Im November 2021 ist es am Helmholtz-Zentrum Berlin gelungen, den Wirkungsgrad von Perowskit/Silizium-Tandemsolarzellen auf den neuen Rekordwert von 29,80 % zu steigern. Der Wert ist offiziell zertifiziert und in den NREL-Charts verzeichnet. Eine entscheidende Innovation war dabei die Implementierung von Nanotexturen, die den Lichteinfang verbessern und optische Verluste minimieren. Die Vereinigung von konventionellen Silizium-Solarzellen mit neuartigen Perowskit-Solarzellen zu einem Tandem-Bauteil wird aktuell als sehr vielversprechendes Konzept in der Photovoltaik angesehen: Silizium-Solarzellen operieren bereits nahe am physikalischen Wirkungsgrad-Limit und mit Hilfe einer zusätzlichen Perowskit-Solarzelle kann dieses Limit zu potenziell geringen Kosten übertroffen werden. Somit können in der Photovoltaik als wichtige Säule für die CO2-freie Energieerzeugung die Stromgestehungskosten weiter gesenkt und der Ausstieg aus fossilen Energieträgern beschleunigt werden. In dem beantragten Projekt sollen zum einen technologische Ansätze verfolgt werden, die helfen das optische Potenzial voll auszuschöpfen, indem die Perowskit-Absorberschicht nicht nur wie bisher einseitig, sondern auch doppelseitig nanotexturiert wird. Dies hilft Reflexionsverluste zu minimieren und den Wirkungsgrad weiter zu steigern. Zum anderen soll insbesondere die in der Forschung standardmäßig eingesetzte Schleuderbeschichtung von Perowskiten durch industriekompatiblere Beschichtungsmethoden wie Schlitzdüsenbeschichtung oder Inkjet-Drucken ersetzt werden und die aktive Solarzellenfläche vom bisherigen Labormaßstab von 1 cm2 auf über 20 cm2 vergrößert werden. Die Implementierung der nanotexturierten Perowskit-Solarzellen in einem Tandembauteil mit Silizium soll in diesem Vorhaben bevorzugt in 4-terminaler Konfiguration erfolgen: Die getrennte Kontaktierung der beiden Teilzellen trägt den bisher noch stark unterschiedlichen Lebensdauern von Perowskit- und Silizium-Solarzellen Rechnung und verbessert so die Anschlussfähigkeit an die etablierte Silizium-Solarzellentechnologie
Optische Simulationen haben ergeben, dass optische Verluste in Perowskit/Silizium-Tandemsolarzellen am besten minimiert werden können, wenn die Perowskit-Teilzelle doppelseitig texturiert ist. Allerdings werden bis heute die höchstqualitativsten Perowskit-Solarzellen aus der Flüssigphase hergestellt, was bisher maximal eine einseitige Texturierung zulässt. Vorversuche haben ergeben, dass bestimmte invertierte Pyramiden-Texturen eine nahezu konformale und damit doppelseitig texturierte Beschichtung mittels Schleuderbeschichtung zulassen. Wie sich diese Schichten im vollständigen Solarzellen-Schichtstapel mit allen Kontakt-, Rekombinations- und Passivierungsschichten verhalten ist bisher noch unerforscht. Die Kombination der optisch vielversprechendsten Konfiguration (doppelseitig texturierte Perowskit-Schicht) mit der vielversprechendsten Herstellungsmethode für die elektrischen Materialeigenschaften (Perowskit-Deposition aus der flüssigen Phase) ist sehr reizvoll.
Um die Anschlussfähigkeit an die Industrie zu gewährleisten, kommen in diesem Projekt Perowskit Flüssigphasen-Depositionsmethoden zum Einsatz, die sich im Gegensatz zur Schleuderbeschichtung auf große Solarzellenflächen hochskalieren lassen: Schlitzdüsenbeschichtung und Inkjet-Drucken. Zudem wird aufgrund der oben erwähnten Kompatibilität mit langlebigen Silizium-Teilzellen auf die 4-Terminal Tandem-Konfiguration gesetzt, bei der Perowskit- und Silizium Solarzellen getrennt voneinander kontaktiert sind.
Arbeitspakete
AP 1: Ziel dieses Arbeitspakets ist die Herstellung und Identifizierung von geeigneten Substrattexturen, auf die Perowskit-Schichten aus der flüssigen Phase konformal, also mit doppelseitiger Textur, aufwachsen können. Die Texturen werden mittels Nanopräge-Lithographie in beschichteten Gläsern abgeformt. Die optischen, elektrischen und morphologischen Eigenschaften der aufgewachsenen Perowskit-Schichten werden charakterisiert (z.B. Photospektrometer, Photolumineszenz, Solarzellen IV-Charakteristik, Rasterelektronenmikroskop,…). Im Anschluss werden die als aussichtsreich identifizierten Texturen mittels Heißprägen in Folien implementiert. (Monat 1-6)
AP 2: Dieses Arbeitspaket hat die Hochskalierung der aktiven Fläche von Perowskit-Solarzellen auf mindestens 20 cm2 zum Ziel. Dabei werden die in AP 1 entwickelten texturierten Substrate verwendet. Es kommen industriekompatible Beschichtungsmethoden wie z.B. Schlitzdüsenbeschichtung zum Einsatz. (Monat 7-12)
AP 3: In diesem Arbeitspaket sollen die großflächigen, nanotexturierten Perowskit-Solarzellen durch geeignete Laminier-Zwischenschichten mit Silizium-Solarzellen in ein 4-terminales Tandem-Solarzellen Bauteil implementiert werden. Analysiert werden sollen neben Optik und Wirkungsgrad auch Stabilität und Alterung. (Monat 13-18)
Die Photovoltaik spielt eine Hauptrolle bei der Umstellung auf ein vollständig CO2-freies Energiesystem. Die Stromgestehungskosten aus der Photovoltaik sind in den vergangenen Jahren massiv zurückgegangen. Allerdings ist eine weitere Kostenreduktion aus zwei Gründen nur mit innovativen Schritten möglich: 1) Der Wirkungsgrad der marktbeherrschenden Silizium-Solarzellen nähert sich dem physikalischen Limit, und 2) die fixen Systemkosten („Balance-of-System costs“) lassen sich schwer weiter reduzieren. Die Steigerung des Wirkungsgrads von Solarmodulen ist daher von entscheidender Bedeutung, um die Stromgestehungskosten (engl. „levelized cost of electricity“, LCOE) dieser nachhaltigen Energietechnologie weiter zu senken. Dadurch wird die Photovoltaik zu einer immer wettbewerbsfähigeren Technologie zur CO2-armen Stromerzeugung und hilft, den kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erreichen.
