Schäden an historischen Bauwerken durch Bodenveränderungen infolge Klimawandel am Beispiel der Synagoge Worms
Projektdurchführung
Institut für Steinkonservierung e. V.
Große Langgasse 29
55116 Mainz
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Folgen des globalen Klimawandels durch Extremwetterereignisse sind allerorts feststellbar und betreffen auch die historische Bausubstanz in vielfältiger Weise. Stehen die Folgen von Starkregenereignissen bislang im Fokus des Interesses, sind andere Effekte wie Bodensenkungen infolge von Austrocknungsprozessen eher untergeordnet beachtet worden. Jedoch können die zunehmenden Setzungsrisse an Gebäuden oftmals mit langanhaltenden Austrocknungsprozessen in Verbindung gebracht werden.
Auch die Synagoge in Worms, als ein prominenter Teil des UNESCO-Weltkulturerbes SchUM-Stätten, zeigt seit einiger Zeit starke Rissbildungen, die nach bisherigen Untersuchungen ihren Ursprung in den Ton- oder Lehmschichten haben, die unmittelbar ans Fundamentmauerwerk angrenzen oder Bestandteil dessen sind. Die aktuell kritische Entwicklung der Rissverläufe führt zur Gefährdung der Standsicherheit und schränkt die Zugänglichkeit ein. Hieraus ergibt sich der dringende Bedarf zu wissenschaftlichen Erforschungen der Schadensentwicklungen sowie die Ausarbeitung von objektspezifischen Lösungsansätzen.
Die genauen Hintergründe der aufgezeigten Problematik sind in Fachkreisen kaum bekannt, so dass im Rahmen eines interdisziplinären Fachkolloquiums verschiedene wirksame und nachhaltige Sanierungskonzepte vorgestellt und diskutiert werden sollten. Eine Exkursion zur Synagoge verdeutlichte durch die starken Bauwerksschäden die besondere Brisanz des Themas.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Fachkolloquium wurde vom 21. - 22. März 2023 in Worms durchgeführt. Am ersten Veranstaltungstag wurden zunächst aktuelle Kenntnisse und Entwicklungen zum Klimawandel vorgestellt. Daneben wurden verschiedene Maßnahmen im Umgang mit vergleichbaren Setzungserscheinungen an denkmalgeschützten Bauwerken sowie auch geotechnische Methoden in Abhängigkeit von jeweiligen Bodenverhältnissen zur Ertüchtigung des Untergrundes kritisch erörtert. Anschließend konnte die Wormser Synagoge in kleinen Gruppen besucht und fachkundig hinsichtlich der momentanen Schadensbilder vorgestellt werden. Am zweiten Veranstaltungstag wurden konkrete Untersuchungsergebnisse und denkmalpflegerische sowie bautechnische Zielstellungen für die Synagoge dargestellt. Besondere Beachtung wurde dabei auf die religiösen, archäologischen und historischen Hintergründe gelegt. Die Tagung endete mit einer Podiumsdiskussion mit Teilnehmenden aus Archäologie, Baudenkmalpflege, Architektur und Tragwerksplanung.
Ergebnisse und Diskussion
Die intensiven Diskussionen zu den einzelnen Fachvorträgen und am Ende der Tagung gaben Anlass, das Konzept eines Feuchtemanagements weiterzuverfolgen und dieses nach Möglichkeit an der Synagoge Worms modellhaft zum Einsatz zu bringen. Dafür sind weitere Untersuchungen und Ausarbeitungen vor allem zu den Boden- und Grundwasserverhältnissen direkt an der Synagoge notwendig. Ebenso wie eine Machbarkeitsstudie zu einem Feuchtemonitoring im tonhaltigen Untergrund, mit dem Ziel, einen stabilen, gleichmäßigen Feuchtegehalt, z. B. mittels gezielter Bewässerung während tiefgründiger Austrocknungszeiten, zu ermöglichen. Mit diesen individuell an die besondere Bausituation angepassten Maßnahmen soll pauschalen Sanierungskonzepten, z. B. mittels Nachgründung, Fundamentunterfangung und Bodenertüchtigung, mit Kunstharz oder Zementleim entgegengesteuert werden, da diese oft mit massiven Eingriffen und potentiell negativen Auswirkungen auf die archäologischen und bauhistorischen Befunde verbunden sind. Eine Übertragbarkeit auf andere, in ähnlicher Weise betroffene Bauwerke wird angestrebt.
Die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Podiumsdiskussion der Tagung sind in der Berichtsreihe der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE), Direktion Landesdenkmalpflege, zusammengefasst und publiziert (s. u.). Der vorliegende Band behandelt erstmals die Auswirkungen des Klimawandels auf den Feuchtehaushalt der Böden und die daraus resultierenden Fragestellungen, wie z. B. das Schwindverhalten des Erdreichs und die dadurch verursachten Bauwerksschäden und zeigt darüber hinaus neuartige bedeutende Alternativen zu standardisierten Vorgehensweisen auf.
