Gesundheitsstatus des Eurasischen Kranichs in Deutschland
Die Krankheiten und Todesursachen des Grauen Kranichs (Grus grus) in Deutschland in den Jahren 1998-2008
Der Kranich hat eine besondere Bedeutung hinsichtlich des Schutzes von Lebensräumen und Lebensgemeinschaften bedrohter Arten, indem er als Indikatorart das Funktionieren wichtiger Ökosysteme anzeigt. Zusätzlich fördert das besondere gesellschaftliche Interesse an diesem Großvogel in unserer Kulturlandschaft die Weiterentwicklung und öffentliche Akzeptanz des Naturschutzgedankens. Im Zuge der positiven Bestandsentwicklung in den letzten Jahren und des vielfältigen Anpassungsprozesses der Kraniche an anthropogen bedingte Habitatveränderungen können neben anderen Ökofaktoren auch Krankheiten Einfluss auf die Dynamik und Bedrohung von Teilpopulationen nehmen.
Zielsetzung: Die angestrebten Untersuchungen von relevanten parasitären Infektionsschwerpunkten an Rast- und Äsungsflächen sowie die Analyse anthropogen bedingter Todesursachen des Kranichs in Deutschland sollen zu neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der anwendungsorientierten Wildtierforschung führen. So können auf Grundlage des Wissens über die Biologie des Kranichs und der in diesem Projekt erarbeiteten Forschungsergebnisse, Interessensgruppen wie z.B. Landwirte, Jäger, Tourismus- verantwortliche und Naturschützer an der Lösung persistierender Konfliktfelder beteiligt werden und eigene Beiträge für den Kranich- und Naturschutz in Deutschland leisten.
Hintergrund: Die von Kranichen verursachten Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen insbesondere an Maiskeimlingen mit resultierenden Ertragsverlusten, können regional verstärkt durch die zunehmende Anzahl von Nichtbrütern bzw. Junggesellentrupps in Erscheinung treten. Bei dem Versuch die Vögel von den landwirtschaftlichen Nutzflächen zu vertreiben werden auch Methoden (z.B. illegaler Beschuss) eingesetzt, die zu Verlusten beim Kranich führen können. Begründet werden Verfolgungen in der Zunahme von Infektionskrankheiten, die von Wildvögeln auf Haustiere übertragen werden könnten, wodurch sich ein weiteres Spannungsfeld aufbaut. Um diese Spannungsfelder zu entschärfen und Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen zu reduzieren, werden auf ausgewählten relativ kleinen Flächen in einigen Ländern Ablenkfütterungen durchgeführt. Dies hat zur Folge, dass sich regional in den nördlichen Bundesländern bis zu 10.000 Kraniche auf Ablenkfütterungsflächen konzentrieren, wodurch der Pathogendruck und das Infektionsrisiko auf diesen Flächen ansteigen können.
In der Folge ihrer Ausbreitung in die vom Menschen dichter besiedelten Gebiete sind Kraniche an ihren Brut- und Rastplätzen vielfältigen Störungen ausgesetzt. Häufiger kann es auch zu tödlichen Unfällen während des Fluges kommen, wenn die Vögel beispielsweise mit Stromleitungen in der Landschaft kollidieren. Im Jahr 2004 starben in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen über 40 Kraniche und zahlreiche andere Wildvögel an einer Zinkphosphidvergiftung, die höchstwahrscheinlich durch ein unsachgemäßes Ausbringen von Rodentiziden hervorgerufen wurde.
Aufgrund von Infektionen mit Parasiten, Viren, Bakterien und Pilzen können besonders dann Erkrankungen verstärkt auftreten, wenn sich der Pathogendruck durch eine hohe Konzentration von Wildvögeln auf räumlich begrenzten Äsungsflächen an Rastplätzen erhöht. Inwieweit der Mensch einer möglichen Zunahme von Infektionskrankheiten durch eine Konzentrierung von Kranichen auf relativ kleinen Ablenkfütterungsflächen Vorschub leistet, ist nicht geklärt. So bildet die parasitäre Infektion mit dem Spulwurm Porrocaecum sp., die als relativ häufig beim Kranich angenommen wird, ein Untersuchungsschwerpunkt dieses Forschungsprojekts.
Fazit: Aufgrund der positiven Bestandsentwicklung des Grauen Kranichs werden in Europa die Konflikte mit der Landwirtschaft zunehmen. Die Crane Specialist Group der World Conservation Union (IUCN) empfiehlt neben dem Schutz und der Wiederherstellung von Feuchtgebieten sowie der Erhaltung von Rastplätzen ein Monitoring und eine intensivere Erforschung der Krankheiten aller Kranicharten, da das Auftreten von Infektionskrankheiten in limitierten Rast- und Überwinterungsgebieten als ein hoher Risikofaktor insbesondere bei wachsenden Populationen bewertet wird. An dieser Empfehlung knüpft diese Studie an, mit dem Ziel die natürlichen und anthropogen bedingten Gefährdungsursachen der freilebenden Kraniche in Deutschland zu untersuchen.
Aufbauend auf den Ergebnissen sind Interessensgruppen dazu aufgerufen, gemeinsam mit den Kranichschützern Lösungsansätze zu erarbeiten, um anthropogen bedingte Todesursachen bei Kranichen und anderen Großvögeln zu reduzieren. Der bestehende Kontakt zu internationalen Kranichexperten, z.B. mit Tierärzten und Biologen an der International Crane Foundation (ICF) ist dabei eine wichtige Grundlage für ein gemeinschaftliches Bestreben im Kranich- und Naturschutz weltweit.