Projekt 38577/01

Stakeholder-Dialog negative Emissionen Suche nach einem Grundkonsens für das Speichern, Verwenden und Abscheiden von CO2

Projektdurchführung

Zentrum Liberale Moderne gGmbH
Reinhardtstr. 15
10117 Berlin

Zielsetzung

Auch wenn die aktuell diskutierten Anstrengungen im Klimaschutz erfolgreich sein werden und eine grundlegende ökologische Modernisierung der Gesellschaft und ihrer Wirtschaft erfolgt, ist es kaum realistisch, dass die Klimaneutralität im Jahr 2045 durch bloße CO2-Reduktion (Mitigation) erreicht werden kann. Verschiedene wissenschaftliche Studien und auch die Szenarien des IPCC kommen zu dem Schluss, dass es notwendig sein wird, CO2 in großem Umfang aus der Atmosphäre zu entfernen. Wirtschaftssektoren wie Luftfahrt, Stahl, Beton, Chemie und Landwirtschaft werden wahrscheinlich auch über die Mitte des Jahrhunderts hinaus zu Restemissionen beitragen. Allein in Europa werden die Restemissionen auf etwa 550 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt (die Hälfte davon sind Methanemissionen aus der Landwirtschaft).
In den kommenden Jahrzehnten wird es notwendig werden, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, um die CO2-Konzentration zu reduzieren und somit eine Eindämmung der globalen Erderwärmung auf unter 2° Celsius zu ermöglichen. Neben der Entfernung von mehreren hundert Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – allein in der EU, müssen in großem Umfang Kapazitäten zur Speicherung von CO2 bereitgestellt werden. Parallel dazu müssen Prozesse des chemischen CO2-Recyclings (z. B. zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen) vorangetrieben werden.

Unser Projekt zielt darauf ab, einen breiten Grundkonsens über die Potenziale und Grenzen von Carbon Dioxide Removal (CDR) zu fördern. Die Absorption und Speicherung von CO2 ist kein Allheilmittel, aber ein notwendiger Beitrag, um "Netto-Null" zu erreichen. Umweltverträgliche und effektive Technologiepfade müssen identifiziert, quantitative Ziele gesetzt, Risiken benannt, konkrete Geschäftsmodelle und der geeignete politisch-rechtliche Rahmen diskutiert werden. Das Projekt wird dazu beitragen, die im Koalitionsvertrag beschriebenen und bald erwarteten Pläne für ein deutsches Kohlenstoffmanagement zu diskutieren und die Relevanzen der Pläne für die unterschiedlichen Stakeholder zu verdeutlichen. Die Fortführung der nationalen Diskussion wird auch dazu beitragen, CDR in den europäischen klimapolitischen Rahmen zu integrieren und einen CDR-Governance-Rahmen zu entwickeln.

Weitere Ziele des Projekts sind die Information sowie Beratung von politischen EntscheidungsträgerInnen sowie UnternehmerInnen, die Stärkung und Differenzierung der Diskussion in den jeweiligen Wirtschafts-Communities und grundlegend der Wissenstransfer zwischen Politik, Umweltverbänden, Wissenschaft, kleinen sowie großen Unternehmen.

Ein wichtiges Ziel des Projekts ist darüber hinaus, Chancen und Herausforderungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen beim Abscheiden, Speichern und Nutzen von CO2 zu ergründen und konkrete, praxisrelevante Lösungen, bzw. Geschäftsmodelle zu erörtern. Anders als es der Fall bei Großkonzernen ist, ist es für KMU aufgrund ihrer spezifischen Unternehmensstruktur häufig eine größere Herausforderung, relevante Informationen sowie Fördermöglichkeiten zu identifizieren und passendes Personal an sich zu binden (Stichwort Fachkräftemangel).

Arbeitsschritte

Um die Projektziele zu erreichen, werden wir ExpertInnen und InteressenvertreterInnen aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen: Wissenschaft, Umweltverbänden, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften. Eine Reihe von Stakeholder-Dialogen wird dazu beitragen, Differenzen offenzulegen und sich auf gemeinsame Positionen zu einigen. Diese Dialoge tragen zum Austausch praxisrelevanter Informationen für KMU-VertreterInnen sowie Verbände bei. Darüber hinaus sollen diese Dialoge fundierte Empfehlungen für EntscheidungsträgerInnen in der Bundes- und Landespolitik sowie für Abgeordnete des Europäischen Parlaments erarbeiten.

Eine Schlüsselfrage des Projekts ist, wie Vorgaben so gestaltet werden können, dass die Abscheidung und Speicherung von CO2 möglich wird, ohne Anreize für die weitere Verbrennung fossiler Brennstoffe zu schaffen.

