Die Auswirkungen des Klimawandels, von Hochwasser, Hitze, Dürre, Stürmen und Bodenerosion, sowie anhaltende Diversitätsverluste stellen neuartige Bedrohungsszenarien für das Kultur- und Naturerbe weltweit dar. Historische Gärten und Kulturlandschaften ebenso wie küsten- oder flussnahe Ansiedlungen sind gegenwärtig von den Folgen dieser Veränderungen besonders stark betroffen. Extremwetterereignisse beeinträchtigen die Standfestigkeit historischer Gebäude, die Struktur und Konsistenz historischer Putze, Baumaterialien und Ausstattungen. Zusammen mit dem Weltklimarat weisen Natur- und Denkmalschutzeinrichtungen deshalb vermehrt auf die Dringlichkeit von zukunftsfähigen Erhaltensstrategien hin (z.B. „Global Research and Action Agenda on Culture, Heritage and Climate Change“ von IPPC, UNESCO und ICOMOS, 2022).
Noch reagiert die modulare universitäre Ausbildung in Denkmalpflege, Heritage Studies, Architektur oder Städtebau nur unzureichend auf diese Herausforderungen. Interdisziplinäre Querschnittsprojekte fehlen in der Regel ebenso wie eine Beschäftigung mit den globalen Verflechtungen der Problemlagen und andernorts erprobten nachhaltigen Lösungsansätzen. Aus diesem Grund werden elementare Interessen von Studierenden an Klimakompetenz derzeit nicht ausreichend berücksichtigt. Perspektivisch kann das kulturelle Erbe aber nur dann geschützt werden, wenn Spezialwissen in der komplexen Ursachenanalytik hinsichtlich Prävention wie auch reparaturfreundlicher Methoden und Materialkenntnisse vorhanden ist und interdisziplinäre Herangehensweisen erprobt sind.
Auf die derzeitigen Desiderate in Ausbildung und Vermittlung reagiert das Pilotprojekt der Denkmallabore. Sie suchen die Ausarbeitung von Adaptation- und Mitigation-Strategien innerhalb eines komplexen Risikomanagements sowie die Entwicklung eines zukunftsweisenden Narrativs, von Wissenstransfers und Partizipationsstrukturen voranzutreiben. Diese Maßnahmen erklären sich aus den komplexen Gefährdungen des kulturellen Erbes und deren Verflechtungen im Zeichen der Klimakrise. Pflege, Reparatur und Prävention konstituieren einen neuen konservatorischen Imperativ. Schonender Umgang, wie ihn die Ökologie fordert und die Denkmalpflege seit langem praktiziert, könnte zusammen mit Strategien des Risk Preparedness und Change Management über die Sicherung des (Welt)Kulturerbes hinaus einen Wissens- und Methodenspeicher für den nachhaltigen Bestandsschutz darstellen – Denkmalpflege eine Avantgardefunktion übernehmen.
Das Konzept der Denkmallabore reflektiert die schon jetzt sichtbaren wie die zu erwartenden Folgen des Klimawandels und diskutiert notwendige Anpassungsstrategien für das Kulturerbe anhand dreier exemplarischer Untersuchungsfelder und den tendenziell unterschiedlichen Problemlagen bei Einzeldenkmalen in traditioneller Bauweise, dem Gegenstand des ersten Workshops, bei dem industriellen, partiell toxischen Erbe des 20. Jahrhunderts im zweiten sowie historischen Kulturlandschaften im dritten Workshop. Die ausgewählten Denkmale sind dabei Untersuchungsgegenstände, Veranstaltungs- und historische Lernorte zugleich; sie bieten vielfältiges Anschauungsmaterial für die sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels sowie die spezifischen Vulnerabilitäten historischer Materialien bzw. Materialverbindungen. Nicht zuletzt dienen sie regional als Impulsgeber für exemplarische zukunftsorientierte Lösungsentwicklungen und – u.a. vermittelt über die Denkmallabore – auch für zukunftsfähige Schutzstrategien.
Die Beschäftigung mit der historischen Substanz, ihren klimatischen Kontexten, ihrer Vielfalt und Beschaffenheit, prägt den Aufbau und Ablauf der Denkmallabore. Je nach Fragestellung und Stand des Wissens werden ausgewiesene (internationale) Expert*innen (Materialkundler*innen, Klimawissenschaftler*innen, Architekt*innen, Umwelthistoriker*innen) hinzugezogen; desgleichen soll das lokale Wissen in die Arbeit integriert werden.
Das Programm der drei Workshops umfasst einen allgemeinen und einen objektspezifischen Teil: Einführungen in die Geschichte, Theorie und gegenwärtige Problemlagen der Erhaltung, von Konservierung und Restaurierung, Reparatur, Prävention, Risikomanagement bilden ebenso wie die Beschäftigung mit aktuellen NatureCulture-Konzepten und Forschungen zur Geschichte und Aktualität des Klimawandels die Grundlagen für die gemeinsame Erkundungen des Denkmals, für interdisziplinäre Analysen und anwendungsorientierte Strategien. Die historische Einbettung der aktuellen Fragestellungen verdankt sich der Überzeugung, dass es des Wissens um die Handlungslogiken der historischen Fächer bedarf, um darauf aufbauend neue, der Klimakrise angemessene Konzepte der Erhaltung entwickeln zu können. Als Workshop-Formate sind Gruppenarbeiten, Diskussionsrunden, Vor-Ort-Analysen, zeichnerische und fotografische Dokumentationen und Vorträge vorgesehen. Die Ergebnisse fließen in eine Abschlussausstellung mit Publikation ein und werden über die Projektwebseite kommuniziert.