Projekt 39002/01

Ein neuer Weg für das Monitoring der Wertschöpfung aus Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften: Entwicklung einer deutschlandweiten Input-Output-Anwendung

Projektdurchführung

Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung
Am Hubland
97074 Würzburg

Zielsetzung

Das Forschungsprojekt liefert einen zentralen analytischen Baustein für einen innovativen, zukunftsorientierten Ansatz zur Wirkungsanalyse der touristischen Wertschöpfung in den Nationalen Naturlandschaften (NNL). Ziel war die Entwicklung einer Input-Output-Anwendung, die eine verlässliche und nachvollziehbare Grundlage für die Analyse regionalökonomischer Effekte des Tourismus schafft. Mit diesem Ansatz konnten erstmals regionalökonomische Multiplikatoren berechnet werden, die Vorleistungs- und Konsumeffekte der regionalen Wertschöpfung statistisch fundiert abbilden. Während bislang lediglich indirekte touristische Vorleistungseffekte auf Basis von Pauschalannahmen geschätzt werden konnten, ermöglicht das neue Verfahren zusätzlich die Quantifizierung induzierter Konsumeffekte.

Das Projekt zielte daher auf eine Weiterentwicklung der Methodik der regionalökonomischen Wirkungsanalyse des Naturtourismus. Die neu entwickelte Input-Output-Anwendung eröffnet eine nationale wie internationale Harmonisierung und Standardisierung der Verfahren. Mithilfe der abgeleiteten Multiplikatoren können darüber hinaus regionale Strukturunterschiede realistischer berücksichtigt werden. Ein wesentlicher Vorteil liegt dabei in der statistischen Fundierung, die künftig eine methodisch belastbare und effektive Evaluierung regionalökonomischer Effekte des Naturtourismus ermöglicht.

Die Multiplikatoren sollen als Bestandteil eines sozioökonomischen Monitorings (SÖM) der touristischen Wertschöpfung in den NNL eingesetzt werden. Ein solches Monitoring dient als Vermittlungsinstrument einer modernen, evidenzbasierten Naturschutz- und Regionalentwicklungspolitik: Es macht ökonomische und gesellschaftliche Vorteile sichtbar, greift unterschiedliche Interessen auf und kann so zur Erhöhung der Akzeptanz für Gebietsschutz beitragen. Gleichzeitig ermöglicht es die systematische, langfristige Beobachtung sozialer, kultureller und ökonomischer Indikatoren und schafft vergleichbare Längsschnittdaten. Die Ergebnisse bieten eine transparente Grundlage zur Bewertung der Zielerreichung, des Gebietsmanagements sowie der regionalökonomischen und sozialen Wirkungen der NNL. Der Dachverband NNL e. V. führt deshalb den Indikator „Wertschöpfung durch Tourismus“ in seinem integrativen Monitoring – das Projekt stellt hierfür die erforderlichen Multiplikatoren bereit.

Arbeitsschritte

Die NNL zeichnen sich nicht nur durch eine naturräumliche, sondern auch durch eine ausgeprägte sozioökonomische Vielfalt aus, die bei der Entwicklung einer deutschlandweiten Input-Output-Anwendung zur Analyse von regionalen Multiplikatoren berücksichtigt wurde. Hierbei war anzunehmen, dass räumliche Strukturfaktoren einen Einfluss auf die Höhe von regionalökonomischen Multiplikatoren haben.

In einem ersten Arbeitspaket des Forschungsprojekts wurden zunächst die Raum- und Wirtschaftsstrukturen der NNL deskriptiv analysiert, um besser zu verstehen, wie diese Strukturen in Form von Multiplikatoreffekten in den Regionen wirksam werden.
Für die deutschlandweite, statistisch fundierte Anwendung wurden Daten der amtlichen Statistik genutzt. Der räumliche Faktor wurde über Merkmale wie Lage der NNL und Bevölkerungsdichte abgebildet; zur besseren Übersicht wurden die Gebiete nach Raumstrukturtypen kategorisiert. Der ökonomische Faktor basierte auf Bevölkerungs-, Tourismus- und Beschäftigungsstatistiken sowie den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Grundlage waren die Flächenanteile der Großschutzgebiete in den jeweiligen Kreisen, auf deren Basis die statistischen Werte gewichtet und aggregiert wurden.
Um die Zusammenhänge zwischen Strukturmerkmalen und Multiplikatorhöhe besser nachzuvollziehen, wurde darüber hinaus der Einfluss ökonomischer Faktoren mithilfe einfacher und multipler linearer Regressionsmodelle untersucht. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für eine Clusteranalyse von Strukturtypen der Naturparks. Diese ermöglichte wiederum die Berechnung regionalisierter Multiplikatoren.

Das zweite Arbeitspaket umfasste die eigentliche Input-Output-Analyse. Ziel war es, auf Basis statistischer Input-Output-Tabellen regionale Multiplikatoren zu bestimmen und die wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der NNL sichtbar zu machen. Für die Biosphärenreservate und Nationalparks wurden einzelne regionale Analysen durchgeführt, um die Ergebnisse in das Integrative Monitoring einzuspeisen. Zusätzlich wurden Multiplikatoren für die ermittelten Naturpark-Cluster berechnet.

Ein drittes Arbeitspaket diente der Vernetzung mit dem NNL e. V., den Gebietsverwaltungen sowie Fachgremien und weiteren Akteur:innen. Im Fokus standen der Austausch zur Umsetzbarkeit eines SÖM, notwendige Voraussetzungen und künftige Schritte.

