Promotionsstipendium: Dr. Frank Bergen

Einfluss der Windenergienutzung auf die Avifauna im Binnenland

Einfluss der Windenergienutzung auf die Avifauna im BinnenlandZusammenfassung der DissertationIm Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde den Fragen nachgegangen, welche Auswirkungen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) auf im Binnenland rastende sowie überwinternde, brütende und ziehende Vögel hat. Weiterhin wurde die Raum-Zeitnutzung von Greifvögeln (hier: Accipitriformes und Falconiformes) im Hinblick auf einen möglichen Einfluss von WEA untersucht.Rastende und überwinternde VögelIm Vordergrund dieses Aspektes standen die Fragen, a) ob Windparkflächen im Binnenland in vergleichbarer Weise wie unbeeinflusste Flächen von Durchzüglern und überwinternden Arten als Rast- bzw. Nahrungshabitate genutzt werden und b) ob die vorkommenden Arten ein Meideverhalten gegenüber WEA zeigen. Zwischen Anfang Januar und Anfang April der Jahre 1998 bis 2000 wurde das Vorkommen sowie die räumliche Verteilung überwinternder und rastender Vögel mittels standardisierter Begehungen (vgl. BIBBY et al. 1995) in mehreren westfälischen Windparks (WP) erfasst. Zusätzlich wurden Daten auf einer Kontrollfläche erhoben. Bei einem WP war der Vergleich zwischen der Situation vor und nach der Errichtung von WEA möglich. Das Artenspektrum und die Artenzahl waren beim Prae/Post-Test in den drei Untersuchungsjahren vergleichbar. Auch auf der Kontrollfläche und in den anderen WP wurde ein für die westfälische Agrarlandschaft typisches Arteninventar festgestellt. Aufgrund der Ergebnisse kann bei den Arten Mäusebussard (Buteo buteo), Turmfalke (Falco tinnunculus), Kornweihe (Circus cyaneus) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) ein Meideverhalten gegenüber WEA weitgehend ausgeschlossen werden. Möglicherweise meiden allerdings individuenstarke Rabenkrähen-Schwärme die Umgebung von WEA. Auch bei den Arten Star (Sturnus vulgaris) und Ringeltaube (Columba palumbus) ergaben sich Hinweise auf ein Meideverhalten bis zu 100 m zur nächsten WEA, wobei unklar ist, ob dieser Effekt in ursächlichem Zusammenhang mit den WEA steht. Die räumliche Verteilung rastender Kiebitze (Vanellus vanellus) beim Prae/Post-Vergleich weist deutlich auf ein Meideverhalten bis zu einem Abstand von 200 m zu einer WEA hin, aufgrund dessen es zu einem Lebensraumverlust für die Art kommt. Als Ursachen werden Turbulenzen in der Umgebung der WEA, aber auch akustische Reize diskutiert. Es wird empfohlen bei der zukünftigen Planung von WEA einen Abstand von 200 m zu Kiebitz-Rastgebieten einzuhalten.Brütende VögelIm Hinblick auf einen möglichen Einfluss auf Brutvögel wurde untersucht, ob sich die Errichtung und der Betrieb von WEA auf das Artenspektrum sowie auf die Zahl und die räumliche Verteilung der Reviere einzelner Arten auswirkt. In zwei westfälischen WP wurden zwischen 1997 und 2000 die Siedlungsdichte und die räumliche Verteilung der Reviere mit Hilfe der Revierkartierungsmethode (vgl. BIBBY et al. 1995) vor und nach Errichtung von WEA erfasst. Dieselben Erhebungen fanden auf je einer vergleichbaren Kontrollfläche statt (BACI-Design). In keinem der WP kam es nach Errichtung der WEA zu einer wesentlichen Veränderung des Artenspektrums oder der Siedlungsdichte einzelner Arten. Die Analyse der räumlichen Verteilung der Feldlerchen-Reviere (Alauda arvensis) in den beiden WP lieferte keinerlei Anzeichen für ein Meideverhalten der Art gegenüber WEA. Diese Aussage scheint auch für Buchfink (Fringilla coelebs) und Goldammer (Emberiza citrinella) zuzutreffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die genannten Arten z.T. eine hohe Brutorttreue zeigen. Lediglich bei der Wachtel (Coturnix coturnix) war nach Errichtung eines WP ein deutlicher Bestandsrückgang zu verzeichnen, der aufgrund des Migrationsverhaltens der Art (Invasionsvogel) allerdings schwer zu interpretieren ist. Zur Klärung eines möglichen Zusammenhangs sollte ein langfristiges Monitoring angestrebt werden.Trotz eines fehlenden Meideverhaltens können Individuen durch die von WEA ausgehenden akustischen und visuellen Reize oder durch die entstehenden Turbulenzen beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Gesangsverhalten der Feldlerche in der Umgebung von WEA mit Hilfe des ?animal focus sampling? (vgl. ALTMANN 1974) detailliert untersucht. Dabei wurde in gleicher Weise das BACI-Design angewandt. Bei keiner der analysierten Variablen (u.a. Dauer und maximale Höhe eines Singfluges, Gesangsmenge pro 15 min) konnte ein Einfluss der WEA nachgewiesen werden.GreifvögelIn der vorliegenden Arbeit