Kommunalaufsicht zur Reduzierung des Vollzugsdefizits im UmweltrechtIn der Arbeit untersucht worden ist die Kontrolle des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung. Der Aspekt der Kontrolle bildet einen maßgeblichen Bestandteil des Bündels an Maßnahmen zur nicht zuletzt auch rechtlich gebotenen Reduzierung von Vollzugsdefiziten im Umweltrecht. Hier ist die in Bezug auf die kommunale Bauleitplanung bestehende Kontrollsituation sowohl rechtlich als auch empirisch analysiert und anschließend nach Verbesserungsperspektiven gesucht worden.I. Ergebnisse der rechtlichen AnalyseDie rechtliche Analyse ergab, dass derzeit zahlreiche komplexe und vielschichtige Regelungen zum Schutz von Natur und Landschaft existieren. An die Bauleitplanung werden dabei sowohl naturschutzrechtlich motivierte äußere Planungsgrenzen herangetragen als auch diverse dem Naturschutz dienende Abwägungsdirektiven. Besondere Bedeutung kommt der städtebaulichen Eingriffsregelung nach § 1a III BauGB, dem unionsrechtlich intendierten Habitatschutz nach § 1a IV BauGB i. V. m. § 34 BNatSchG und dem ebenfalls unionsrechtlich intendierten speziellen Artenschutz zu. Die einzelnen Vorschriften sind nicht hinreichend aufeinander abgestimmt, zeichnen sich durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe aus und sind häufig naturschutzfachlich ausfüllungsbedürftig. Das alles erschwert nicht nur ihre Anwendung, sondern auch die Kontrolle der Beachtung bzw. Berücksichtigung dieser Vorgaben.Was die Kontrolle selbst angeht, so verfügen lediglich die Kommunalaufsichtsbehörden über umfassende Kontrollrechte. Ob und Wie der Kontrolle ist jedoch dem Ermessen der Kommunalaufsichtsbehörden anheimgestellt. Dabei ist zu beachten, dass diesen neben der Kontrollfunktion auch eine Schutz-, Förderungs- und Vermittlungsfunktion gegenüber den Gemeinden zukommt. Schließlich darf vermutet werden, dass die Aufsichtsbehörden nicht objektiv operieren, sondern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durchaus auch eigene (politische) Ziele verfolgen. Demgegenüber sind die Gerichte verfassungsrechtlich abgesichert (vgl. Art. 97 I GG) zur Objektivität verpflichtet und ganz auf Kontrolle bzw. Rechtsschutz ausgerichtet. Die Gerichte können jedoch nicht von sich aus tätig werden, sondern bedürfen hierfür des Anstoßes durch Private oder Behörden (kein Richter ohne Kläger). Da die derzeit bestehenden Klagerechte aber ganz überwiegend auf den Individualrechtsschutz zugeschnitten sind, was eine gerichtliche Überprüfung der objektiv-rechtlichen naturschützenden Standards weitgehend ausschließt, vermögen sie nur in geringem Maße den Schutz von Natur und Landschaft sicherzustellen. Zwar ist den Naturschutz- und sonstigen Umweltvereinigungen in einigen Bereichen bereits eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege eingeräumt, doch ist diese selbst unter Beachtung der unionsrechtlich vorgesehenen Aufweitung solcher altruistischen Verbandsklagen noch bei Weitem nicht umfassend. Insbesondere im Bereich der Bauleitplanung bestehen noch zahlreiche Kontrolllücken, woran nicht zuletzt das derzeit noch bzw. wieder unausgewogene Planerhaltungsrecht Anteil trägt. Damit ist dem am besten geeigneten Kontrolleur, den Gerichten, keine umfassende Kontrolle des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung möglich und andererseits jedenfalls zu vermuten, dass diejenige Institution, bei der das der Fall ist, die Kommunalaufsicht, nur ein suboptimaler Kontrolleur ist.II. Ergebnisse der empirischen AnalyseErkenntnisinteresse des empirischen Teils dieser Arbeit war das Gewinnen eines ersten Einblicks in die Praxis der Kommunalaufsicht hinsichtlich des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung. Hierbei wurde sich auf die Kontrollpraxis in Bezug auf Bebauungspläne beschränkt. Unter Orientierung an aus der quantitativen Sozialforschung bekannten Verfahren wurden sämtliche Kommunalaufsichtsbehörden Deutschlands angeschrieben und zur Teilnahme an einer Online-Befragung eingeladen. Obgleich die Rücklaufquote nicht ausreichte, um repräsentative Ergebnisse zu erzielen, konnten Erkenntnisse gewonnen werden, die ein nicht ungewichtiges Indiz hinsichtlich der Aufsichtspraxis in Bezug auf den Schutz von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung abgeben. Die Befragung bestätigte den bereits mehrfach in der Literatur geäußerten Befund, dass sich die Kommunalaufsichtsbehörden schwerpunktmäßig der Beratung der ihrer Aufsicht unterstellten Kommunen zuwenden und nur sehr zurückhaltend Gebrauch von repressiven