Promotionsstipendium: Dr. Jens Kiesel

Erstellung eines praxisorientierten Modellsystems zur GIS-basierten Beschreibung aquatischer Habitate im Fließgewässer durch die Kopplung eines ökohydrologischen Modells mit einem hydraulischen Modell

Ökohydrologische und hydraulische Fließgewässermodellierung zur Beschreibung aquatischer Habitate

Naturnahe Einzugsgebiete, Fließgewässer und die aquatische Vielfalt wurden primär aufgrund der Auswirkungen der industriellen und urbanen Entwicklung sowie der Intensivierung der Landwirtschaft weltweit degeneriert. Diese Veränderungen haben auf verschiedenen Skalen stattgefunden und daher sind Rehabilitationsmaßnahmen in Fließgerinnen und Einzugsgebieten notwendig, um die Bedingungen für aquatische Lebewesen zu verbessern. Modelle, die für die Planungen von Renaturierungsmaßnahmen angewendet werden, zielen meist auf einzelne Komponenten der komplexen Kette, die Abiotik und Biotik verbindet; so werden Modelle z.B. für die Prognose von hydrologischen und hydraulischen Zielgrößen verwendet. Dadurch wird die Wirkungskette unterbrochen, die die Antriebskräfte, Belastungen, Zustand und Auswirkungen auf das Gewässersystem verbindet. Es gibt kaum Modelle, die das Gesamtsystem Einzugsgebiet-Fließgewässer-Habitat-aquatische Lebewesen betrachten. Daher fehlt es an Werkzeugen, mit denen die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf den aquatischen Lebensraum, möglichst schon während der Planungsphase, getestet werden können.
Ziel dieser Dissertation ist daher die Erstellung eines integrierten, geographischen Informationssystems (GIS)-basierten Modellverbundes, der eine ganzheitliche Betrachtung der Wirkungskette vom Einzugsgebiet über das Fließgerinne zum aquatischen Lebewesen ermöglicht. Der Datenbedarf der Modelle umfasst die klimatischen und physischen Eigenschaften von Einzugsgebieten, sowie die Geometrie und Struktur der Fließgerinne. Dies ermöglicht es, den Einfluss des globalen Wandels sowie regionale und lokale Veränderungen auf den Lebensraum im Fließgewässer zu bewerten. Der Ansatz dieser Arbeit basiert auf dem „Driver-Pressure-State-Impact-(Response)“ (DPSI(R)) Konzept, und beinhaltet die Verknüpfung von einem ökohydrologischen-, zwei hydraulischen-, und zwei Habitatmodellen:
Das ökohydrologische Modell „Soil and Water Assessment Tool“ (SWAT) wurde genutzt, um das Abflussregime und die Erosionsprozesse auf Einzugsgebietsebene in Abhängigkeit von Landnutzung und Klima abzubilden. Im Rahmen dessen wurden zwei flachlandspezifische Werkzeuge entwickelt und in der hydrologischen Modellierung angewendet: Erstens, eine Methode zur Berücksichtigung des hohen Oberflächenretentionspotentials des Einzugsgebietes und zweitens, ein Abschätzungsmodell für die Bestimmung der Proportionen der Sedimenteintragspfade, um den Sedimenteintrag aus der Fläche, den Drainagen und Ufererosion zu quantifizieren.
Auf Fließgewässerebene wurden dann die Abfluss- und Sedimentzeitreihen aus der hydrologischen Modellierung genutzt, um hydraulische Simulationen durchzuführen. Hierfür wurden mit dem Modell „Hydrologic Engineering Center River Analysis System“ (HEC-RAS) eindimensional und mit dem „Adaptive Hydraulics Modelling system“ (AdH) zweidimensional Wassertiefe, Fließgeschwindigkeit, Substratveränderungen und Sedimenttransport in variablen Auflösungen simuliert.
Zusammen mit Gewässertrukturkartierungen wurden die zeitlich und räumlich dynamischen hydraulischen Modellergebnisse genutzt, um den Makrozoobenthoslebensraum zu beschreiben. Basierend auf verschiedenen Parametern fanden zwei unabhängige Simulationen statt: Erstens wurde mit dem Habitatmodell BIOMOD die Flussmuschel Sphaerium corneum basierend auf verschiedenen Sedimenttransport- und hydraulischen Habitatparametern abgebildet. Dies fand in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Forschungsinstitut Gelnhausen statt. Zweitens wurde im Rahmen dieser Arbeit und in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Biologie, Aquatische Ökologie, Universität Duisburg-Essen das „Habitat Evaluation Tool“ (HET) entwickelt. Mit dem HET Modell wurde die im Fließgewässer vorhandene Makrozoobenthosgemeinschaft basierend auf dem Gewässersubstrat modelliert.
Die Modellausgabe sind Karten und Statistiken des räumlichen Vorkommens der Arten an unterschiedlichen Zeitpunkten, die mit den vorherrschenden Umweltbedingungen verbunden sind. Das Modellsystem wurde am Beispiel des ländlich geprägten Kielstau Einzugsgebietes im Norddeutschen Tiefland erstellt und erfolgreich angewendet. Die Ergebnisse der Teilmodelle zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit gemessenen hydrologischen und hydraulischen Parametern und eine gute Übereinstimmung mit beobachteten räumlichen- und zeitlichen Erosionsformen. Simulierte räumliche Artenverteilungen sind realistisch im Vergleich zu beobachteten Verteilungen, abgeleitet aus Probenahmekampagnen. Die Methodik ist übertragbar und wurde bereits während der Entwicklung in anderen Einzugsgebieten angewendet.
Die Entwicklung des Modellsystems führt zu einem Voranschreiten der integrierten Modellierung, aber zukünftige Verbesserungen sind notwendig. Dies betrifft vor allem die Simulation von abiotischen Parametern, die Erforschung von Präferenzen der Organismen, die kombinierte Simulation mehrerer Organismengruppen sowie die Simulation von Interaktionen und Rückkopplungseffekten. Solch ein umfassenderer Modellierungsansatz könnte am effektivsten durch interdisziplinäre Teams entwickelt werden kann.

AZ: 20007/897

Zeitraum

01.07.2007 - 28.02.2011

Institut

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Ökologie-Zentrum
Fachabteilung Hydrologie und Wasserwirtschaft

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Betreuer

Prof. Dr. Nicola Fohrer