Durch die Einführung der Mehrwegangebotspflicht im Bereich des Außer-Haus-Verkaufs von Lebensmitteln entsteht ein großes Potenzial, um Einwegverpackungsmüll drastisch zu reduzieren. Die bisherige Marktentwicklung zeigt, dass durch den zusätzlichen Aufwand bei der Rückgabe von Mehrweggegenständen die Akzeptanz und Nachfrage bei Konsumentinnen und Konsumenten deutlich reduziert wird.
Die Komplexität wird durch das Aufkommen von verschiedenen Insellösungen mit unterschiedlichen und inkompatiblen Mehrweggegenständen, Pfandwerten und Geschäftsmodellen vergrößert. Besonders schwer wiegt der Umstand, dass Verbraucher:innen mit unterschiedlichen Mehrwegsystemen im Einzelhandel und in der Gastronomie konfrontiert werden. Besonders durch die Existenz von vielen kleinen und größeren Insellösungen mit unterschiedlichen Mehrweggegenständen und Geschäftsmodellen ist das Schaffen einer harmonisierten Lösung komplex. Eine Patentlösung für die oben beschriebene Organisation von effizienten Mehrwegangeboten mit anbieterunabhängiger Rücknahme gibt es derzeit für Mehrweg To-Go noch nicht und muss entsprechend erarbeitet werden.
Das Projekt „Mehrweg Modell Stadt“ erzeugte deshalb einen Raum zur gemeinschaftlichen Entwicklung und Erprobung von:
1. Rückgabestellen für Mehrweggegenstände aus unterschiedlichen Mehrwegsystemen, entweder in lokalen Geschäften ergänzt über Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum.
2. Rücklogistik von gesammelten Mehrweggegenständen aus Rückgabestellen durch existierende, innerstädtische Logistikdienstleister.
3. Hygienische Reinigung und erneute Bereitstellung von gereinigten Mehrweggegenständen in Mehrwegtransportverpackungen.
4. Abrechnung und Pfand-Clearing über die unterschiedlichen Mehrwegsysteme, Mehrweggebinde und Pfandwerte hinweg.
5. Information und Aktivierung der Gastronomie sowie Konsumentinnen und Konsumenten, um eine höhere Mehrwegnutzung zu erreichen.
Im Projekt wurden verschiedene Sichtweisen und Perspektiven aus der lokalen Wirtschaft, von Wirtschaftsverbänden, der städtischen Verwaltung und den Umweltministerien der Bundesländer in die Lösungsfindung einbezogen.
Erarbeitet wurden folgende Bestandteile:
- Ein Konzept für die anbieterunabhängige Rückgabe von Mehrwegbechern in Betrieben und Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum auf dem ein lokales Netzwerk aus Mehrweg-anbietern, Lebensmittellogistikern, städtischen Betrieben und teilnehmenden Unternehmen mit ihren Filialen aufgebaut wurde. Insgesamt waren 11 Unternehmen mit 92 Ausgabe-/Rücknahmestellen in diesen Mehrwegkreislauf aktiv eingebunden.
- Die Aufstellung und Erprobung von Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum durch die Adaption des Kooky2Go-Konzeptes aus den Städten Zürich und Bern. In diesem bundesweit ersten Projekt im öffentlichen Raum konnten Einblicke für die Verwaltung und Logistik gesammelt werden.
- Ein Regelwerk und eine Ablauforganisation für die Rücklogistik, Sortierung, Reinigung von genutzten Mehrwegbechern und deren Sammelboxen auf der Basis existierender Logistik vor Ort.
- Ein Abrechnungskonzept für die Abrechnung zwischen Mehrweganbietern, teilnehmenden Betrieben und Dienstleistern für unterschiedliche Mehrwegbecher mit unterschiedlichen Charakteristika und Pfandwerten.
- Ein Konzept für eine Wirksamkeitsmessung aufbauend auf der Erfassung serialisierter Mehrwegbecher in den Prozessen des Mehrwegkreislaufes. Das Konzept vermied jeglichen zusätzlichen Aufwand bei den Ausgabe-/Rücknahmestellen und sorgte dennoch für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit jedes einzelnen Bechers.
- Die Kampagne „Einfach mal nach Mehrweg fragen!“, die dem Personal vor Ort als auch Konsumentinnen und Konsumenten eine Brücke baute, um das Thema Mehrwegnutzung zu adressieren.
Das Projekt wurde in verschiedene, öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der Städte, Ministerien und Verbände eingebunden (Aktionstage in Mainz und Wiesbaden, Rheinland-Pfalz Tag 2023, Messen). Durch die Kooperation mit der Kampagne „Müll nicht rum“ des rheinland-pfälzischen Klimaschutzministeriums wurde eine breite Öffentlichkeit über die Modellstädte hinaus ereicht. Der Bekanntheitsgrad, ermittelt durch die wissenschaftliche Begleitung des Projektes, lag bei 40% in der Stichprobe. Diese und weitere Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung können dem Abschlussbericht der Hochschulen entnommen werden.
