Das Grundwasser ist eine bedeutende natürliche Trinkwasserressource und zugleich ein Lebens-raum mit einer beeindruckenden Artenvielfalt. Die aktuellen Erkenntnisse und wissenschaftlichen Diskussionen zeigen auf, dass zum Schutz und für die nachhaltige Nutzung dieser aquatischen Ökosysteme ein dringender Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen besteht.
Die Herausforderungen erwachsen vor allem durch den hohen Nutzungsdruck, der auf dem Grundwasser lastet und im Zuge des Klimawandels noch weiter zunimmt, insbesondere in urbanen Räumen. Da es zurzeit noch an verbindlichen Anforderungen für Genehmigungsverfahren, Bewertungsstandards oder Qualifizierungsangeboten für den Wissenstransfer grundwasserökologischer Erkenntnisse fehlt, ist der Schutz des Lebensraums Grundwasser noch nicht im alltäglichen Verwaltungshandeln und in der Öffentlichkeit angekommen.
Eine flächendeckende Erfassung der Biodiversität im Grundwasser und Maßnahmen zur Sensibilisierung und Beteiligung der Bürger*innen stehen aus. Für das integrative Flussgebiets- bzw. Grundwassermanagement bedarf es hierzu anwendungsorientierter Lösungen.
Als Beitrag zur Lösung der obengenannten Herausforderungen, gehen wir mit unserem Projekt drei zentralen Zielen nach:
(i) erstmalig interessierte Akteure zusammenbringen, die gemeinsam praxisnahe Maßnahmenempfehlungen für eine ökologisch-fundierte, nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung erarbeiten;
(ii) durch partizipative Ansätze mit Beteiligung von engagierten Bürger*Innen neue Erkenntnisse über die räumliche Verteilung und Stetigkeit der Biodiversität gewinnen, welche für das Grundwassermanagement genutzt werden können;
(iii) ein öffentliches Bewusstsein für den Lebensraum Grundwasser und für trinkwasserrelevante Themen schaffen und Partizipation ermöglichen.
Um unsere Projektziele zu erreichen, gehen wir beispielhaft an ausgewählten Standorten in Berlin drei zentralen Handlungssträngen nach:
1. Wir bauen eine fach- und akteursübergreifende Arbeitsgruppe auf, welche exemplarisch für gemeinsam ausgewählte Handlungsorte und zu gemeinsam abgestimmten Fragen praxisorientierte Maßnahmenempfehlungen für ein nachhaltiges und partizipatives Grundwassermanagement erarbeitet und veröffentlicht. Die Aktivitäten der Arbeitsgruppe werden durch sogenannte Grundwassersalons (interaktiven Diskussionsrunden mit Expert*innen und der interessierten Öffentlichkeit) ergänzt und inspiriert.
2. Zugleich tragen bürgerwissenschaftlich organisierte faunistische Grundwasseruntersuchungen (Citizen Science) an mindestens 40 ausgewählten Schwengelpumpen und Grundwasser-messstellen dazu bei, die Datenlage der Gewässer- und Biodiversitätsbeobachtung in Berlin für das Grundwassermanagement zu erweitern und zu verstetigen. Darüber hinaus werden Pat*innen für Probenorte gewonnen und Vernetzungstreffen organisiert.
3. Verknüpfend findet über eine aktivierende Umweltkommunikation ein Wissenstransfer sowie eine breitere öffentliche Aufklärung zu wasserwirtschaftlich und grundwasserökologisch relevanten Themen statt, die einen Einstieg zur Sensibilisierung und v.a. aktiven Mitwirkung der Öffentlichkeit beim Grundwasserschutz ermöglicht. Im Fokus stehen hierbei verschiedene Formate, welche im Rahmen des Projekts erprobt und evaluiert werden (u.a. öffentliche Grundwasserbeprobungen, Dialogveranstaltungen und zentrale Aktionstage).
