Viele der Praktiker*innen vor Ort stehen derzeit vor der Frage, welche Lösungen (z.B. im Rahmen von energetischen Sanierungsfahrplänen) sie ihren Kunden unter den derzeit sich stark ändernden Rahmenbedingungen empfehlen sollen, um eine zukunftsfähige, kosteneffiziente Energiewende umzusetzen und die Klimaschutzziele zu erreichen. Klar ist, dass bei der Wärmewende die Wärmepumpe aus Klimaschutzgründen eine zunehmend große Rolle spielen wird. Klar ist aber auch, dass Wärmepumpen derzeit als verhältnismäßig teuer gelten und zu einem höheren Strombedarf auch zu Zeiten führen werden, wenn wenig erneuerbarer Strom zur Verfügung steht.
Bei der kommunalen Wärmewende ist daher die Stromnachfrage und deren Abdeckung aus klimapolitischer Sicht, aber auch aus Sicht der Kosten und der Nutzung von Synergien auf der kommunalen Ebene (Lastverschiebungen, Effizienzmaßnahmen und Speicherung) eine wichtige Frage. Im Rahmen des hier vorgeschlagenen Projektes soll mit ausgewählten Expert*innen und Praktiker*innen ein entsprechender Realitätscheck durchgeführt werden, welche der zahlreich publizierten Szenarien zu Lösungen im Rahmen von kommunalen Wärmeplänen sich aus der Sicht von Praktiker*innen vor Ort umsetzen lassen und welche eher nicht, bzw. ggf. an praktischen Hindernissen scheitern könnten. Kernfragen, die das Projekt beantworten möchte, lauten:
• Wie kann eine sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung aus Praktikersicht aussehen?
• Welche Vor-/Nachteile hat eine eher dezentralere Abdeckung der Residuallast und welche Synergien lassen sich im Rahmen einer Berücksichtigung bei kommunalen Akteuren heben?
• Welche Vor-/Nachteile haben demgegenüber große zentrale Residualkraftwerke auf der „grünen Wiese“?
• Welche politischen Rahmenbedingungen sind für dezentrale oder eher zentralere Lösungen notwendig?
Das Projekt umfasst die Bearbeitung folgender Fragestellungen & Aufgaben, die in einem Zwischenbericht (ca. Oktober 2023) und einem Abschlussbericht (ca. April 2024) dargestellt werden sollen:
• Auswahl und Bewertung ausgewählter Szenarien zum Thema der notwendigen Residuallastkraftwerke.
• Akteursanalyse: Wer favorisiert aus welchen Gründen welche Optionen für die Abdeckung der Residuallast; wer profitiert von welchen Lösungsoptionen (Betreiber- und Nutzerperspektive)?
• 10-15 Top-Experteninterviews.
• 50-100 Expertenbefragungen von Praktikern (Planern, Installationsbetriebe, Stadtwerke) mittels Onlinefragebogen und 2 begleitenden Expertenworkshops.
• Qualitative Bewertung verschiedener Optionen von Residuallastkraftwerken sowie ihrer Vor- und Nachteile.
• Bewertung von Risiken und Hemmnissen für die praktische Umsetzung vor Ort.
• Formulierung von Szenarien, welcher zukünftige Kraftwerkspark die Residuallast abdecken kann.
• Qualitative Analyse zu den Konsequenzen auf die kommunale Energie- bzw. Wärmeleitplanung: Fordern die Bundesregierung, die Bundesnetzagentur oder die Übertragungsnetzbetreiber die Kommunen auf, sich im Rahmen der kommunalen Energie- bzw. Wärmeleitplanung um die Abdeckung ihrer Residuallast zu kümmern oder überlassen sie den Bau von Residuallastkraftwerken und deren Ausregulierung dem Markt um (z.B. durch die Einführung eines Kapazitätsmarktes)?
• Simulation verschiedener Energieversorgungsvarianten Szenarien für ausgewählte Quartiere mittels hochaufgelöstem (Stundenwerte) Modell (ERNIE100).
• Darstellung möglicher Folgen für Leitlinien zur kommunalen Energie- bzw. Wärmeleitplanung?
• Qualitative Untersuchung zu den rechtlichen und finanziellen Rahmen- und Anreizbedingungen für den Bau von Residuallastkraftwerken, Einsparungs- oder Lastverschiebungsmaßnahmen.
• Analyse zum Einfluss der von der Bundesregierung (Koalitionsvertrag) geplanten Reformen zu den Netzentgelten und zum Strommarkt auf den Bau von Residualkraftwerken.
• Folgen für standardisierte Sanierungsfahrpläne im Rahmen der Energie- bzw. Wärmeleitplanung.
• Verfahrensvorschlag, wie die Emissionen zusätzlichen Residuallaststrombezugs zu berechnen sind, Einbindung in die entsprechenden Leitlinien und Berechnungsverfahren.
- für eine Kommune z.B. bei im Rahmen der BISKO Bilanzierungs-Systematik,
- für eine Entscheidung vor Ort (KWK abstellen und Wärme und Strom getrennt erzeugen, Beispiel Landesliegenschaften Baden-Württemberg),
- für Planungen, die zusätzlichen Strom benötigen.
Gebäude stehen für etwa 35% des Endenergiebedarfs und knapp ein Drittel der territorialen Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Durch den geplanten Einsatz von Wärmepumpen wird in den Wintermonaten deutlich mehr Strom benötigt.
In Zukunft werden Strom und Wärme vorwiegend aus Wind, Photovoltaik und Geothermie direkt und dezentraler gewonnen. Erneuerbarer Strom steht nicht jederzeit und flächendeckend entsprechend des gleichzeitigen Bedarfs zur Verfügung. Eine Versorgung mit erneuerbaren Energien erfordert zusätzliche Infrastruktur wie Speicher, Leitungen und flexible Kraftwerke.
