Universität Bayreuth
Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung
Lehrstuhl Ökologie der Pilze
Universitätsstr. 30
95447 Bayreuth
Die Degradation von Ökosystemen und der Verlust der Biodiversität sind zwei der drängendsten Probleme unserer Zeit. Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 sieht vor, geschädigte Ökosysteme zu restaurieren und die Natur langfristig zu schützen. Für Waldökosysteme wurden bereits verschiedene Naturschutzkonzepte erarbeitet und etabliert, um Waldwirtschaft nachhaltig und in Einklang mit Biodiversitätsförderung zu gestalten. Unter anderem soll der Anteil von Totholz gesteigert werden sowie die strukturelle Vielfalt durch den Erhalt alter Bäume und der Schaffung von Lichtungen. Neben der Steigerung der Habitatqualität muss jedoch auch gewährleistet sein, dass bedrohte und seltene Arten die neu geschaffenen Lebensräume besiedeln können, was insbesondere bei Arten mit Individuen-armen Populationen und stark eingeschränktem Verbreitungsarealen kaum möglich ist.
Im Projekt „Wiederansiedlung vom Aussterben bedrohter Pilze in Mitteleuropäischen Wäldern“ sollen seltene Pilzarten, die sich vom Abbau organischer Substanz ernähren, durch gezielte Wiederansiedlung gefördert werden. Pilze sind bisher im institutionellen Naturschutz sowie in den gängigen Naturschutzgesetzgebungen unterrepräsentiert. Ziel des Projektes ist es, ausgewählte Naturnähezeiger verschiedener Lebensräume erfolgreich im Labor zu kultivieren, in geeigneten Habitaten anzusiedeln und Artenschutzkonzepte für diese Arten zu entwickeln. Die Relevanz, für welche Arten Schutzkonzepte und Wiederansiedlungen durchgeführt werden sollen, basieren hierbei auf verschiedenen Kriterien, wie der Listung als Naturnähezeiger, der allgemeinen Seltenheit sowie der Isoliertheit bestehender Vorkommen. Es sollen gleichermaßen Arten berücksichtigt werden mit einem sehr engen und weiterem Wirtsspektrum. Die ermöglicht, Erkenntnisse darüber zu gewinnen wie sich Wirtsspektren durch die Forstwirtschaft im Klimawandel (z.B. Nutzung von klimawandelresistenten Baumarten als Wirt) verändern könnten. Die ausgewählten Pilzarten habe große naturschutzfachliche Relevanz über das Projektgebiet Bayerischer Wald hinaus in ganz Deutschland und stellen somit geeignete Modelorganismen dar. Übergeordnetes Ziel ist es, ein wissenschaftlich fundiertes Modellkonzept zur Erhaltung besonders seltener, wirtsgebundener Baumpilze zu entwickeln. Die im Anschluss und auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse ausgearbeiteten Artenhilfsprogramme sollen ein Zeichen zur stärkeren Beachtung des Reiches der Pilze im Naturschutz setzen.
Die Pilzarten werden unter kontrollierten Bedingungen auf Holzdübeln angezüchtet. Durch genaue Dokumentation des Zuchterfolgs sowie der ständigen Nachjustierung äußerer Parameter (z.B. Feuchtigkeit, Temperatur, Beschaffenheit der Holzdübel) sollen Protokolle zur Artvermehrung erstellt werden. Die Spenderpopulationen werden mittels qPCR untersucht, um diese später mit den wieder angesiedelten Populationen zu vergleichen.
Die Auswahl geeigneter Waldstandorte erfolgt in Absprache mit dem Praxis-Projektpartner Nationalpark Bayerischer Wald. Geplant sind 20 Standorte, welche unterschiedliche mikroklimatische Bedingungen und verschiedene Waldnutzungsintensität repräsentierten. Wiederansiedlungsversuche werden ausschließlich an eigens zu diesem Zwecke vor Ort produziertem Totholz durchgeführt, um den Einfluss auf andere Arten im Untersuchungsgebiet zu minimieren. Die ausgelegten Baumstämme werden durch Ausbringen der Holzdübel mit den darauf gezüchteten Pilzarten inokuliert.
Die Untersuchung der totholzbewohnenden Gemeinschaften vor und nach der Inokulation mittels Metabarcoding ist ein integraler Bestandteil des Projektes, da standardisierte Wiederansiedlungen seltener Pilze erst umgesetzt werden können, wenn die Risiken und Chancen solcher Ansiedlungsprojekte hinreichend bekannt sind. Das angedachte Design erlaubt uns diejenigen Umweltparameter (Mikroklima, Waldnutzungsintensität) zu bestimmen, mit welchen wir (1) die Wiederansiedlung bestmöglich umsetzen können und zeitgleich (2) eine negative Beeinflussung vorhandener Gemeinschaften weitestgehend zu vermeiden.
Projektbegleitend ist ein mykologisches Monitoring sowie ein Citizen-Science-Projekt angedacht, bei welchem Funde von Fruchtkörpern über Fotonachweis gemeldet und bestimmt lassen werden können. Der Citizen-Science Ansatz soll das Bewusstsein für Pilze als Teil naturnaher Wälder und für die Seltenheit der Fokusarten erhöhen.
Sämtliche Projekterkenntnisse sollen in Artenhilfsprogrammen zusammengefasst werden, die einerseits zum Erhalt der Arten beitragen und andererseits als Grundlage für Schutzmaßnahmen seltener Pilze für WaldbesitzerInnen, Forstverwaltungen und Naturschutzverbände dienen sollen. Zudem bieten die Projektmethoden eine Basis für weitere Untersuchungen, um ein tieferes Verständnis zur Ökologie anderer seltener Arten zu gewinnen und deren Populationen auf ähnliche Weise zu stützen.