Aktuell wird die Vereinigung von konventionellen Silizium-Solarzellen mit neuartigen Perowskit-Solarzellen zu einem Tandem-Bauteil als sehr vielversprechend angesehen, da sich damit verschiedene spektrale Anteile des Sonnenlichts effizienter in Energie umwandeln lassen und die großflächige und kostengünstige Herstellbarkeit von Perowskit-Halbleitern die direkte Umsetzbarkeit in der Praxis verspricht. Texturierten Oberflächen fällt hierbei eine Schlüsselrolle zu, da sie ermöglichen die Reflexionsverluste bei variablen Beleuchtungsbedingungen zu minimieren.
In dem Projekt wurde viel grundlegendes Wissen zum Wachstum von Perowskit-Solarzellen aus der Lösung auf texturierten Oberflächen gewonnen. Zudem wurden Machbarkeitsnachweise erbracht, dass das Perowskit-Wachstum auch mittels einer industriekompatiblen Beschichtungsmethode (Schlitzdüsenbeschichtung) auf texturierten Oberflächen möglich ist und dass, implementiert in ein 4-terminales Tandem Solarzellenbauteil zusammen mit Silizium, höhere Wirkungsgrade möglich sind als mit den jeweiligen Einzelzellen.
Die Ergebnisse wurden bereits in folgenden Artikeln in begutachteten Journalen veröffentlicht
• F. Riesebeck, F. Mathies, D. Yoo, S. Trofimov, E. Unger, C. Becker, Investigation of perovskite layer growth from solution on textured substrates, EPJ Photovoltaics 15, 19 (2024)
• D. Yoo, P. Tillmann, T. Kraus, J. Sutter, A. Harter, S. Trofimov, B. Naydenov, K. Jäger, H. Hauser, C. Becker, Comparative optical analysis of imprinted nano-, micro- and bio-textures on solar glasses for increased energy yield. Solar RRL 7, 2300071 (2023)
und auf internationalen Konferenzen vorgestellt:
• D. Yoo, P. Tillmann, K. Jäger & C. Becker, T. Kraus & H. Hauser, Bio-Replicating and Artificially Textured Glasses for Maximized Energy Yield in Bifacial and Building-Integrated PV (Vortrag) & F. Riesebeck, F. Mathies, E. Unger, C. Becker, Investigation of Perovskite Layer Growth from Solution on Textured Substrates (Poster), 41st European Photovoltaic Solar Energy Conference and Exhibition, 17 - 22 September 2023, Lissabon, Portugal
• C. Becker, HZB, Berlin, Germany, Solar energy: Current trends, recent developments and the role of nanophotonics, Spanish Conference on Nanophotonics, 12 - 14 June 2023, Zaragoza, Spanien (Plenarvortrag)
Im Rahmen des Projekts „Lichtmanagement in Perowskit/Silizium Tandemsolarzellen“ wurden Maßnahmen ergriffen, um der industriellen Umsetzbarkeit von optimierten Texturen in solchen Solarzellentypen einen Schritt näher zu kommen. Im Projekt wurde eingehend das Wechselspiel zwischen Textureigenschaften und Perowskit-Filmwachstum auf Basis von flüssigen Vorläufermaterialien untersucht. Als weiteren Schritt in Richtung industrielle Umsetzung wurde die im Labormaßstab häufig angewendete Schleuderbeschichtungsmethode durch Schlitzdüsenbeschichtung als großflächig anwendbarer Perowskit-Beschichtungsmethode ersetzt. Es konnten so texturierte Perowskit-Schichten auf bis zu 12.5 cm2 Fläche hergestellt werden. Letztendlich wurden plane und texturierte 4-terminale Perowskit-Silizium Tandemsolarzellen präsentiert.
Die Projektergebnisse geben klar die Richtung vor, in die weitere Arbeiten zu erfolgen haben: Es ist der Schwerpunkt auf Oberflächentexturen zu setzen, deren Abmessungen wenige Mikrometer nicht überschreiten. Die Schlitzdüsenbeschichtung ist als Methode zur Herstellung von großflächigen Perowskit-Solarzellen weiter zu optimieren. Dabei sind Kontakte zu Industrieunternehmen weiter auszubauen, die in den Bereichen texturierte Oberflächen und Perowskit/Silizium Tandemsolarzellen aktiv sind.