem wurde ein positiver Effekt eines ‚Zeit-Trends‘ gefunden. Insbesondere dieser letzte Befund wurde durch die Ergebnisse der Fallstudien unterstützt. Diese haben gezeigt, dass ein gestiegenes Umweltbewusstsein sowie die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen wichtige Hintergrundbedingungen sind, wenn es um die Effektivität internationaler Abkommen geht.
Die wichtigste Erkenntnis für die Politik lautet: Äußerst entscheidend ist ein früher Beginn grenzüberschreitender Kooperation durch internationale Abkommen. Insbesondere in solchen Fällen, wo durch Abkommen mit der Überwachung grenzüberschreitender Umweltqualität begonnen wird. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Überwachung von Wasserqualität Transparenz ermöglicht. Transparenz wiederum war die Grundlage für ein vertrauensbasiertes Verhältnis der Staaten untereinander. Abkommen können hier als Verstärker zwischenstaatlicher Kooperation wirken. Zudem ist die Überwachung der Umweltqualität auch für individuelle und soziale Lernprozesse bedeutsam (Abkommen als Unterstützer von Lernprozessen), für eine Veränderung der Kosten- und Nutzen-Kalkulation von Akteuren (Abkommen als Nutzen- Modifizierer) sowie für die Formierung der Identität, des Verständnisses, der Wahrnehmung
und Normen involvierter Akteure (Abkommen als Rollen-Definierer). Schließlich, wenn es um die Entscheidung über die Form eines Abkommen geht, hat sich ein rechtlich bindendes Abkommen als effektiver im Vergleich mit einem nichtbindenden Abkommen für das erste Abkommen eines Bereiches erwiesen. Wenn es jedoch um ein ‚addiertes‘, also hinzugefügtes Abkommen in einem Bereich geht, so können die Ergebnisse hier leider keine klare Leitschnur vorgeben.
Diese Dissertation offenbart wichtige Zusammenhänge zwischen internationalen Abkommen und grenzüberschreitender Wasserqualität. Nichtsdestotrotz weisen die Ergebnisse auch auf ungelöste Fragen und somit auf weiteren Forschungsbedarf hin.