wurde der Frage nachgegangen, ob die Errichtung und der Betrieb von WEA auf einer Fläche die Raum-Zeitnutzung von Greifvögeln beeinflusst. Dazu wurden auf einer Windparkfläche bei Paderborn vor und nach Errichtung von WEA sowie auf einer nahe gelegenen Kontrollfläche Daten erhoben (BACI-Design). Es wurde eine standardisierte Beobachtungsmethode unter Verwendung des ?scan sampling? (vgl. ALTMANN 1974) entwickelt, mit deren Hilfe sich das Auftreten, die räumliche Verteilung und das Verhalten der Individuen einer Art differenziert quantitativ beschreiben lässt. Die einstündigen Beobachtungen fanden in den Jahren 1998 bis 2000 zwischen Anfang Januar und Anfang Juli jeweils pentadenweise statt. Unter Berücksichtigung der Kontrollfläche lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die Errichtung und der Betrieb der WEA keinen signifikanten Einfluss auf die Nutzungsintensität bei den Arten Mäusebussard, Turmfalke und Rotmilan (Milvus milvus) hatte. Allerdings gingen Mäusebussard und Turmfalke nach Errichtung der WEA tendenziell weniger der Ansitzjagd nach, was mit dem Verlust von Ansitzwarten während der Errichtung der WEA und einer erhöhten Frequenz akuter Störreize (PKW, LKW) begründet wird. Die leicht veränderte räumliche Verteilung der beiden Arten ist nicht auf ein Meideverhalten gegenüber WEA zurückzuführen. Der WP hat sich für die Arten Rohrweihe (Circus aeruginosus), Wiesenweihe (C. pygargus) und Kornweihe nicht als Barriere ausgewirkt.Ziehende VögelEin weiteres Ziel dieser Arbeit war es, das Auftreten von Reaktionen und Irritationen von Vögeln während des Tagzuges an verschiedenen WP im Binnenland (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg) zu quantifizieren. Darüber hinaus sollte über einen Vergleich der in den vier WP gewonnenen Ergebnisse geklärt werden, ob die Reaktionshäufigkeit von den standörtlichen Bedingungen (Anzahl, Art und Anordnung der WEA) abhängt. Während der Beobachtungen, die in den Jahren 1998 und 1999 zwischen Anfang September und Mitte November stattfanden, wurde das Verhalten der erfassten Individuen bzw. Schwärme (=Ereignis) anhand bestimmter Kategorien beschrieben, die vor der Untersuchung definiert worden waren. Es wurden nahezu ausschließlich ziehende Kleinvögel (Passeres) registriert. Der Anteil der Ereignisse, bei denen deutliche Reaktionen festgestellt wurden, lag an den vier Standorten zwischen 4% und 45%. Als häufigste Reaktion traten horizontale Ausweichbewegungen auf. In 3% bis 19% aller Ereignisse kam es zu einer Änderung der Schwarmstruktur, die sich vor allem bei individuenstarken Schwärmen zeigte. Die Zahl und Dichte der WEA scheint positiv mit der Reaktionshäufigkeit zusammenzuhängen. Eine Anordnung der WEA in einer senkrecht zur Zugrichtung stehenden Reihe sowie ein geringer Abstand zwischen Rotorunterkante und Grund scheinen deutlich mehr Reaktionen zu verursachen. Die Auswirkungen der WEA auf den Kleinvogelzug am Tage werden an den vier untersuchten Standorten als gering eingestuft. Insbesondere wenn WEA in großem Abstand (> 300 m) zueinander stehen, sind keine Beeinträchtigungen ziehender Kleinvögel zu erwarten. Um das Vogelschlagrisiko an WEA im Binnenland -vor allem im Mittelgebirge- während des Herbstzuges abzuschätzen, wurde im gleichen Zeitraum die Umgebung von fünf WEA mehrfach intensiv nach toten oder verletzten Vögeln abgesucht. Um Aas fressende Säuger, vor allem den Fuchs (Vulpes vulpes), von den abgesuchten Flächen fernzuhalten, wurden diese mit einem elektrischen Zaun gesichert. Während der insgesamt 82 Begehungen an den fünf WEA wurde ein totes Wintergoldhähnchen(Regulus regulus) gefunden, das mit großer Wahrscheinlichkeit durch Kollision mit der WEA ums Leben kam. Trotz methodischer Schwierigkeiten wird das Vogelschlagrisiko an den fünf WEA als niedrig eingestuft.Die Übertragbarkeit dieser Aussagen auf andere Binnenlandstandorte hängt entscheidend von der Intensität des Zuggeschehens und dem Spektrum ziehender Arten ab und ist aufgrund der großen Zahl Einfluss nehmender Faktoren schwierig.Die Errichtung und der Betrieb von WEA kann für einzelne Arten zu gewissen, aber begrenzten Beeinträchtigungen führen, die durch planerische Maßnahmen unter Berücksichtigung von Naturschutzaspekten auf ein erträgliches Maß reduziert werden können. Dazu zählt, dass in Vorrangflächen für den Naturschutz sowie in Gebieten, in denen es zu Konzentrationen des Vogelzuges kommen kann, keine WEA errichtet werden sollten.

AZ: 06000/386

Zeitraum

01.02.1998 - 31.01.2001

Institut

Ruhr-Universität Bochum
Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie

Betreuer

Prof. Dr. K. P. Hoffmann