Bisher finden keine Maßstabsübertragungsregeln in der riegelteigverarbeitenden Branche Anwendung, welche erlauben, ein sicheres Scale-up vom Labor in den Produktionsmaßstab vorzunehmen. Standardmäßig werden Mischzeiten von verschiedenen Teigansätzen mit unterschiedlicher Zusammensetzung subjektiv gewählt, welche nicht auf wissenschaftlich hinterlegten Daten beruhen. Die bisher verwendete Herangehensweise zur Übertragung in den Produktionsmaßstab steht nicht im Einklang mit den Zielen und Leitgedanken der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess):
1. Durch Fehlproduktionen, welche aus nicht definierten Prozessübertragungsmaßnahmen resultieren, werden limitierte Ressourcen (Lebensmittelrohstoffe, Energie, Wasser, Personal, Zeit) verschwendet.
2. Durch den Rohstoff- und Lebensmittelausschuss fallen Kosten für Personal, die Ausschussbeseitigung und Rohstoffneubeschaffung an, welche sich negativ auf die nachgelagerten Schritte auswirken (Mehrbedarf an Energie-, Rohstoff-, Wasserressourcen)
3. Durch kundenspezifische Rezepturänderungen oder Änderung der Rohstoffherkunft wird die Rheologie (u.a. Fließeigenschaften, Klebrigkeit, Viskosität) des Teiges beeinflusst und aktuell erst im letzten Produktionsschritt sichtbar.
4. Neben dem Ressourcenmehraufwand können in nachgelagerten Produktionsschritten technische Probleme aufgrund von zu festen oder flüssigen Teigen auftreten.
Durch eine subjektive Einschätzung der Teigrheologie und fehlende Scale-up Regeln ist eine sichere und nachhaltige Gestaltung des Produktionsverfahrens nicht möglich. Es besteht die Notwendigkeit der Findung von Lösungen für eine einheitliche Maßstabsübertragung von der Entwicklungsphase bis zum Produktionsmaßstab in der breitgefächerten Nahrungsmittel- und Nahrungsergänzungsmittelbranche.
Die wissenschaftlich-technische Bedeutung des Forschungsvorhabens besteht darin, dass die Kennzahl spezifischer Leistungseintrag als neuartiges Werkzeug für ein sicheres und effektives Scale-up vom Entwicklungslabor bis in den realen Produktionsprozess im Bereich der Riegelteigverarbeitung zum Einsatz kommt. Durch die einheitliche Anwendung einer Kennzahl oder deren Kombination mit fluidbeeinflussenden Parametern wie Klebrigkeit, Viskosität oder Fließeigenschaft soll der Produktionsablauf gesichert werden sowie Fehlproduktionen und der damit verbundene unnötige Ressourcenmehrbedarf vermieden werden.
Im ersten Schritt wurden potentielle verfahrenstechnische und produktbedingte Kennzahlen und Einflussgrößen zur Maßstabsübertragung durch Nutzung von Online-Datenbanken und Online-Katalogen sondiert. Augenmerk lag auf den Änderungen der Fließeigenschaften, Änderungen der Teigklebrigkeit, Änderungen der Teigoptik und der Teighärte in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen und der eingetragenen Wirkleistung (Energieeintrag). Die Viskosität sollte als präventiver Parameter in das Übertragungsmodell einfließen und im Labormaßstab Aussagen über eine mögliche Verarbeitbarkeit im Produktionsprozess liefern. Im darauffolgenden Arbeitspaket wurden die apparativen und verfahrenstechnischen Bedingungen für die Maßstabsübertragung ermittelt. Dazu wurden die Kriterien der Modell- und Ähnlichkeitstheorie angewandt. Zur Charakterisierung der Rührelemente sollte eine dimensionslose Kennzahl auf Basis der generierten Daten gefunden werden. Mit der Dimensionsanalyse sollten Einflussgrößen sondiert, die Rührvorgänge mathematisch beschrieben und eine Reduzierung des Aufwands für Modellversuche geschaffen werden. Im folgenden Schritt sollten die spezifischen Leistungseinträge im Labor-, Pilot- und Produktionsmaßstab ermittelt werden. Auf Grundlage der generierten Daten (Leistungseintrag, Viskosität) sollte ein Modell für die Maßstabsübertragung erstellt und nachfolgend eine Integrierung der Scale-up Regel in den laufenden Produktionsprozess geprüft werden. Während des Projektverlaufes sollte der bestehende Prozess mit dem neuen Prozess unter Betrachtung von ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten (Nachhaltigkeitsbewertung) gegenübergestellt werden.