Weitere zu berücksichtigende Fragen lauten:
• Wie können negative Emissionen in verschiedenen Wirtschaftssektoren auf möglichst kosteneffiziente Weise erreicht werden?
• Sollte CDR für Großemittenten verbindlich vorgeschrieben werden und wer wird dafür bezahlen?
• Wie kann ein ordnungspolitischer Rahmen eine gerechte und synergetische Energiewende gewährleisten?
• Was sind die unterschiedlichen Zeitachsen bei den Verfahren (in welchen Zeiträumen findet die Bindung von CO2 statt, wie lange bleibt sie bestehen)?
• Was sind die politischen, technischen und wirtschaftlichen blinden Flecken, die weiterer Aufmerksamkeit bedürfen?

Neben den technischen und rechtlichen Aspekten besteht ein weiterer wichtiger Aspekt: Die Akzeptanz der Technologien in der breiten Öffentlichkeit. Eine Einigung zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über das „Was und Wie“ wird die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen und dazu beitragen, eine breite öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit von CDR für das Erreichen der klimapolitischen Ziele zu erreichen. Mit dem breit angelegten Stakeholder-Kreis, der auch KMU berücksichtigt, und einem Fokus auf praxisorientierter Umsetzung, tragen wir zudem dazu bei, die Diskussion zu versachlichen sowie Green Washing zu vermeiden.

Projektaktivitäten & Zeitrahmen
In der ersten Projektphase (Frühjahr 2023) werden wir 3-5-seitige Factsheets zum Stand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion über CDR in Auftrag geben. Thematisiert werden

1) der Stand der Regulierung und des politischen Diskurses in Deutschland, insbesondere zu Zielen, Förderprogrammen und dem rechtlichen Rahmen für CDR,
2) das quantitative Potenzial der verschiedenen Technologien, deren Kosten, Zeitrahmen, Risiken und Herausforderungen,
3) Stand der Regulierung und des politischen Diskurses in der EU, Verhältnis zwischen dem EU-ETS / Voluntary Carbon Markets sowie
4) bereits bestehende sowie zukünftig absehbare Geschäftsmodelle im Bereich negative Emissionen sowie die Notwendigen Infrastrukturen, um diese Geschäftsmodelle zu realisieren.

Die Ziele der ersten Projektphase bestehen darin, den wissenschaftlichen und politischen Status quo der Diskussion aufzuarbeiten und zusammenzufassen. Auf diese Weise wird ein evidenzbasiertes Fundament für die folgenden Fachgespräche gelegt. In der ersten Phase werden wir auch das aus etwa 30-50 interdisziplinären ExpertInnen bestehende Netzwerk zusammenstellen. Dieses wird das Projekt begleiten und beraten.

In der zweiten Projektphase (Frühjahr - Herbst 2023) werden wir uns detailliert mit den Potenzialen und Herausforderungen von CDR-Projekten in verschiedenen Industriezweigen (Land- und Forstwirtschaft, chemische Industrie, Zement- und Stahlindustrie) befassen. Dazu organisieren wir Expertengespräche mit Stakeholdern aus Industrie, Politik, Gewerkschaften, Umwelt-NGOs und Wissenschaft. Im Mittelpunkt dieser Fachgespräche stehen sowohl die regulatorischen Notwendigkeiten als auch das technologische Potenzial von CDR sowie konkrete Geschäftsmodelle in den unterschiedlichen Branchen.

Für die dritte Projektphase (Winter 2023/24) verfassen wir auf Grundlage der Fachgespräche eine Zusammenfassung der Diskussionen. Im Mittelpunkt stehen dabei diejenigen Aspekte, bei denen ein Konsens hergestellt werden konnte. Dieses (Konsens-)Ergebnispapier wird auf einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und diskutiert. Zielgruppe der öffentlichen Veranstaltung sind neben MedienvertreterInnen, ParlamentarierInnen (Land, Bund) und VerbandsvertreterInnen.

Ergebnisse

Um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, ist die Entnahme von CO2 unerlässlich. Politische Maßnahmen müssen dabei die Entwicklung und Skalierung technischer Lösungen flankieren.

In den 17 Monaten Programmlaufzeit haben wir ein ExpertInnennetzwerk mit fast 500 Kontakten aufgebaut, die wir zu Veranstaltungen einladen und durch regelmäßige Newsletter über aktuelle Inhalte und Veranstaltungen informieren. Im Laufe des Projektes ließ sich gut beobachten, wie die zu Anfang sehr polarisierten Fronten langsam aufbrachen. Es besteht mittlerweile (bei einem Großteil der Akteure) ein Grundkonsens darüber, dass CO2-Entnahme und negative Emissionen nötig sein werden. Über das Wie, wird weiterhin diskutiert.