Das Projekt ist in vielerlei Hinsicht innovativ: Um das bislang für viele Menschen noch eher abstrakte Thema Grundwasser „greifbarer“ zu machen, werden verschiedene Formate zur Information, Sensibilisierung und aktiven Partizipation am Management des Lebensraums Grundwasser angeboten und erstmalig systematisch evaluiert. Somit können künftige Projekte aus unseren Erfahrungen zur Bürger*innenbeteiligung direkt profitieren. Parallel findet auch eine bürgerwissenschaftlich gestützte Erfassung der Biodiversität im Berliner Grundwasser statt, welche mithilfe einer neu entwickelten Grundwasser-App realisiert wird. Darüber hinaus werden auch in Zusammenarbeit mit lokalen wasserwirtschaftlichen Akteuren Lösungsansätze für konkrete Problemlagen in urbanen Räumen erarbeitet.
Unsere Aufklärungsarbeit und die Erarbeitung von anwendungsorientierten Maßnahmenempfehlungen dienen dem Schutz des Lebensraums Grundwasser, so dass potenzielle Nutzungskonflikte erkannt und vorausschauend angegangen werden können. Über das öffentliche Engagement soll zugleich erreicht werden, diesen bisher weitgehend unberücksichtigten und kaum geschützten Lebensraum immer häufiger zu thematisieren und hierdurch Maßnahmen zu unterstützen, welche dazu beitragen, relevante Belastungen für die Biodiversität systematisch zu minimieren und zu vermeiden.
Die zentralen Aktionstage werden nach Möglichkeit an zeitgleich stattfindende öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen mit Bezug auf das Thema Wasser gekoppelt, um eine möglichst große Anzahl an Menschen zu erreichen – z.B. den UN Weltwassertag 2022 oder der GEO-Tag der Natur.
Auf der folgenden Webseite informieren wir über Termine und weitere Hintergründe zu unserem Projekt: kurzelinks.de/Grundwasserschutz-Berlin
Wir freuen uns auf den Austausch und die Zusammenarbeit mit Ihnen.
Seit dem 1. Februar 2022 hat der BUND Berlin die Arbeitspakete des Projektes umgesetzt. In den ersten 6 Monaten konnten alle gesetzten Meilensteine erreicht werden. Für die weitere Umsetzung wurde aufgrund der Veränderungen im Projektteam (Elternzeit) eine kostenneutrale Verlängerung bis spätestens zum 31.12.2023 beantragt und bewilligt. Aufgrund des besonderen Engagements aller Mitarbeitenden konnten die vorgesehenen Leistungen bzw. Meilensteine bis zum 30.9.2023 erfüllt werden. Besonders erfolgreich war die Gewinnung von mehr als 30 Grundwasserpat*innen für die bürgerwissenschaftlichen Untersuchungen, die vor allem über die Dialogveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit des BUND Berlin auf das Projekt aufmerksam wurden und auch mithilfe der 6 Vernetzungstreffen für das Engagement befähigt und motiviert werden konnten. Der GEO-Tag der Natur sowie die Übergabe der Maßnahmenempfehlungen an die Vertreter*innen der Landespolitik gehörten zu den zentralen Ereignissen. Die Anregungen wurden auch vom Euorpäischen Parlament im Rahmen der aktuellen Überarbeitung des Grundwasserrechts berücksichtigt,.
55 Schwengelpumpen und Grundwassermessstellen wurden bisher untersucht. An rund 70% der beprobten Standorte konnten wir Tiere ermitteln, bei denen nach aktuellem Kenntnisstand eine Zugehörigkeit zur Grundwasserfauna angenommen werden kann oder zumindest wahrscheinlich ist. Die Gewässer unter der Stadt sind daher an mehr Orten belebt, als es bisherige Untersuchungen (allein an Grundwassermessstellen) annehmen ließen. An oberflächennahen Standorten waren zwar häufiger Tiere in der Probe, jedoch nicht mehr, wenn wir unsere Untersuchungen auf das Grundwasser in 1-10 m Abstand zur Geländeoberkante konzentrierten. Zugleich konnten wir bestätigen, dass das Grundwasser vielerorts deutlich überwärmt ist und eine Tiergruppe (Acari = Milben) sich auffallend häufig nachweisen lässt, zu der weiterer Forschungsbedarf besteht. Mit den Beobachtungen in unserem Projekt stellt sich die Frage nach der Erweiterung der Ausgangshypothese in unserem Citizen Science-Vorhaben, die eine erhöhte Biodiversität im oberflächennahen Grundwasser annimmt. Weitere Untersuchungen sind dringend geboten. Für die praktische Umsetzung des Projektes bedarf es ferner den uneingeschränkten Zugang zu Informationen, um Erkenntnisse gewinnen und überprüfen zu können. Für rund 44 Prozent der Schwengelpumpen ist dies noch nicht sichergestellt. Seitens des Abgeordnetenhauses erfolgte hierzu eine Initiative.
Für die Öffentlichkeitsarbeit haben wir eine Projekt-Webseite mit online-Karte zu den Probefunden eingerichtet. Wir gaben eine Broschüre, einen Flyer sowie den Newsletter Info-Hüpfer heraus, die gut angenommen werden.
An den 11 Dialogveranstaltungen haben viele Multiplikator*innen teilgenommen (z.B. Lehrer*innen, Bürger- und Gartenvereine, Politiker*innen). Besondere Resonanz fanden die Angebote zum Weltwassertag, GEO-Tag der Natur, Langer Tag der Stadtnatur mit Wasser-Gottesdienst und bei der Übergabe der Maßnahmenempfehlungen vor dem Abgeordnetenhaus. Im Nachgang zum Internationalen Tag der Biologischen Vielfalt berichtete auch der RBB zu unserem Vorhaben.
Beliebt waren zudem die Grundwassersalons. Bürger*innen informierten sich dort über das lebendige Grundwasser und brachten sich für die Öffentlichkeitsarbeit ein (z.B. Wahl des Grundwasser-Botschaftertiers).
Die zumeist im öffentlichen Raum erfolgten Messkampagnen weckten auch bei Kindern Neugierde und über sie konnten wir auch ihre Eltern erreichen. Wir informierten zudem über Blogbeiträge, Gastbeiträge in Zeitschriften, Vorträge und mit einem Informationsstand bei dem Berliner Umweltfestival.
Darüber hinaus haben wir uns an der Plattform „Bürger schaffen wissen“ beteiligt
Insgesamt konnte durch das Projekt das Bewusstsein und Interesse für das Ökosystem
Grundwasser berlinweit bei den verschiedenen Zielgruppen, von der Zivilgesellschaft bis
hin zur Politik gestärkt werden. Gerade die Vielfältigkeit der angebotenen Formate
ermöglichte es dem Projektteam sehr viele verschiedenen Akteure und Akteurinnen zu
erreichen. Es ist unbedingt empfehlenswert, diese Vielfalt, bei allem organisatorischen,
zeitlichen und finanziellen Aufwand, fortzuführen. Wichtiger Aspekt war zudem die
Begeisterung und das Engagement mit den alle Projektmitarbeiter*innen ihre Aufgaben
wahrnahmen. Viele Teilnehmenden merkten dies an und durch die Beobachtung konnte
festgestellt werden, dass dadurch eine enge Bindung an das Projekt und das Thema
stattfand. Dem Ziel, neue Erkenntnisse über die
räumliche Verteilung und Stetigkeit der Biodiversität zu gewinnen, konnte im Rahmen
eines so kurzen und partizipativ ausgerichteten Projektes erst in Ansätzen nachgekommen werden. Zusammenfassend ist das Projekt in Bezug auf die gesetzten Ziele als erfolgreich einzustufen.
Im nun folgenden, von dem BMBF geförderten CHARMANT-Projekt können die bislang gewonnenen Erkenntnisse sowohl in Bezug auf die Partizipation als auch auf die grundwasserökologischen Daten als gute Grundlage angesehen werden. Dazu beigetragen haben auch die Hinweise aus der Evaluation.