Die Einbindung existierender Logistikinfrastrukturen und bekannter Prozesse (bspw. Verplombung der Sammelbox) funktionierte in der Ablauforganisation reibungslos. Betriebe bestellten Nachschub oder eine Abholung telefonisch oder per E-Mail. Die gewonnen Erkenntnisse zeigen, unter welchen Bedingungen die Einbindung von existierenden Dienstleistern für die Abdeckung einer gebotenen zeitnahen Abholung kostengünstig gewährleistet werden kann.
Für die Skalierung von Mehrwegangeboten können folgende Ableitungen getroffen werden:
Für Konsumentinnen und Konsumenten sorgt die einfache anbieterübergreifende Rückgabe für mehr Komfort in der Rückgabe von Mehrwegbechern, 32% der Becher kamen in anderen Betrieben als dem Ursprungsbetriebe zurück. Belegt ist auch ein Stammkundeneffekt, der dafür sorgt, dass 68% der Becher im gleichen Betrieb zurückgegeben werden.
Ein Mengenausgleich zwischen Betrieben, die viele Becher zurücknehmen, gegenüber denen, die viele Becher ausgeben, muss gewährleistet sein, um die Verfügbarkeit von Mehrwegbechern sicherzustellen. Ein Spülen vor Ort fand im Piloten bei geringen Rückgabemengen statt.
Die Einbindung der lokalen Wirtschaft kann die Effekte einer Skalierung durch die existierende Infrastruktur abfangen. Das vorhandene Netzwerk und die notwendigen digitalen Abrechnungsmodalitäten sind vorhanden und können durch Ergänzungen verbunden werden.
Die Nutzung existierender Logistik ermöglicht eine effiziente Rücklogistik für Mehrwegbecher in bekannten und gelebten Prozessen.
Der lokale Charakter von Mehrweg To-Go und die Einbindung existierender Infrastruktur vor Ort zeigt Ansatzpunkte für Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunen.
Die Einbindung von Sozialeinrichtungen ist ebenfalls eine weitere Möglichkeit zur Förderung von Sozialeinrichtungen in der Kommune. Die Förderung der lokalen Wirtschaft und damit die Stärkung bestehender lokaler Geschäftsbeziehungen inklusive kommunaler Betriebe wird als vorteilhaft angesehen. Durch die beschriebenen Faktoren kann eine Förderung von Mehrweg To-Go Systemen mit Teilnahme an anbieterunabhängiger Rücknahmemodellen als weiterer Schritt in die Etablierung von nachhaltigen Mehrwegstrukturen vor Ort gesehen wer-den.
Das Projekt veranstaltete:
- Aktionstage in Mainz und Wiesbaden unter Beteiligung von Vertretern der Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden sowie Vertreterinnen und Vertreter der Landesumweltministerien.
- Aktive Pressearbeit mit Artikeln in den lokalen Nachrichten (u.a. Wiesbadener Kurier, Frankfurter Rundschau, Hessischer Rundfunk) und Fachpresse (u.a. Getränke News, Lebensmittelzeitung, Logistik heute, Lebensmittelpraxis).
- Zusammenarbeit mit der Kampagne Müll nicht rum des Klimaschutzministeriums Rheinland-Pfalz.
- Runde Tische zum Thema Mehrweg To-Go mit Unterstützung der Ministerien und der Städte (über 60 Teilnehmer).
- Groundposter, Busplakate und Gestaltung eines Omnibusses der zwischen Mainz und Wiesbaden pendelt.
Presseanfragen richten sich bitte an info@mehrwegstadt.de.
Mehrweg To-Go in der derzeitigen Form erreicht nur wenige Konsumentinnen und Konsumenten. Die fehlenden übergreifenden Rücknahmestellen, unterschiedliche Pfandwerte und Insellösungen verhindern eine effektive Skalierung. Im lokalen Charakter von Mehrweg To-Go, der im Projekt nachgewiesen werden konnte, bestehen sehr gute Möglichkeiten zur Gestaltung und Förderung von lokalen Mehrwegnetzwerken, die die Grundlage für eine Skalierung bieten. Viele Betriebe sind auf eine solche Infrastruktur angewiesen, weil die Spülkapazität vor Ort nicht ausreicht, das Personal knapp ist oder das Thema "Mehrweg" außerhalb des Tagesgeschäftes liegt.
Durch die Einführung von kommunalen fiskalischen Maßnahmen wird derzeit Mehrweg gefördert. Ein Anstieg der Mehrwegquote erfordert gleichzeitig eine Professionalisierung der Infrastruktur. Im Projekt konnte deutlich gezeigt werden, mit welchen Maßnahmen und Rahmenbedingen dies möglich ist.