Ergebnisse

NNL weisen überaus unterschiedliche Raumstrukturen nach ihrer Lage im Raum auf. Dabei haben Nationalparks die kleinste Flächenausdehnung unter den terrestrischen Gebieten und sind zumeist in peripheren oder sehr peripheren Lagen verortet, die sich oft nahe der Bundesgrenze befinden. Bei den Biosphärenreservaten zeigt sich ein ähnliches Bild einer überwiegend in (sehr) peripheren Räumen gelegenen Raumstruktur, während sich bei Naturparks eine stärkere Verteilung der Gebiete auch in zentralen oder sehr zentralen Raumtypen des Bundesgebiets zeigt, vor allem in der Metropolregion Rhein-Ruhr sowie im Rhein-Main-Gebiet oder südlich von Stuttgart, was ihrer Funktion als (Nah-)Erholungsräume gleichkommt. Diese Raumstrukturen spiegeln sich auch in den Bevölkerungsdichten der NNL wider: Die peripher gelegenen Gebiete weisen gleichzeitig geringe Bevölkerungsdichten auf, während zentral gelegene Regionen dicht besiedelt sind.

Die linearen Regressionsmodelle erklärten eine hohe Bedeutung von Fläche und Pendlerverflechtungen als zentrale Einflussfaktoren auf die Höhe der Multiplikatoren. Diese beiden Größen fungierten im weiteren Verlauf als räumlicher und ökonomischer Einflussfaktor für eine Klassifizierung der Naturparks. Die Clusteranalyse ergab eine Lösung mit vier Clustern, die sich in der Fläche zwischen kleinen und großen sowie der Einpendlerintensität zwischen sehr niedrig und sehr stark deutlich unterscheiden. Dabei zählen die meisten Naturparks zu kleinen Regionen mit sehr niedriger Einpendlerintensität, was auch die Lage in vorwiegend peripheren Räumen widerspiegelt.

Die Multiplikatoren zeigen Unterschiede zwischen den Untersuchungsregionen, was sich durch die zuvor ermittelten räumlichen und ökonomischen Faktoren erklären lässt: Besonders hohe Multiplikatoren verzeichnen großflächige Regionen wie das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe oder der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Ihre räumliche Ausdehnung über mehrere Landkreise umfasst große Wirtschaftsräume, in denen ein größerer Anteil der für touristische Nachfrage benötigten Vorleistungen innerhalb der Region erbracht werden kann. Dadurch treten umfangreichere indirekte Effekte in zahlreichen Wirtschaftsbereichen auf, die sich in höheren Multiplikatoren widerspiegeln. Zusätzlich verstärkt sich die induzierte Konsumwirkung durch überregionale Pendlerverflechtungen und eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur.

Leitfaden Monitoring der Wertschöpfung durch Tourismus

Öffentlichkeitsarbeit

Neben der Analysetätigkeit zur Entwicklung einer Input-Output-Anwendung für NNL war ein breit ausgelegter Dialog sowie die Vernetzung mit Fachexpert:innen, Gebietsverwaltungen und Akteur:innen aus Wissenschaft und Praxis ein weiteres Arbeitspaket und Erfolgsfaktor des Projekts. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung eines langfristigen, systematischen Monitorings der touristischen Wertschöpfung zu schaffen. Dafür wurde frühzeitig ein Wissenstransfer der Methodik zur Erfassung von Besuchstagen und sozioökonomischen Charakteristika im Rahmen von Zielgebietserhebungen organisiert. Dieser wurde partizipativ gestaltet, um den Diskussionsraum um Standardisierung, Anpassung und Verankerung des SÖM zu öffnen. Die Vernetzung erfolgte über eine Reihe gezielt initiierter Fachtermine, Präsentationen und Workshops.

Ein Schwerpunkt war ein zweitätiges Austauschtreffen an der Universität Würzburg, bei dem es um Wissensvermittlung der Methodik zur Datenerhebung und -analyse sowie Vertiefung des Dialogs, methodische Präzisierung und Vorbereitung der nationalen Implementierung eines standardisierten Monitorings ging. Hieraus entstand ein umfassender Leitfaden zum Monitoring der Wertschöpfung durch Tourismus in den NNL.

Fazit

Das von der DBU geförderte Projekt hat eine wissenschaftlich validierte Input-Output-Anwendung zur Ermittlung der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus in den NNL hervorgebracht. Die ökonomische Wirkungsanalyse konnte auf einen modernen, statistisch fundierten Ansatz umgestellt werden, ohne die Vergleichbarkeit bisheriger Längsschnittdaten zu verlieren. Die Analyse der Raum- und Wirtschaftsstrukturen identifizierte die regionale Ausdehnung und die Pendlerverflechtungen als zentrale Einflussfaktoren auf die Höhe der Multiplikatoren. Diese empirisch bestätigten Größen ermöglichten die Klassifizierung der Naturparks in regionale Strukturtypen. Mit den abgeleiteten Multiplikatoren liegt nun eine belastbare Grundlage vor, um künftig gebietsspezifische und nach Ausgabenkategorien differenzierte Wirkungsanalysen durchzuführen.

Mit seiner Kombination aus empirischer und angewandter Forschung hat das Projekt die Grundlage für eine Neuausrichtung und langfristige Verstetigung des SÖM auf Bundesebene gelegt. Die entwickelten Multiplikatoren bilden die ökonomischen Strukturen der NNL realitätsnah ab und schaffen eine tragfähige methodische Basis für eine Verstetigung solcher Analysen im Rahmen eines langfristigen und systematischen SÖM.

Übersicht

Fördersumme

168.600,00 €

Förderzeitraum

01.03.2024 - 31.10.2025

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz