In Deutschland sind etwa 48 % der 557 in der roten Liste bewerteten Bienen- und Hummelarten bestandsgefährdet oder sogar schon ausgestorben (Bundesamt für Naturschutz 2011). Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig und komplex, aber grundsätzlich verknüpft mit einer qualitativen Verschlechterung und einem quantitativen Verlust von Lebensräumen für diese Insekten. Unter anderem ist dies das Ergebnis der monotonen sowie intensiven Landwirtschaft und der damit einher gehenden Artenverarmung von Agrarökosystemen, die wiederum weniger Raum und Nahrung für Wildinsekten bieten. Als Folge besteht das Risiko, dass Ökosystemleistungen durch Bestäuberinsekten in Deutschland nicht mehr ausreichend erbracht werden können. Im Rahmen des LaWiTa-Projekts soll der Naturschutz mit einer neuen, nachhaltigen Naturnutzung in Nutzlandschaften durch den Anbau von Lavendel kombiniert werden.
Die Fachhochschule Erfurt, Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst (LGF), vertreten durch die Fachrichtung Gartenbau mit der Projektleitung Frau Prof. Dr. Wilhelm und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Meike Luderer-Pflimpfl und Jonas Buck, setzen das LaWiTa-Projekt, das den Anbau von echtem Lavendel (Lavandula angustifolia) verfolgt, gemeinsam mit fünf landwirtschaftlichen Betrieben in Thüringen um und verfolgen dabei mehrere Ziele:
a. Entwicklung einer langfristigen, nachhaltigen und bodenschonenden Nutzung der natürlichen Ressourcen durch einen extensiven und mehrjährigen Anbau von Lavendel
b. Aussage über die agrarökologische Eignung und wirtschaftliche Tragfähigkeit des Lavendelanbaus unter Thüringer Klimabedingungen
c. Überprüfung der Einflüsse des Lavendelanbaus auf Wildbienen und Tagfalter in der Agrarlandschaft und einem Abgleich mit üblichen Agrarumweltmaßnahmen
d. Erfassung der wichtigen quantitativen und qualitativen Eigenschaften des ätherischen Öls zur Bewertung der Eignung in der Arznei- und Lebensmittelindustrie
e. Sensibilisierung der Bevölkerung durch Aufklärungs-, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit im Bereich der nachhaltigen Landbewirtschaftung und des Naturschutzes
Mithilfe eines Monitoringsystems wird der Einfluss des Lavendels auf die Artenvielfalt von Tagfaltern und Wildbienen entomologisch untersucht (Abbildung 1). Dazu werden nach festgelegter Methodik Transekte (festgelegte Wegstrecken) auf den Versuchsfeldern abgegangen. Dabei werden die Insekten mit einem Kescher erfasst und anschließend bestimmt. Um eine Bewertung der Maßnahme zu ermöglichen, wird eine in der Landwirtschaft übliche Agrarumweltmaßnahme (mehrjährige Blühfläche) als Vergleich hinzugezogen.
Gleichzeitig wird die Wirtschaftlichkeit des Lavendelanbaus auf den beteiligten Praxisbetrieben in Thüringen untersucht. Dabei werden Ertragsparameter analysiert und ätherisches Öl im Rahmen einer Wasserdampfdestillation gewonnen. Mit einer ersten Berechnung der Erlöse aus dem Lavendelanbau und einer Kostenanalyse kann ein Rückschluss auf die wirtschaftliche Rentabilität des Lavendelanbaus in Thüringen und Deutschland gezogen werden.
Im ersten Projektjahr 2023 erfolgte im April und Mai die Anlage von Lavendel- und Blühflächen mit Größen zwischen 500 und 1500 m² an sechs verschiedenen Standorten in Thüringen. Im Rahmen eines Insektenmonitoring wurden im Jahr 2024 erstmals Wildbienen und Tagfaltern auf den Lavendelfeldern und Blühflächen erfasst. Die erste Ernte des Lavendels fand an allen Standorten im Juli 2024 statt (Abbildung 2 und 3). Die geernteten Lavendelblüten wurden über eine Wasserdampfdestillation probeweise zu ätherischem Öl destilliert und die Ölerträge und -qualität bestimmt.
Im Jahr 2024 konnten mit Ausnahme von zwei Standorten Etablierungsraten von über 95 % der Pflanzen festgestellt werden. Ab Beginn der Lavendelblüte waren Tagfalter- und Wildbienenindividuen bis in den Herbst hinein auf den Lavendelblüten aufzufinden. Der Großteil der Wildbienen am Lavendel beschränkte sich jedoch auf ein paar wenige Arten, wohingegen auf der Blühfläche eine deutlich größere Wildbienenvielfalt aufzufinden war. Beim Tagfaltermonitoring wurden bei den meisten Standorten vergleichbar viele Arten zwischen Blüh- und Lavendelfläche erfasst. Die Lavendelernte führte abhängig vom Standort zu Ernteerträgen zwischen 35-77 g/Pflanze. Mittels Wasserdampfdestillation konnten aus der Frischmasse zwischen 0,56 und 0,86 % ätherisches Öl gewonnen werden. Die Analyse des Lavendelöls ergab, dass der Qualitätsstandard für das chemische Profil von ätherischem Lavendelöl des echten Lavendels gemäß ISO 3515:2004 („Other origin than France, Bulgaria, Russia or Australia") aufgrund zu niedriger Linalool-Gehalte nicht erreicht wurde. Ursachen könnten hierbei die feuchten Witterungsbedingungen vor der Ernte oder ein sortenbedingter Effekt sein. In der Kulturführung bestanden in beiden Versuchsjahren aufgrund der feuchten Witterungsbedingungen und weiteren bodenbedingten Faktoren vor allem Herausforderungen in der Beikrautregulierung. Die Untersuchungen werden im Jahr 2025 fortgesetzt.