Das Thema Klimaschutz nimmt den Spitzenplatz der wichtigsten Aufgaben in deutschen Städten ein und laut Oberbürgermeister*innen besteht hier der größte Handlungsbedarf. Die Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Europa- und Bundesebene erfordern konkretes Handeln auf der lokalen Ebene. Bei der Raumordnung und -planung sind die „planetaren Grenzen“ zu berücksichtigen.
Landkreisen, kreisfreien Städten und Planungsregionen kommt bei der Transformation des Energiesystems eine wichtige Rolle zu, da hier die Zuständigkeiten für Raumordnung und -planung liegen. Eine zentrale Problematik ist dabei die Konkurrenz um die Fläche. Es ergeben sich Nutzungskonkurrenzen, aber auch Ziel und Interessenskonflikte. Das neue Ziel der Bundesregierung, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft vorzusehen, ist für die kommunale Ebene eine ebenso große Herausforderung wie die Planung von Infrastruktur wie Strom-, Wärme- und Wasserstoffnetze, Ladesäulen und Energiespeicher. Für diese Planungsaufgaben sind spezialisiertes Wissen und ein offener Diskurs unabdingbar. Die kommunalen Akteure werden „empowert“, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Dazu soll ein Überblick über das Gesamtsystem gegeben, vorhandenes Wissen eingebunden und ggf. vorhandene Wissenslücken gefüllt werden.
Das Ziel des Projektes ist, durch modellgestützte Vor-Ort- Workshops, die Transformation des Energiesystems auf der Regionalplanungsebene zu fördern. Es wird ein Dialog der verschiedenen Akteure initiiert. In moderierten Workshops arbeiten die Stakeholder mit dem Simulationstool 100prosim und werden so in die Lage versetzt, einen Transformationspfad zu identifizieren, der sowohl die übergeordneten nationalen und internationalen Vorgaben als auch die lokalen Besonderheiten berücksichtigt. Ziel ist es, unterschiedliche Perspektiven innerhalb der Regionalplanung, zuständigen Verwaltung und Lokalpolitik zusammenzubringen und das bestehende Wissen zu konkreten Ansätzen der Transformation in der Region zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. Während bei den bisher etablierten Modellierungsansätzen in der Energiewirtschaft häufig die Minimierung der Kosten im Fokus steht. wird im Rahmen dieses Projektes ein neuartiger Ansatz zur Minimierung der Flächennutzung von erneuerbaren Energien entwickelt.
Am Ende eines jeden Workshops steht ein geeintes Szenario, das dann als weitere Diskussionsgrundlage mit Verwaltung und Politik dient.
Als Ergebnis des Projektes steht eine Methodik für alle Planungsregionen in Deutschland. Es werden übertragbare Lösungsansätze für interessierte Kommunen/Regionen entwickelt. Das verwendete Tool sowie die Workshop-Materialien (Foliensätze etc.) und ein Workshop-Leitfaden werden offen zur Verfügung gestellt, damit Interessierte diese Workshops selbst durchführen können.
Eine dauerhafte Nutzung der entwickelten Unterlagen und Software wird durch eine open Source Lizensierung der Unterlagen erreicht. Des Weiteren soll das Wissen am Ende der Projektlaufzeit geteilt werden, in dem ein exemplarischer „Train-the-Trainer“- Workshop mit der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen e.V. durchgeführt wird.
Im Rahmen des Projektes wird ein Workshop-Konzept für den Einsatz in Politik und Verwaltung entwickelt, angepasst und evaluiert.
In fünf Modellkommunen mit unterschiedlichem Charakter (Stadt/Land, geografische Lage) werden transdisziplinäre Workshops nach der Szenario-Technik durchgeführt. Charakteristisch ist dabei das Überschreiten von Disziplingrenzen sowie das Zusammenspiel von gesellschaftlich-politischen und wissenschaftlich-analytischen Entscheidungs- bzw. Problemlösungsprozessen. Demnach ist es von zentraler Bedeutung, verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit verschiedenen Zielgruppen zu bringen. Durch die interkommunalen Workshops können die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen und Vorgehensweisen weiterentwickeln. Durch den modellbasierten Ansatz können auch bereits erfahrene Verwaltungen, die sich schon im Rahmen von anderen Projekten mit dem Thema auseinandergesetzt haben, von den Workshops profitieren.
Im Arbeitspaket 1 des Projekts geht es um die Vorbereitung der Workshops. Dies beinhaltet die Entwicklung eines Workshopkonzeptes für Politik & Verwaltung, die Individualisierung der Daten für die jeweilige Region sowie die Weiterentwicklung des Tools und der Workshopunterlagen.
Arbeitspaket 2 beinhaltet die Durchführung von Workshops in fünf Modellkommunen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld, Landkreis Aurich, Landkreis Elbe-Elster, Lahn-Dill-Kreis und Landkreis Stade), bei denen jeweils eine Parametrisierung des Tools während der Workshops stattfindet. Das Ziel eines jeden Workshops ist es, ein geeintes Zielszenario für den jeweiligen Landkreis zu entwickeln.
Im Arbeitspaket 3 geht es um die Nachbereitung und Evaluation der Workshops sowie die integrierte Betrachtung. Am Ende der Workshops steht immer die Erstellung eines behördeninternen Vermerks. Außerdem sollen die Workshops qualitativ ausgewertet werden. Dazu ist noch eine geeignete Methode zu entwickeln. Die Ableitung gesellschaftlich akzeptierter Transformationspfade steht außerdem im Fokus.
