Modellentwicklung zur troposphärischen AerosolprozessierungDie Troposphäre ist ein komplexes und gekoppeltes Mehrphasensystem, indem viele physikalische und chemische Prozesse ablaufen, die alle Umweltkompartimente direkt oder/und indirekt beeinflussen. Aufgrund der großen Komplexität des Gesamtsystems ist das derzeitige Systemverständnis begrenzt. Deshalb sind detaillierte Untersuchungen der Subsysteme obligatorisch, um das System Atmosphäre mit seinen Wechselwirkungen und Kopplungen besser verstehen zu können. Einen wissenschaftlichen Komplex, dessen Kenntnisstand sehr begrenzt ist, stellt die Prozessierung des Aerosols im troposphärischen Mehrphasensystem dar. Die Aerosolprozessierung soll daher in dieser Arbeit mit Hilfe von expliziten Multiphasenchemiemodellen untersucht werden.Der Wirkung von Aerosolpartikeln auf die Umwelt wurde innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte immer größere Bedeutung zuerkannt. Neben der komplexen Wirkung von Aerosolpartikeln auf die solare und terrestrische Strahlung, haben Partikel auch direkte Wirkungen auf Menschen und Ökosysteme. Darüber hinaus verändern sie über atmosphärische heterogene chemische Reaktionen die stoffliche Zusammensetzung und damit in die Oxidationskapazität der Troposphäre. Ohne ein detailliertes Verständnis der verschiedensten chemischen und physikalischen Prozesse und Effekte können großskalige Modelle nur unzureichend parametrisiert werden. Für eine erfolgreiche Modellierung atmosphärischer Prozesse, wie z.B. der Wolkenbildung in großskaligen Wetter- und Klimamodellen und deren prognostische Anwendung, bildet die Aufklärung der physikochemischen Aerosolprozessierung sowie deren parametrisierte Beschreibung eine unabdingbare Voraussetzung. Finales Ziel der umfassenden Studien zur Prozessierung des troposphärischen Aerosols soll deshalb die Aufklärung wichtiger chemischer Multiphasenprozesse sein, die für die Parametrisierung großskaliger Modelle und deren prognostischer Anwendung bedeutsam sind. Damit wird das Systemverständnis der Troposphäre erhöht und die in ihr ablaufenden die Interaktionen besser verstanden, was letztendlich zu einer höheren Qualität der Modellvorhersagen führen wird.Zur Erhöhung des Kenntnisstandes der Oxidation atmosphärischer Spezies in Gas- und Flüssigphase sowie deren Wechselwirkung sollen zu Beginn der Arbeit Fallstudien mit dem polydispersen Boxmodell MODMEP durchgeführt werden, wobei der Schwerpunkt auch auf die Oxidationswege organischer Verbindungen gelegt wird. Dazu sollen Quellen- und Senkenanalysen wichtiger Spezies durchgeführt sowie eventuelle Unterschiede in einzelnen Größenfraktionen analysiert und detektiert werden. Von besonderem Interesses sind dabei auch die Wechselwirkungen zwischen organischen und anorganischen Wolkeninhaltsstoffen besser zu verstehen. Auch die Differenzen zwischen der auftretenden Tag- und Nachtradikalchemie in beiden Phasen sollen für die einzelnen Regime (urban, remote, marine) ausführlich analysiert werden. Die aus den ausführlichen Analysen der Boxmodellfallstudien gewonnen Erkenntnisse sollen im Anschluss mit dem Wolkendurchgangsmodell SPACCIM (SPectral Aerosol Cloud Chemistry Interaction Model) auf der Basis real gemessener Daten evaluiert werden. SPACCIM soll weiterhin im Rahmen der vom Institut geplanten Wolkendurchgangsexperimente bei der Analyse und Interpretation der Messdaten helfen und folglich zur Verbesserung des Systemverständnisses betragen. Dieser realitätsnahe Einsatz des Modells soll die Einordnung der derzeitigen Verständnismöglichkeiten des Mehrphasensystems ermöglichen, konkrete Mechanismenentwicklungsrichtungen vorgeben sowie neue Schwerpunkte für zukünftige Feldmessungen geben. Danach soll auf der Basis der Modellevaluierung der Flüssigphasenmechanismus CAPRAM weiterentwickelt werden. Da die Anwendung eines detaillierten Mechanismus nicht nur für einfache Boxmodelle interessant ist, sondern letztlich in großskaligen Modellen Verwendung finden muss, ist das Ziel der anschließenden Reduktion, die Entwicklung von Mechanismen für bestimmte Zielstellungen und Modellanforderungen in höherskaligen Modellen. Mit Hilfe der revidierten, weiterentwickelten Mechanismen sollen folglich Parametrisierungen zur Beschreibung der Aerosolprozessierung gefunden werden, die in höherskaligen Modellen Anwendungen finden werden. Dabei werden regionale Modellstudien mit einem Chemie-Transport-Modell den Schwerpunkt bilden. Angestrebt werden regionale Vorhersagen zur Verteilung von Spurenstoffen sowie daraus entstehenden Umweltbelastungen und Aussagen zur zeitlichen Modifikation des troposphärischen Aerosols.