Die im Forschungsvorhaben gesetzten Ziele der Findung von Einflussfakoren auf die Riegelteigrheologie, wie die Viskosität in Abhängigkeit des eingesetzten Binders und Rohstoffes sowie die Ermittlung von potentiellen Übertragungskennzahlen als universaler Übertragungsfaktor, welcher im weiteren Projektverlauf kontinuierlich angepasst wurde, wurden erfüllt (Meilenstein 1 und 2). Vorab wurde bereits eine Datenbank erstellt, welche durchgängig über die Projektlaufzeit hinaus weiter gepflegt wird.
Im weiteren Projektverlauf wurde eine Dimensionsanalyse unter Verwendung der ermittelten Einflussfaktoren erfolgreich vorgenommen. Durch den Abgleich von Labor- und Produktionsdaten wurde ein hausinterner Faktor (Newton-Faktor) ermittelt und für die Maßstabsübertragung vom Labor- in den Produktionsmaßstab angewandt. Damit wurde ein zielgerichtetes Maßstabsübertragungsmodell entwickelt und im Labor- sowie im Produktionsmaßstab getestet (Meilenstein M3).
Dem folgend wurden im Labormaßstab riegelspezifische Wirkarbeit messtechnisch erfasst und unter Anwendung des Scale-up Modells der im Produktionsbereich anzuwendende Leistungseintrag (KJ) ermittelt. Der jeweilige Leistungseintrag wurde im Produktionsmaßstab positiv getestet, sodass darauffolgend Reihenversuche vorgenommen wurden. Dazu wurde der jeweilige Leistungseintrag für mehrere zeitlich aneinandergereihte Knetvorgänge fixiert. Dies wurde für verschiedene Riegelrezepturen getestet und die nachgelagerte Verarbeitbarkeit auf der Riegellinie betrachtet. Es konnten bis dato keine Abweichungen hinsichtlich schlechter bis keine Verarbeitbarkeit aufgrund von fließenden Teigen oder bröckelnden Teigen (z.B. nach Hackmesser) detektiert werden. Die Etablierung des entwickelten Scale-up Verfahrens im Labor- und Produktionsbereich konnte erfolgreich umgesetzt werden (Meilenstein 4).
Im Laufe des Projektes wurden der bestehende und der neue Prozess einer Nachhaltigkeitsbewertung unterzogen. Dazu wurden wirtschaftliche und ökologische Aspekte betrachtet. Die Erstellung einer Nachhaltigkeitsbewertung mit Fokus auf die ökonomisch- und ökologische Effizienz wurde erfolgreich vorgenommen (Meilenstein M5)
Auf Basis des bisher erlangten Wissensstandes können die generierten Untersuchungsergebnisse unmittelbar nach deren Auswertung im Produktionsbereich praktisch umgesetzt werden. Eine Optimierung des Knetprozesses soll einen Rohstoffmehrbedarf verhindern und den gesamten Produktionsprozess nachhaltiger gestalten. Das entwickelte Scale-up-Modell kann als Grundlage in der Lebensmittelbranche Einsatz finden, mit dem Ziel andere Unternehmen hinsichtlich ihres Ressourceneinsparungspotenzials zu sensibilisieren. Dies soll bspw. in Form von Fachvorträgen oder Publikationen erfolgen.
In dieser Projektphase wurden insgesamt 80 Laborversuche zur Bestimmung der Riegelteigviskosität in Abhängigkeit des eingetragenen Leistungseintrages und des Viskositätsverhaltens über die Standzeit durchgeführt, 99 Produktionsversuche mit Leistungsdatenvorgabe (in KJ) und fünf Reihenversuche in der Produktion mit 207 Knetvorgängen. Es konnten alle Knetvorgänge im Produktionsmaßstab, welche einer Maßstabsübertragung unterzogen wurden, erfolgreich in den nachfolgenden Ausformungs-, Schokolierungs- und Verpackungsprozessstufen verarbeitet werden. Ohne Optimierungsmaßnahme lag ein unteres SIGMA-Level von 1,14 (Toleranzunterschreitung von 12,8 %) und ein oberes SIGMA-Level von 0,04 (Toleranzabweichung von 48,59 %) vor. Dem gegenüber konnte durch die Scale-up-Maßnahme ein höheres SIGMA-Level von 1,94 (Toleranzunterschreitung von 2,61 %) und 1,88 (Toleranzüberschreitung von 3,0 %) erreicht werden. Dies verdeutliche, dass durch die Anwendung des Scale-up-Modells die Viskositätsüberschreitung im definierten Viskositätsbereich von 12,8 % auf 2,61 % (Toleranzunterschreitung) und von 48,59 % auf 3,0 % (Toleranzüberschreitung) reduziert werden konnte. Auf Grundlage der generierten Daten und der Prozesseffektivität- sowie Stabilität (SIGMA-Level) ist ein gesichertes Scale-up unter der Prämisse der vorab Charakterisierung (im Labormaßstab) des Riegelteiges bei Neuanlagen, Rezepturänderungen, Rohstoffaustauschen und Geometrieänderung der Rühranlagen, umsetzbar.