Bei Arbeitspaket 4 geht es dann um die Veröffentlichung und Verbreitung. Es geht darum, eine Übertragbarkeit auf weitere Regionen zu erzielen. Des Weiteren werden energiewirtschaftliche Trends in das Tool eingearbeitet. Durch Veröffentlichungen auf der Projekt-Website werden die Partner (Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen e.V. und der Deutsche Landkreistag) sowie Interessierte auf dem Laufenden gehalten und über den Projektfortschritt informiert. Auch die Ergebnisse werden dort zugänglich gemacht. Im Rahmen eines Train-the-Trainer Workshops wird am Ende des Projektes das Workshopkonzept weitervermittelt.
Die mit dem Projekt 100 % Erneuerbare Energien – kommunale Entscheider im Dialog“ angestrebten Ziele wurden vollumfänglich erreicht. Schon vor Beginn des Projekts zeigten die Interessebekundungen von 30 Landkreisen das große Interesse am Thema, aber auch den Handlungsdruck, der in den Landkreisen und Planungsregionen bestand. Das Projekt fiel in die Zeit als von der Bundesregierung Flächenziele u.a. für den Windausbau vorgegeben wurden. An diese Diskussion knüpfte das Projekt an.
Jeder einzelne Workshop konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Es entstanden geeinte und ambitionierte Energieszenarien für jeden Landkreis, die in Berichten dokumentiert sind. Die Workshop-Systematik und der inhaltliche Input wurden von den Teilnehmenden als hilfreich empfunden. Die Möglichkeit zur Diskussion in den Arbeitsgruppen wurde gerne wahrgenommen.
Als Grundlage für die Modellierung des Zielszenarios wurden als Zieljahr das Jahr 2045 festgelegt und eine Wasserstoff-Importquote, die neben weiteren Parametern aus der Studie Klimaneutrales Deutschland (Prognos 2021) entnommen war. Dies hatte den Vorteil, dass die abgeleiteten Zielsetzungen wie das Flächenziel für Windenergie in großer Übereinstimmung zu den nationalen Vorgaben standen. Auf der anderen Seite weisen aktuelle Studien nach (siehe z.B. SRU 2024), dass das deutsche CO2-Budget früher aufgebraucht sein wird. Ebenso wird die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff weltweit in Frage gestellt (Scholz 2024). Diese Parameter müssten zukünftig ggf. angepasst werden. Die Landkreise müssten dann ihre Ziele früher erreichen und die Erneuerbaren noch ambitionierter ausbauen.
Eine weitere Verwendung des Tools 100prosim.P durch z.B. Klimamanager*innen wird als positiv und möglich angesehen. Es wurde jedoch auch deutlich, dass das Tool recht komplex ist und einer umfassenden Einarbeitung bedarf. Ein Coaching von interessierten Landkreisen kann durch die Hochschule Osnabrück nach Projektende nicht mehr geleistet werden. Hier hat der Kooperationspartner ErnES e.V. seine Unterstützung zugesagt.
In den letzten zwei Jahren wurde das Thema Energie noch wichtiger. Immer mehr Informationen haben auch die kommunale Ebene erreicht. Die Frage kann gestellt werden, ob weiterhin das Niveau des Inputs des Workshops ausreichend ist. Reicht es, die kommunalen Entscheider*innen miteinander in den Diskurs zu bringen oder benötigen diese noch mehr inhaltliches Wissen?
Die erarbeiteten Ergebnisse wurden seit Beginn des Projekts auf der eigens geschaffenen Projektwebsite veröffentlicht.
Zum Ende des Projektes wurde ein Artikel über das Projekt und seine Ergebnisse geschrieben, dieser wurde der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen e.V. und dem Deutschen Landkreistag für ihre Newsletter zur Verfügung gestellt. Ebenso wurde der Artikel verschickt an KOMMUNAL, „das Magazin für Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Verwaltung“ und an „Stadt und Gemeinde digital“, die Zeitschrift des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Der Train-the-Trainer Workshop wurde in Kooperation mit der Klimaschutz und Energieagentur Niedersachsen e.V. ammdurchgeführt. 13 Personen (meist Klimamanager:innen aus niedersächsischen Kommunen) nahmen teil.
Zur Verbreitung des Tools wird dieses auf der Projektwebsite zur Verfügung gestellt. Es steht frei zur Verfügung. Zwei Erklärvideos zur Installation und zur Verwendung des Tools wurden erstellt und veröffentlicht. So wird sichergestellt, dass das Wissen über die Workshops und das Tool geteilt wird.
Das im Rahmen des Projekts entwickelte Workshopkonzept diente als effektives Instrument zur Förderung interaktiver Diskussionen zwischen den Teilnehmern. Das Workshopkonzept hat sich bewährt. Das Projekt hat eine Nachfrage nach Workshops in weiteren Landkreisen ausgelöst, die allerdings nicht im Rahmen des Projektes realisiert werden konnten.
Darüber hinaus könnte eine noch weitergehende Individualisierung des Workshopkonzepts für einzelne Landkreise sinnvoll sein. Nach einer Umfrage könnten zum Beispiel vor jedem Workshop spezifischer ermittelt werden, welche Parameter modelliert werden sollen.
Bei den während der Workshops geführten Diskussionen konnte eine weitgehende Übereinstimmung unter den Teilnehmenden hinsichtlich des Bedarfs an Erweiterung von Wind- und Photovoltaikanlagen beobachtet werden. In Kontrast dazu standen Diskussionen bezüglich der Nachfrageseite. Insbesondere die Elektrifizierung von Mobilität und Wärmeerzeugung wurden kontrovers debattiert. In den Diskussionen war ein mangelndes Bewusstsein für das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 zu beobachten.