Aufsichtsmitteln machen.Soweit Bebauungspläne nicht genehmigungspflichtig sind, lassen sich die Aufsichtsbehörden diese nach Abschluss des Planaufstellungsverfahrens überwiegend nicht (noch einmal) vorlegen. Von möglichen Rechtsverstößen erfahren die unteren Kommunalaufsichtsbehörden in erster Linie durch anhängige Gerichtsverfahren, die oberen Kommunalaufsichtsbehörden durch Anzeigen von Bürgern, Unternehmen und Vereinen. Inhaltlich beschränken sich vor allem die unteren Aufsichtsbehörden auf die Kontrolle vergleichsweise leicht überprüfbarer Vorgaben. Hinsichtlich im Zuge der Bebauungsplanung vorgesehener Eingriffskompensationsmaßnahmen nach § 1a III BauGB erfolgt durchaus sowohl eine Überprüfung der Herstellung der vorgesehenen Maßnahmen als auch der mit ihnen erstrebten Wirkung. Des Weiteren wirken die oberen Kommunalaufsichtsbehörden nur sehr zurückhaltend auf die unteren Kommunalaufsichtsbehörden ein, dies wiederum meist im Wege der Beratung. Die Personalausstattung schließlich wurde überwiegend als aufgabenadäquat eingestuft.Ein statistisch signifikanter starker Zusammenhang konnte insbesondere festgestellt werden zwischen Genehmigungspflichtigkeit von Bebauungsplänen und Beratungsbedarf seitens der betreffenden Kommunen einerseits sowie der Beratungstätigkeit der Kommunalaufsichtsbehörden andererseits. Der Beratungsbedarf hinsichtlich genehmigungspflichtiger Bebauungspläne ist augenscheinlich höher als hinsichtlich nicht genehmigungspflichtiger Bebauungspläne. Auch besteht offenbar ein wenn auch nicht sehr starker Zusammenhang zwischen Anzeigepflichtigkeit für kommunale Satzungen und damit auch für Bebauungspläne und dem Vorlegenlassen nicht genehmigungspflichtiger Bebauungspläne seitens der Kommunalaufsicht. Die Anzeigepflichten tragen tendenziell dazu bei, dass die Aufsichtsbehörden auch nicht genehmigungspflichtige Bebauungspläne einsehen. Schließlich weist einiges darauf hin, dass sich ein nur zweistufiger Verwaltungsaufbau belebend auf die Beratungstätigkeit der unteren Kommunalaufsichtsbehörden auswirkt und zudem auch die unteren Kommunalaufsichtsbe-hörden eher zum Einschreiten bei erkannten Rechtsverstößen ermutigt.Insgesamt konnte die Vermutung, dass die Kontrolle des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung durch die staatliche (Kommunal-)Aufsicht unzureichend ist, bestätigt werden. Außerdem konnte weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt werden; insbesondere der hier festgestellte Einfluss des Verwaltungsaufbaus auf die staatliche Kontrolltätigkeit sollte einer näheren Untersuchung unterzogen werden.III. Aufgezeigte VerbesserungsperspektivenExemplarisch wurden schließlich einige Verbesserungsperspektiven aufgezeigt. Verbesserungen der Kontrollsituation in Bezug auf den Schutz von Natur und Landschaft in der kommunalen Bauleitplanung können einerseits bei der Kontrollierbarkeit und andererseits bei der Kontrolle selbst ansetzen. Hinsichtlich der Kontrollierbarkeit sind vor allem zu nennen: die anwenderfreundlichere Ausgestaltung von Rechtsvorschriften sowie die Anreicherung der juristischen Methodik um das Gebot, im Zweifel dem praktikabelsten Auslegungsergebnis zu folgen, die Stärkung der Landschaftsplanung, die stärkere Qualitätssicherung bei den (privaten) Planungsbüros, die Entfrachtung der bauleitplanerischen Abwägung unter gleichzeitiger Etablierung der herausgelösten Anforderungen als äußere Planungsgrenzen, wofür insbesondere die Bodenschutzklausel des § 1a II BauGB sowie das Vermeidungsgebot der städtebaulichen Eingriffsregelung nach § 1a III BauGB im Sinne einer echten Alternativenprüfung in Betracht kommen, und die Umgestaltung der Abwägungsmethodik weg vom derzeit praktizierten natürlich-sprachlichen Verfahren hin zu einer mehr numerischen Methodik.Gerade der letzte Aspekt birgt möglicherweise ein erhebliches Verbesserungspo-tenzial, wird sich aber aufgrund des hiermit verbundenen, vorgängigen Arbeits- und Untersuchungsaufwands sowie der politischen Gegebenheiten allenfalls mittel- bis langfristig realisieren lassen.Hinsichtlich der Verbesserung der Kontrolle selbst sollte vor allem auf eine entsprechende Verschiebung der Schwerpunktsetzung der gerichtlichen Kontrolle gesetzt und die Klagerechte für Umweltverbände erweitert werden. Eine Stärkung der staatlichen Kontrolle bietet sich demgegenüber weniger an, weil die Staatsaufsicht im Allgemeinen und die Kommunalaufsicht im Speziellen eben nicht nur Kontrolleur ist, sondern auch und vor allem Berater und kooperativer Ansprechpartner innerhalb der Verwaltung.