Das vorgestellte Thema stieß im Fachpublikum auf großes Interesse, da mit der Tagung bzw. mit der Publikation ein wichtiger Schritt zur Bündelung und Aufzeigung der aktuellen Hintergründe zu klimabedingten Gebäudeschäden getätigt wurde, aber auch die Möglichkeiten im Umgang zu konkreten bautechnischen wie prophylaktischen Maßnahmen aufgezeigt wurden. Eine wesentliche Frage blieb unter vielen Teilnehmenden aber nach wie vor unbeantwortet: ob und inwieweit eine Rissbildung in Gebäuden auf vergleichbare Prozesse, wie an der Synagoge in Worms vorgestellt, zurückzuführen ist und mit welcher Untersuchungsmethodik dies festzulegen sei. Im Nachgang zur Tagung wurden die Fragestellungen dementsprechend in einer kleinen Arbeitsgruppe diskutiert und Überlegungen zu einem Folgeprojekt vertieft.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Publikation wird auf der Homepage der GDKE (s. o.) beworben und inhaltlich vorgestellt: Klimawandel und setzungsbedingte Bauwerksschäden am Beispiel der Wormser Synagoge. - Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz. Aus Forschung und Praxis, Band 7, Hrsg.: GDKE, Landesdenkmalpflege / Institut für Steinkonservierung e. V., 168 S., 211 Abb., ISBN: 978-3-7319-1416-7, Michael Imhof Verlag, 29,95 Euro. Das Heft ist über den Buchhandel zu erwerben. Zahlreiche Belegexemplare wurden zudem den Fachämtern und den relevanten Fachkreisen kostenfrei zur Verfügung gestellt, mit dem Ziel, vertiefende Kenntnisse zu Schadensprozessen und fachgerechter Sanierung vermitteln zu können.
Ein Pressetext wurde durch die GDKE verfasst und herausgegeben.
Eine Rezension in der Fachzeitschrift "Die Denkmalpflege - Wissenschaftliche Zeitschrift der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern" ist für die Ausgabe November 2024 vorgesehen.
Fazit
Die aktuellen Auswirkungen des Klimawandels betreffen in zunehmendem Maße auch unsere Baudenkmäler. Nicht nur durch Starkregenereignisse, sondern auch verstärkt durch langanhaltende Hitze und Austrocknungsprozesse im Gründungsbereich unterliegen die Mauerwerke irreversiblen Bewegungen mit resultierenden Rissbildungen. Als häufige Schadensszenarien sind Rissbildungen im Gemäuer zu sehen, die oft zu starken Einschränkungen in Nutzung und Dauerhaftigkeit führen. Individuelle Maßnahmen zu Sanierungen und zu prophylaktischen Maßnahmen werden daher zunehmend wichtiger.
Nach wie vor besteht ein großer Forschungsbedarf zu einer grundsätzlichen Korrelation von Rissbildungen und Klimaeinwirkungen. Aktuelle Literaturrecherchen belegen eine bislang nur ansatzweise Aufarbeitung des komplexen Themas. Die große Resonanz in den angesprochenen Fachkreisen beweist die aktuelle Brisanz der Thematik. Mit einer durch die Tagungsbeiträge ermöglichten gezielteren Betrachtung von Schadensbildern dürfte eine weitaus größere Anzahl von Gebäudeschäden von den geschilderten Auswirkungen betroffen sein.
Mit einer angedachten Fortsetzung des Forschungsthemas sollen eindeutigere Zuordnungen, gezieltere Sanierungsmaßnahmen und eine wirksame Schadensverhütung erarbeitet werden. Dies erscheint umso wichtiger für die Bauwerke in Risikogebieten, die im Untergrund/Baugrund durch lehm- oder tonhaltige Bodenaufbauten in besonderer Art betroffen sind.
Aufgrund der gravierenden Schadensproblematik müssen gängige Vorgehensweisen weiterentwickelt und neue Lösungen gefunden werden. Erstmalig werden daher neben dem Einsatz von modernen Untersuchungsmethoden sowie einem Risse- und Feuchtemonitoring auch neue innovative Ansätze verfolgt. Darunter fallen bspw. eine gezielte Bodenbefeuchtung oder ein Zwischenspeicher für das Niederschlagswasser im Erdreich. Hierdurch verspricht man sich, die Gründung zu stabilisieren und weitere Setzungen zu vermeiden.
Mittlerweile konnten erste ausgewählte Kirchengebäude mit markanter, bislang nicht zugeordneter Rissbildung begutachtet werden und eine wissenschaftliche Aufarbeitung möglicher klimabedingter Schadensprozesse mit entsprechenden Arbeitspaketen und beteiligten Fachkreisen zu einem entsprechenden Forschungsvorhaben gebündelt werden.
Fördersumme
21.075,00 €
Förderzeitraum
24.02.2023 - 30.06.2024
Bundesland
Rheinland-Pfalz
Schlagwörter
Klimaschutz
Landnutzung
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik