Derzeit befinden sich nur 3 % der Gewässer in Niedersachsen gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einem mindestens guten ökologischen Zustand. Damit rangiert Niedersachsen im bundesdeutschen Vergleich auf einem der unteren Plätze der Zielerreichung der WRRL und es sind künftig deutlich mehr Anstrengungen nötig, um die auf die Gewässer einwirkenden Belastungen im verbleibenden Bewirtschaftungszyklus zu minimieren. U.a. sind für den dritten Bewirtschaftungszeitraum in über 50 Prozent aller Oberflächengewässer Maßnahmen zur Reduzierung der Belastungen aus der Landwirtschaft geplant. Den Gewässerrändern kommt vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des aktuellen Artensterbens eine enorme Bedeutung für den Gewässerschutz zu: sie stellen nicht nur eine Fläche für eine naturnähere Entwicklung des Uferbereiches sowie des Gewässers dar, sie sorgen insbesondere für eine Verringerung des Eintrags von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aus landwirtschaftlichen Flächen.
Mit dem Niedersächsischen Weg wurden nach intensiven Verhandlungen zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Politik wirksame Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz getroffen und in 2020 im Niedersächsischen Wassergesetz (NWG) verankert. Mit der rechtlichen Umsetzung wurden strengere Regelungen für die Bewirtschaftung von Gewässerrändern eingeführt; offen geblieben sind Anregungen oder weitergehende Anreize für eine naturnahe Entwicklung der Gewässerränder. Die Benennung von qualitativen Kriterien zur Ausgestaltung von Gewässerrändern ist aber insbesondere für den Biotopverbund entscheidend.
Da in der Fläche bisher wenig erreicht wurde, möchte der BUND die freiwillige naturnahe Gestaltung von Gewässerrandstreifen durch Landnutzende befördern und beschleunigen - konkret vor Ort an praktischen Beispielen in drei Modellregionen, aber auch auf Landesebene, indem im Dialog mit den entscheidenden Akteur*innen Wege und Leitlinien für mehr naturnahe Gewässerrandstreifen in Niedersachsen erarbeitet werden. Hierfür soll durch ein begleitendes Stakeholdermanagement der partnerschaftliche Austausch zwischen allen relevanten Akteursgruppen unterstützt werden: Naturschutz und Landnutzung sollen im Sinne des Niedersächsischen Weges „zusammengedacht und zusammengebracht werden“, wodurch das Projekt ein innovatives Beispiel für den Aufbau und Austausch regionaler Zusammenarbeit relevanter Akteur*innen bei der Planung und Umsetzung naturnaher Gewässerrandstreifen entfaltet.
In Vorbereitung auf das Projekt wurde eine Vorstudie durchgeführt (Laufzeit 1.10.22 – 1.10.23). In dieser wurden u.a. bereits Angaben zur genauen räumlichen Abgrenzung der Modellregionen und der Festlegung der Zielgewässer für die Maßnahmenumsetzung erstellt. Erste an der Maßnahmenumsetzung beteiligten Akteur*innen wurden gewonnen. Zudem wurden die Inhalte und Arbeitsschritte des Projektes über die Erarbeitung von vier Projekt-Bausteine definiert:
1. Als übergeordneter Baustein ist demnach die Etablierung eines Dialogformates zwischen den beteiligten Akteursgruppen (u.a. Landnutzer*innen, Umweltschützer*innen und Wasserversorger*innen) vorgesehen, um zwischen ihnen langfristig eine erfolgreiche Kooperation zu sichern. Durch den kommunikativen Ansatz möchte das Projekt zeigen, dass gesellschaftlicher Rückenwind für den Gewässerschutz die (Wieder-)Herstellung naturnaher Ufersäume befördern kann. Der Aufbau (Methodik, Inhalte) des Dialogformates wurden bereits in der Vorstudie erarbeitet und in einem sogenannten "Kommunikationskonzept" festgehalten.
2. Gleichzeitig werden bereits konkrete Maßnahmen für einen vielfältigen Lebensraum am Gewässerrand umgesetzt. Demnach sollen in drei Modellregionen (Nienburg, Weser-Elbe und Ostfriesland) durch konstruktive Zusammenarbeit von Naturschutz und Landnutzer*innen naturnahe und artenreiche Gewässerränder entwickelt werden, die als good-practice-Beispiele Nachahmer*innen finden sollen.
3. Gemeinsam mit auf Landesebene tätigen Expert*innen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und des Landvolks sowie mit den zahlreichen Projektpartner*innen vor Ort sollen Leitbilder und konkrete Maßnahmen für biotopverbundgeeignete Gewässerrandstreifen entwickelt und umgesetzt werden. Im Geiste des Niedersächsischen Weges sollen dabei naturschutzfachliche Perspektiven und die der Landnutzenden auf Augenhöhe eingebracht werden. Durch die Erarbeitung gemeinsamer Handlungsempfehlungen wird die Übertragbarkeit auf ganz Niedersachsen sichergestellt.
4. Zum einen soll ein Beratungs- und Schulungsangebot konzipiert werden, in dem inhaltliche Sachverhalte, aber auch Wege zur Optimierung der Kommunikation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft vermittelt werden. Zum anderen sollen Bildungsangebote entwickelt werden, um die Thematik in die Öffentlichkeit zu tragen.