Im Zuge der drei branchenspezifischen Fachgespräche haben wir die Potenziale, Risiken, Methoden und Herausforderungen von Carbon Management und negativen Emissionen für die einzelnen Branchen diskutieren können. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen wurden im Zuge der Fachgespräche, Konferenz, und Gespräche auf Ebene der Bundesländer immer wieder diskutiert. Den Konsens der Gespräche zum regulatorischen Rahmen und daraus resultierenden Handlungsempfehlungen wurden in den zwei Policy Paper festgehalten (Zwischenbericht September 2023; Eckpunktepapier Mai 2024). Auch das quantitative Zielen von 4 Factsheets, dem Aufbau eines ExpertInnennetzwerks, mindestens 5 Fachgesprächen, einer Konferenz und einem Abschluss/Ergebnispapier, haben wir umgesetzt.

Insbesonderer bei polarisierenden Themen ist es wichtig, nach Wegen zu suchen, wie eine weiterbringende Diskussion ermöglicht werden kann. Die breite Zusammensetzung des ExpertInnen-Netzwerks ermöglicht es, wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Strategien und zivilgesellschaftliche Anliegen in einen gemeinsamen Dialog zu bringen. Die Fachgespräche boten durch die wissenschaftlichen Inputs einen versachlichten Rahmen, wo basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien fachspezifisch und in einem sicheren Raum diskutiert wurde. Dabei lag der Fokus der Gespräche darauf, verschiedene Stakeholder aus den relevanten Bereichen (Politik, Industrie, Wissenschaft, Umweltverbände, Zivilgesellschaft) zusammenzubringen. Das ist gelungen. So konnte CO2-Entnahme aus einer umwelt-, klima-, und industriepolitischen Perspektive besprochen werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Auswahl im Rahmen des Projekts veröffentlichter Factsheets und Policy Paper:

Factsheets:
1) Potenziale, Kosten, Zeithorizonte, Risiken und Herausforderungen: https://libmod.de/wp-content/uploads/LibMod_CO2-Abscheidung_Risiken-und-Potenziale_Factsheet1.pdf
2) Geschäftsmodelle und notwendige Infrastrukturen: https://libmod.de/wp-content/uploads/LibMod_CO2-Abscheidung_Geschaeftsmodelle_Factsheet2.pdf
3) Regulierung und politischer Diskurs zum Thema CDR in Deutschland: https://libmod.de/wp-content/uploads/LibMod_CO2-Abscheidung_DE-Regulierung_Factsheet3.pdf
4) Stand der CO2-Entnahme-Politik in der EU: https://libmod.de/wp-content/uploads/LibMod_CO2-Abscheidung_EU-Regulierung_Factsheet4.pdf

Policy Paper:
Eckpunkte für ein integriertes Carbon Management: https://libmod.de/eckpunktepapier-fuer-ein-integriertes-carbon-management/

Meinungsbeiträge:
Klimaziele und Carbon Management – Ein Plädoyer für mehr Mut und einen differenzierten Blick. https://libmod.de/klimaziele-und-carbon-management/

Carbon Management muss die Transformation stützen: https://background.tagesspiegel.de/energie-und-klima/briefing/carbon-management-muss-die-transformation-stuetzen

Fazit

Die letzten Monate haben gezeigt, dass das Thema hochaktuell ist und viele Stakeholder beschäftigt. Die Resonanz der Teilnehmenden bei den Veranstaltungen war durchgehend positiv und das Interesse an zukünftigem Austausch hoch. Dies wird auch dadurch sichtbar, dass Stakeholder uns aktiv kontaktieren, um sich auszutauschen oder an den Veranstaltungen teilzunehmen. Während der Abschlusskonferenz am 13. Mai wurde von unterschiedlichen Teilnehmenden hervorgehoben, dass das Projekt eine wichtige Plattform zum Austausch darstellte.

Eine Herausforderung bestand und besteht darin, dass das Thema Carbon Management weiterhin polarisiert und es nicht möglich ist, mit allen Akteuren im Feld eine konstruktuive Diskussion zu führen. An dieser Stelle hatten wir uns erhofft, noch erfolgreicher zu sein. Zugleich differenziert sich das Thema Carbon Management weiter aus, neue Themen kommen hinzu, die ExpertInnen-Landschaft wächst. Gerade deshalb ist es weiterhin wichtig, dass Plattformen, wie die von uns angebotene, bestehen, auf denen sich Akteure begegnen, Wissen und Erfahrungen austauschen. Nicht nur hinsichtlich der Durchführung einzelner Veranstaltungen war das Projekt erfolgreich. Es hat eine Gemeinschaft gebildet, die auch übe das Projektende an dem Thema weiterarbeitet.

Übersicht

Fördersumme

124.972,00 €

Förderzeitraum

01.01.2023 - 31.05.2024

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik