Immunmodulation durch VOCIn einem hoch industrialisierten Land wie Deutschland verbringen Menschen die meiste Zeit in Räumen. Somit kann die Qualität der Innenraumluft, insbesondere eine Schadstoffbelastung, die Gesundheit des Menschen beeinflussen. Epidemiologische Studien zeigten, dass die Schadstoffbelastung der Innenraumluft im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen und Allergien steht. Wichtige Schadstoffe im Innenraum sind flüchtige organische Verbindungen (VOC), die z.B. durch Renovierungsarbeiten und Verlegung von Fußbodenbelägen in die Innenraumluft gelangen.Ziel dieser Dissertation war es, den Einfluss von ausgewählten VOC hinsichtlich der Induktion von immunmodulierenden und inflammatorischen Prozessen zu untersuchen. Dafür wurden die aromatischen Verbindungen Chlorbenzol, Styrol, m-Xylol, die aliphatischen Verbindungen n-Nonan, n-Dekan, n-Undekan, n-Dodekan, n-Tridekan und Methylcyclopentan sowie verschiedene VOC-Mischungen ausgewählt. Schwerpunkt dieser Arbeit waren Untersuchungen zum Einfluss von VOC auf periphere mononukleäre Blutzellen (PBMC), insbesondere auf die Th1/Th2-Balance zur Abklärung möglicher adjuvanter allergiefördernder Effekte sowie Untersuchungen von VOC-Effekten auf Lungenepithelzellen (Zelllinie A549). Dafür wurden ein bestehendes In vitro-Modell modifiziert und neue experimentelle Modelle etabliert.Die Untersuchungen zeigten, dass die ausgewählten VOC auf die Zytokinfreisetzung von PBMC keinen Einfluss hatten, der auf ein erhöhtes Allergierisiko durch diese Chemikalien hinweist. Es ist daher zu vermuten, dass PBMC nicht die primären Targetzellen für VOC sind.Da flüchtige Chemikalien mit der Atemluft in die Lunge gelangen und dort primär Kontakt mit Epithelzellen haben, wurde die Hypothese aufgestellt, dass eingeatmete VOC inflammatorische Reaktionen in Lungenepithelzellen auslösen. Durch Freisetzung von reaktiven Mediatoren durch die Lungenepithelzellen könnten sekundär Blutzellen in ihrer Zytokinfreisetzung verändert werden. Zur Prüfung dieser Hypothese wurden experimentelle Modelle entwickelt, die eine VOC Exposition adhärenter Lungenepithelzellen ermöglichen sowie die Untersuchung von Sekundäreffekten auf PBMC erlauben.Die Exposition von Lungenepithelzellen mit Chlorbenzol, Styrol und m-Xylol sowie mit Mischungen, die diese Verbindungen enthalten, führte in innenraumrelevanten Konzentrationen zu einer verstärkten Freisetzung des Chemokins MCP-1, welches an entzündlichen und allergischen Prozessen beteiligt ist. Hohe Konzentrationen dieser VOC führten zu einer Induktion der IL-8-Freisetzung. Dieses Chemokin ist an entzündlichen Reaktionen beteiligt. Die untersuchten Alkane (C9-C13-Alkane und Methylcyclopentan) zeigten keinen Einfluss auf die MCP-1- und IL-8-Freisetzung. Zellkulturüberstände Chlorbenzol- und Styrol-exponierter Lungenepithelzellen führten bei Inkubation mit peripheren Blutzellen zu einer verstärkten IL-13-Freisetzung. Das weist auf eine verstärkte Th2-Antwort hin, die für allergisches Geschehen kennzeichnend ist. Für m-Xylol konnte dieser Sekundäreffekt nicht beobachtet werden.Für die hier untersuchten aliphatischen Verbindungen (C9-C13-Alkane, Methylcyclopentan) konnten im innenraumrelevanten Konzentrationsbereich mittels der hier angewandten Modelle keine Effekte beobachtet werden, die für ein Gesundheitsrisiko sprechen. Demgegenüber waren unter Styrol-, Chlorbenzol- und m-Xylol-Exposition potenziell gesundheitsgefährdende Effekte nachweisbar (Freisetzung von entzündungsauslösenden und allergiefördernden Mediatoren), die im Fall von Chlorbenzol und Styrol nicht auf Lungenepithelzellen beschränkt, sondern sekundär auch auf PBMC übertragbar waren.Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen dafür, dass entzündliche Reaktionen der Atemwege eher durch aromatische VOC ausgelöst werden. Von Farben, Lacken und Klebstoffen mit höherem Anteil aromatischer Verbindungen könnte somit ein Risiko für entzündliche Atemwegserkrankungen ausgehen.