Der Begriff des âSay on Climateâ bezeichnet eine Initiative von Vermögensverwaltern und institutionellen Investoren wie BlackRock und Vanguard, die eine stĂ€rkere Beteiligung der AktionĂ€re zu Fragen des Klimaschutzes fordern. Insbesondere fordern die AktionĂ€re eine Mitwirkung an der grundsĂ€tzlichen Klimaschutzstrategie der Gesellschaft. Erste Erfolge können unter dieser Flagge gefĂŒhrte aktivistische Kampagnen bereits vorweisen: Drei Mitglieder des Verwaltungsrats des Erdölkonzerns ExxonMobil wurden 2021 aufgrund fehlen-der Kompetenz in Klimaschutzfragen abgewĂ€hlt. Auch in Deutschland fassen sog. Say on Climate-BeschlĂŒsse langsam FuĂ: Das börsennotierte bayerische Chemieunternehmen Alzchem Group AG befragte auf Initiative des Vorstands im Mai 2023 ihre AktionĂ€re zu einem âKlimafahrplanâ des Vorstands, welcher die EmissionsneutralitĂ€t bis zum Jahre 2033 vorsieht. Hierbei handelt es sich um ein in Deutschland bislang einmaliges Vorgehen.
Wurde im Fall der Alzchem Group AG die Beteiligung der AktionÀre vom Vorstand initiiert, so stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage, ob AktionÀre sich nach dem geltenden Aktienrecht auch ohne vorausgegangene Initiative des Vorstands und ggf. sogar gegen dessen Willen an Klimaschutzfragen beteiligen können. Die rechtliche Ausgangslagescheint ebenso eindeutig wie unzureichend: AktionÀren deutscher Aktiengesellschaften scheint in Fragen des Klimaschutzes keine selbststÀndige rechtliche Beteiligungsmöglichkeit zu zustehen.
Jedoch deutet die empirische Faktenlagen daraufhin, dass eine AktionĂ€rsbeteiligung sowohl die finanzielle als auch die Nachhaltigkeitsperformance des in Rede stehenden Unternehmens positiv beeinflussen kann. Diese Erkenntnis ist vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass 36 % der in Deutschland verursachten Emissionen auf die TĂ€tigkeiten von lediglich 30 Unternehmen zurĂŒckzufĂŒhren sind. Könnten die AktionĂ€re dieser Unternehmen ĂŒber die jeweilige Klimaschutzstrategie abstimmen, liegt es nahe, dass ein solches Vorgehen die Emissionen deutscher Unternehmen erheblich reduzieren kann.
Das Dissertationsvorhaben nimmt die Entwicklung um die Say on Climate-Initiative zum Anlass, um die hiervon ausgehenden marktwirtschaftlichen Impulse, den regulatorischen Rahmen sowie die gesellschaftsrechtlichen Implikationen der Forderung nach stĂ€rkerer AktionĂ€rsbeteiligung zu untersuchen. Zudem wird die defizitĂ€r erscheinende derzeitige rechtliche Situation des deutschen Aktienrechts umfassend dahingehend analysiert, ob eine rechtliche Möglichkeit der AktionĂ€re zur Beteiligung in Klimaschutzfragen besteht. In einem zweiten Schritt wird eine Lösung prĂ€sentiert, die eine rechtssichere Beteiligungsmöglichkeit der AktionĂ€re in Klimaschutzfragen de lege ferenda garantiert; der zu erarbeitende Vorschlag soll einerseits tatsĂ€chlich zu einer Verbesserung des Klimaschutzniveaus fĂŒhren und andererseits nur minimalinvasiv in die fein austarierte Machtbalance zwischen Vorstand und AktionĂ€ren eingreifen.
Die Arbeit vereinigt daher das MarktbedĂŒrfnis nach einer verstĂ€rkten Beteiligung der AktionĂ€re in Klimaschutzfragen des Unternehmens mit einer behutsamen Ăffnung der rechtlichen Möglichkeiten des Aktiengesetzes in Klimaschutzfragen. Zwar erscheint ein solcher Spagat im Lichte des bisherigen KompetenzgefĂŒge des Aktienrechts schwierig. Gleichzeitig ermöglicht eine solche Regulierung des Gesellschaftsrechts aber einen alternativen, gleichwohl vielversprechenden Ansatz fĂŒr Klimaschutzbestrebungen durch Gesetzgebung.