Die Kosten für den derzeit geplanten Stromnetzausbau, das Netzengpassmanagement und den Bau flexibler Kraftwerke können die Netzentgelte mehr als verdoppeln. Um sie für eine sozialverträgliche Energiewende auf ein überschaubares Maß zu begrenzen, braucht es kostensenkende Anreize für Suffizienz und Flexibilität bei Angebot und Nachfrage.
Die Annahme des Strommarktes, dass es gleichgültig ist, wann, wo und wieviel Strom ins Netz eingespeist oder entnommen wird, entspricht nicht der physikalischen Realität. Das Stromnetz der Bundesrepublik ist keine Kupferplatte. Hohe Kosten für Engpassmanagement, für Netzausbau und Ausgleichskapazitäten sind die Folge.
Die Abwärme aus regelbaren Kraftwerken zur Abdeckung der Residuallast nicht zu nutzen, erhöht den Brennstoffbedarf und ist nicht effizient.
Energie sollte zukünftig möglichst direkt dort verbraucht werden, wo sie erzeugt wird. Erneuerbare Überschüsse sollten genutzt statt abgeregelt werden.
Eine effiziente Elektrifizierung kann nur gelingen, wenn die Politik mit einer grundlegenden Reform des Strommarktes die geeigneten Anreize setzt, die Flexibilitäten erzeugen, um Netzausbau und Erzeugungskapazitäten einzusparen (Energie- statt Wärmeplanung).
Aus Sicht des KiB e.V. sind für die Praxis zur netz- und systemdienlichen Ausregelung von Anlagen vor Ort zwei Signale lokal erforderlich.
Das eine Signal enthält die Information über den Zustand des Stromnetzes vor Ort. Ist dieses bereits überlastet oder kann aus ihm noch mehr Strom aufgenommen oder abgegeben werden?
Das zweite Signal muss die aktuell regional benötigte fossile Residuallast anzeigen, um danach Erzeugungsanlagen vor Ort treibhausgasarm betreiben zu können.
Beide Signale lassen sich zu einem Preissignal verrechnen.
Der KiB e.V. ruft dazu auf, eine verbände- und parteiübergreifende Flexibilitätsstrategie zusammen mit Praktikern zu entwickeln, die Strom und Wärme umfasst.
Die Ergebnisse und Dokumente des Projektes werden über die webseite des KiB e.V. öffentlich zugänglich sein, sowie in den verschiedenen Netzwerken geteilt, wie z.B.
• dem Strommarkttreffen, einem offenem Netzwerk von etwa 4.000 Personen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.
• den eigenen Netzwerken der Projektpartner, Unternehmen, kommunalen Mitgliedern, befragten Experten, Mitgliedsverbänden (BVKS, BBEn, BKWK u.v.m.) und anderen Verbänden (BDEW u.a.).
Schwerpunkt der Arbeit des KiB e.V. ist die direkte Arbeit mit den Bundestagsabgeordneten und ihren Büros. Die Ergebnisse des Projektes werden an alle Bundestagsabgeordnete aktiv herangetragen und mit ausgewählten Abgeordneten im Rahmen der Veranstaltungsreihe Klimaschutz im Bundestag erörtert.
Bereits erfolgt:
Webinar zur Diskussion der Zwischenergebnisse (Online-Befragungen) am 24.8.2023
https://klimaschutz-im-bundestag.de/woher-kommt-zukuenftig-der-strom-fuer-waermepumpen/
Vortrag beim 47. Fachgespräch der Clearingstelle EEG|KWKG am 12. Juni 2024 - https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/sites/default/files/2024-06/Lange_KIB.pdf
Geplant: Webinar zur Vorstellung der Abschlussergebnisse unter Einladung der betroffenen Akteure aus Bund, Ländern und Kommunen.
Die Praxis bei Strom und Wärme folgt derzeit weder den Szenarien noch den Zielvorgaben der Politik.
Die Stromversorgung mit Sonne und Wind unter Einbeziehung der Infrastrukturkosten (Stromtransport und Ausgleichskraftwerke kostet aktuell noch mehr als Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber um ein vielfaches weniger als das Verfehlen der Klimaziele, wenn die externen Kosten berücksichtigt würden.
Die Kosten für den derzeit geplanten Netzausbau, Netzengpässe und den Bau emissionsarmer Kraftwerke könnten die Netzentgelte mehr als verdoppeln und eine sozialverträgliche Wärmewende gefährden.
Politik muss lokale Anreize für mehr Flexibilität vor Ort schaffen, um den Ausbau der Stromnetze und der mit grünen Brennstoffen betriebenen Residuallastkraftwerken zu begrenzen.
Eine sektor- und spartenübergreifenden Energieplanung ermöglicht Flexibilitäten vor Ort.
Biogas sollte in Speicherkraftwerken zum Ausgleich saisonaler Residuallasten genutzt werden.
Bilanzierung, Monitoring, Nachjustierung und Bewertung der Sanierungsmaßnahmen anhand von Treibhausgasen tragen zur Effizienz und zur Einsparung von Treibhausgasen bei.
Die Sanierung der Gebäudehülle ist nur im Rahmen üblicher Sanierungszyklen wirtschaftlich darstellbar.
Wohnraumsuffizienz und Entzug von Wohnungen aus dem Markt schaffen sozialverträglich sanierten Wohnraum.
Förderprogramme für die Sanierung sind an der tatsächlichen Einsparung von Treibhausgasen und in der Höhe an sozialen Kriterien zu bemessen.