Promotionsstipendium: Dr. Stefan Böger

Ausbreitung, Etablierung und Populationsgenetik des SilbergrasesCorynephorus (L.) P. BEAUV. als Grundlage eines Biotopverbundes für Sandmagerrasen in Deutschland

Ausbreitung und Populationsgenetik des SilbergrasesZiel des Vorhabens ist die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen zur Fragmentierung der Habitate sowie zur genetischen Isolation des Silbergrases (Corynephorus canescens). Des Weiteren sollen Pflegemaßnahmen auf ihre Eignung für ein erfolgreiches Management von Silbergrasfluren getestet werden. Die Ergebnisse sollen als Grundlage dienen, um ein erfolgreiches, überregionales Biotopverbundkonzept für Sandmagerrasen in Deutschland zu entwickeln. Die Fragmentierung von Lebensräumen ist eines der bedeutendsten Probleme im Naturschutz weltweit. Sie äußert sich in der Veränderung von Biotopgrenzen, Vergrößerung der Isolation durch zunehmende Distanzen und strukturelle Barrieren, Verschlechterung der Habitatqualität durch verstärkte Randeffekte und fehlende Korridore zur Ausbreitung von Tier- und Pflanzenarten. Sandlebensräume werden aufgrund von wachsendem Flächenverbrauch durch Überbauung und Aufforstung, fehlenden Bodenstörungen, sowie Nährstoffanreicherung durch Stickstoffeinträge aus der Luft immer seltener. So wurden sie in Bayern während der letzten 100 Jahre auf ca. 1% ihrer ursprünglichen Ausdehnung zurückgedrängt.Die Verfügbarkeit offener Sandflächen spielt für den Fortbestand der Silbergrasfluren eine entscheidende Rolle, da das Silbergras als konkurrenzschwache Pionierart nur diese Stellen besiedelt und an die dort herrschenden Extrembedingungen sehr gut angepasst ist. Das Silbergras toleriert neben Nährstoffarmut, Wassermangel und extremen Temperaturen auch Übersandung durch Wind oder Ameisenaktivität. Natürliche und anthropogene Störungen wie Tritt- und Fahrspuren, Bioturbation, Wind- und Wassererosion, militärischer Übungsbetrieb, Sandabbau und naturschutzfachliche Pflegemaßnahmen stellen wichtige ökologische Prozesse für die Erhaltung von Sandlebensräumen dar.Populationsbiologie:Das Ausbreitungspotential von Silbergrassamen (Karyopsen) wurde an drei Standorten untersucht. Hierzu wurden Trichterfallen für einen Zeitraum von acht Wochen im Gelände aufgestellt um zu testen, welche Entfernungen die Karyopsen von C. canescens bei unterschiedlichen Barrieresituationen überbrücken. Es hat sich gezeigt, dass die Ausbreitungsdistanz der Silbergraskaryopsen an den untersuchten Standorten im Bereich von wenigen Metern liegt. Um die Etablierungswahrscheinlichkeit des Silbergrases an verschiedenen Standorten zu untersuchen, wurden Untersuchungsflächen angelegt, auf denen sowohl der Anflug der Samen als auch die Keimung und Etablierung über einen längeren Zeitraum verfolgt werden kann. Die Untersuchungsflächen wurden in Bereichen angelegt, in denen vorher Pflegemaßnahmen durchgeführt wurden (Oberbodenabtrag, Sandaufschüttung), um die Etablierungs-wahrscheinlichkeit mit der Art der Pflegemaßnahmen in Beziehung zu setzen. Ergänzend hierzu wurden Experimente zur Saatgutübertragung durchgeführt. Hier hat sich gezeigt, dass neben der Behandlung (Art der Pflegemaßnahme) in erster Linie die Distanz zu einer Donorpopulation für eine Besiedlung der Fläche und die erfolgreiche Etablierung von C. canescens verantwortlich ist.Populationsgenetik:In kleinen, isolierten Populationen ist die Erhaltung der genetischen Vielfalt häufig problematisch, da hier die genetische Drift, d.h. die zufällige Verschiebung der Allelhäufigkeit im Genpool, besonders wirksam ist. Der Grad der genetischen Diversität und Isolation räumlich fragmentierter Silbergraspopulationen wurde mittels Isoenzymanalyse untersucht.Für die Untersuchungen wurden 34 Populationen von Corynephorus canescens bezüglich ihrer populationsgenetischen Struktur analysiert (Isoenzymanalyse). Hierbei war keine deutliche Differenzierung der genetischen Diversität zwischen den Regionen festzustellen. Es traten keine „Privat-Allele“ auf. Es konnte jedoch bei sechs Populationen unabhängig von der Region eine signifikante Abweichung vom Hardy-Weinberg-Gleichgewicht beobachtet werden. In Bezug auf die Fitness der Individuen hat sich gezeigt, dass der Durchmesser der Pflanzen als Maß für die relative Wachstumsrate sowohl von der genetischen Diversität als auch vom Inzuchtkoeffizienten abhängig ist. Auch zwischen räumlicher und genetischer Distanz besteht ein signifikanter Zusammenhang. Ergänzend hierzu wurden Bestäubungsexperimente durchgeführt, um zu klären, ob bei C. canescens Selbstbestäubung stattfindet, da die Bestäubungs- und Befruchtungsbiologie einer Art ganz wesentlich bestimmt, welche räumlichen genetischen Muster zu erwarten sind. C.canescens ist selbstkompatibel, könnte sich also im Gegensatz zu vielen anderen Gräsern selbst befruchten. Es soll deshalb geklärt werden, ob bei C. canescens Selbst- oder Fremdbefruchtung vorliegt.Die Ergebnisse der populationsgenetischen Untersuchungen ermöglichen eine Einschätzung des Gefährdungspotentials (Inzuchtwahrscheinlichkeit) der Silbergras-Populationen. Mit Hilfe der Untersuchungen zur Populationsbiologie von C. canescens soll geklärt werden, in welcher Entfernung neue Flächen geschaffen werden können, bzw. welche Pflegemaßnahmen auf vorhandenen Flächen erfolgversprechend sind. Begleitend wird mit Vertretern von Naturschutzverbänden und Behörden ein Maßnahmenkatalog zum Erhalt der stark bedrohten Silbergrasfluren entwickelt.

AZ: 20002/392

Zeitraum

01.01.2003 - 31.12.2005

Institut

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ Projektbereich Naturnahe Landschaften und Ländliche Räume

Betreuer

Prof. Dr. Anke Jentsch