Entwicklung von Betriebsstrategien für Anammox-Reaktoren
Für eine nachhaltige und biotechnologisch innovative Stickstoffelimination aus hoch N-belasteten Abwässern ist die Anaerobe AmmoniumOxidation (Anammox) ein viel versprechender Prozess. Ammonium wird mit Nitrit durch autotrophe Organismen zu elementarem Stickstoff umgesetzt, ohne dass es einer organischen C-Quelle bedarf. Das Verfahren zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es im Vergleich zur konventionellen Nitrifikation/Denitrifikation 60 % weniger Belüftungsenergie und 100 % weniger Kohlenstoff benötigt. Nachteilig sind die geringen Wachstumsraten, die lange Anreicherungszeiten erfordern, und die bisher in der Literatur beschriebene Sensitivität gegenüber Hemmstoffen. Bisher gibt es jedoch noch kaum anwendungsorientierte Erfahrungen mit dem Anammox-Prozess in der technischen Nutzung.Kürzlich ist es an der Universität Hannover erstmals in Deutschland gelungen, eine leistungsfähige Anammox-Biozönose ohne vorherige Animpfung gezielt unter realitätsnahen Bedingungen anzureichern. Die Inbetriebnahmezeit von drei Monaten mit realem Abwasser in zwei Sequencing Batch Reaktoren (SBR) war ein entscheidender Schritt zur technischen Anwendbarkeit des Verfahrens. Die in Folge der gewählten Betriebsstrategie angereicherte Biozönose erwies sich als weitaus robuster gegenüber Störeinflüssen, als aus anderen Studien zu erwarten war. Ziel dieses Vorhabens ist, den Einfluss der Betriebsstrategie auf die Leistungsfähigkeit des Anammox-Prozesses unter praxisnahen Bedingungen genauer zu untersuchen und den Reaktorbetrieb entsprechend zu optimieren.In einer zweijährigen experimentellen Phase werden daher an einer Versuchsanlage aus zwei SBRs folgende Fragestellungen bearbeitet:a) Möglichkeiten der optimierten Zyklussteuerung durch einfach erfassbare, prozessrelevante Messwerte (pH, Redoxpotential, Leitfähigkeit)b) Einfluss der Beschickungsstrategie auf die Leistungsfähigkeit der Anammox-Biozönose (hoher Substratgradient/stoßweise Beschickung und Substratlimitierung/langsame Beschickung)c) Auswirkung unterschiedlicher C/N-Verhältnisse im Abwasser und optimiertes hydraulisches Regime (Länge der Füll-, Absetz- und Dekantierphase)Zum Abschluss jeder Betriebsphase werden die Biomassen ausführlich charakterisiert. Neben einer Gesamtbilanzierung der N-Umsetzungen werden in Batchversuchen die kinetischen Parameter der Organismen ermittelt (Wachstumsrate, Substrataffinität, spezifische maximale Umsatzrate). Weiterhin wird die Sensitivität gegenüber betrieblich relevanten, potentiell hemmenden Einflüssen bestimmt (mögliche Hemmung v.a. durch hohe Nitritkonzentrationen, Phosphat und Sauerstoff).Aus den Ergebnissen soll eine Betriebsstrategie abgeleitet werden, die die Anreicherung und den stabilen Betrieb einer Anammox-Biozönose erlaubt, die unter praxisnahen Bedingungen eine hohe Leistungsfähigkeit aufweist und gleichzeitig möglichst unempfindlich gegenüber Störeinflüssen ist, die in der technischen Umsetzung auftreten können (diskontinuierlicher Abwasseranfall, wechselnde Abwasserqualität). Die auf den online-Messwerten basierende Mess- und Regelstrategie soll einen möglichst weitgehend automatisierten Betrieb ermöglichen. Am Ende der experimentellen Phase nach zwei Jahren soll grundsätzlich ermittelt worden sein, für welche Abwasserqualitäten Anammox ein geeignetes biologisches Behandlungsverfahren darstellt.Im dritten Jahr des Vorhabens sollen an Hand der erhobenen Messdaten die kritischen Prozesse des Versuchsmaßstabs identifiziert werden, um einen scale up-Ansatz zu entwickeln, der die limitierenden Faktoren (Stofftransport, Strömungsmechanik) berücksichtigt. Mit dem daraus abgeleiteten Reaktordesign soll eine exemplarische Bemessung für verschiedene Abwasserqualitäten durchgeführt werden. Diese Verfahrensauslegung wird schließlich konventionellen biologischen und physikalischen Verfahren gegenübergestellt und hinsichtlich der zu erwartenden Kosten, der möglichen Umweltentlastung und des erforderlichen Ressourcen- und Energiebedarfs verglichen.