Projekt 37859/01

Bürgerenergie MOE: Wissenschaftliche Untersuchung der Rahmenbedingungen für Bürgerenergie in Ländern Mittel- und Osteuropas

Projektdurchführung

Universität für Bodenkultur Wien Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung (ILEN)
Peter-Jordan-Str. 65
A-1180 Wien

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bürgerenergieprojekte gelten als ein wichtiger Baustein für die Transformation des Energiesystems. Ursprünglich vor allem in Ländern wie Deutschland, Österreich oder auch Spanien initiiert und werden Bürgerenergieansätze inzwischen auch von der EU Kommission aktiv gefördert und unterstützt. Damit soll insbesondere die Wende zu einer treibhausgasneutralen Energieversorgung, die in der EU bis 2050 angestrebt wird, unterstützt werden.
In den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) sind diese Transformation und eine klimaneutrale Ener-gieversorgung ebenfalls eine große Herausforderung und auch hier beginnen Bürger*innen als Akteure der Energiewende an Bedeutung zu gewinnen. Erste Bürgerenergieprojekte sind auch in den Staaten Mittel- und Osteuropas bereits erfolgreich umgesetzt worden.
Das Projekt zielte darauf ab, die Rahmenbedingungen für Bürgerenergieprojekt in den Staaten Mittel- und Osteuropas zu analysieren, laufende Aktivitäten zu identifizieren und diese aufzubereiten. Dabei wurde eine Kategorisierung der Länder und ihrer Rahmenbedingungen für Bürgerenergie erarbeitet und Bedarfe für gezielte, vertiefende Untersuchungen beschrieben. Es wurde untersucht, inwiefern fördern-de oder hemmende Bedingungen für Bürgerenergieprojekte vorliegen. Es wurden Empfehlungen abge-leitet für mögliche Beispielprojekte, um übertragbare Erkenntnisse zu Anforderungen für eine weitere Verbreitung von Bürgerenergieansätzen in den Staaten Mittel- und Osteuropas als Baustein einer Transformation der dortigen Energiesysteme zu generieren.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Vorhaben verfolgte das Ziel, einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation zu Bürger-energie in den relevanten MOE Ländern zu erstellen, diese Rahmenbedingungen zu typologisieren und darauf basierend Empfehlungen für Beispielprojekte abzuleiten. Entsprechend dem wissenschaftlich-koordinierenden Charakter dieses Projektes wurde ein iteratives und auch variables Vorgehen gewählt. Das Vorhaben umfasste zwei Projektphasen.
Die erste Phase diente einerseits der Konzeptionierung des Themas Bürgerenergie in Staaten Mittel- und Osteuropas sowie andererseits einer grundlegenden Charakterisierung der 19 Nationen in Bezug auf Aktivitäten und Potenziale für Bürgerenergie basierend auf einer Literatur- und Dokumentenauswer-tung und Interviews mit Akteuren im Themenfeld Bürgerenergie in Ländern Ost- und Mitteleuropas.
Die zweite Phase diente einerseits der Begleitung der durch die DBU vergebenen Einzelstudien zum Thema Bürgerenergie. Weiterhin wurden auf Basis der Einzelstudien Schlussfolgerungen abgeleitet.



Ergebnisse und Diskussion


Als gemeinsamer Ausgangspunkt für die Beschreibung und Analyse der Situation beim Thema Bürgerenergie in den einzelnen Staaten in Mittel- und Osteuropa, wurde der übergeordnete Rahmen als relevant eingestuft und analysiert. Dabei wurden einerseits übergeordnete rechtliche Vorgaben, hier vor allem der Europäischen Union und ebenso übergeordnete Forschungs- und Vernetzungsaktivitäten ausgewertet. Durch die Aufnahmen von Regelungen zu Bürgerenergie mit dem “Clean Energy Package” in die Erneu-erbare Energien Richtline der EU (Renewable Energy Directive, RED II) im Jahr 2018 und in die Elektri-zitätsbinnenmarkt-Richtline (Electricity Market Design Directive, EMD) im Jahr 2019, hat das Thema in allen Mitgliedsstaaten und auch in Ländern mit Interesse an einem EU-Beitritt an Relevanz gewonnen. Die Analysen im Projekt zeigten auf, dass die Umsetzung der EU-Vorgaben in den einzelnen Staaten in Mittel- und Osteuropa recht unterschiedlich erfolgt ist und die regulatorischen Vorgaben sich in den Details voneinander unterscheiden.
Auch im Hinblick auf weitere untersuchte Kontextfaktoren (u.a. Klimaschutzvorgaben, Ziele zum Ausbau Erneuerbarer Energien, gesellschaftliche Einstellung zu gemeinschaftlichen7genossenschaftlichen Aktivitäten, Erfahrungen mit Bürgerenergieinitiativen, etc.), kann im Projekt festgehalten werden, dass sich diese sehr unterschiedlich darstellen in den einzelnen Ländern. Weiterhin war eine große Dynamik in den untersuchten Ländern während der Projektlaufzeit zu beobachten durch die Pflicht das EU Energy-Package und die entsprechenden Vorgaben zu Bürgerenergie national umzusetzen. Damit ergaben sich im Laufe des Projektes vielfach stark veränderte Rahmenbedingungen durch die Verabschiedung neuer Gesetze und untergesetzlicher Vorgaben. Auch der Krieg in der Ukraine seit Februar 2022 war mit seinen Auswirkungen in Bezug auf Energiepreise und die Diskussion über Versorgungssicherheit stark spürbar in den durchgeführten Interviews und wurde zum Teil als mögliche Argumentationslinie für einen verstärkten Fokus auf eine dezentrale und durch Bürger*innen getriebene Energiewende gesehen. Langfristige Effekte konnten im Projektverlauf allerdings nicht ausgemacht werden, diese zeigen sich vermutlich erst mittel- bis langfristig. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in den untersuchten Ländern noch diverse Hindernisse bzw. Herausforderungen bei der Etablierung von Bürgerenergie-Initiativen vorliegen. Dazu gehören z.B.
• Mangel an Vertrauen unter den Bürger*innen, Mangel an Vertrauen in die Regierung und Verwaltung, aber teilweise auch in NGOs (Interviews Kosovo, Rumänien, Ungarn)
• Mangel an Orts- und Gemeinschaftsgefühl – auf dem Land und in kleinen Dörfern besser als in großen Städten (Interviews Kosovo, Rumänien, Ungarn, Ukraine)
• Regulierte und somit geringe Energiepreise (Ungarn),
• Mangel an Regulierung unterstützenden gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben für Bürgerenergieprojekten und herausfordernde Bürokratie für die Genehmigung von EE-Anlagen (Interviews
Ungarn, Rumänien, Ukraine)
• Kein oder wenig verfügbares Einkommen; Abneigung gegen langfristige Investitionen und Risikobereitschaft (Interviews Kosovo, Rumänien, Ungarn)
• Energieeffizienz in armen Haushalten ist ein drängenderes Problem, ein langer Weg zu bottom-up Energieinitiativen in gefährdeten Gebieten (Interviews Ungarn, Kosovo)
• Energieunternehmen versuchen, von den Bürgerenergie-Regulierungen zu profitieren, z.B. von entsprechenden Förderprogrammen und können in manchen Regionen Teil von Bürgerenergiegemeinschaften werden und entsprechenden Einfluss nehmen mit wenig Fokus auf sozialem Wandel (Interviews Ungarn, Kroatien).

Gleichzeitig zeigen sich aber auch viele Chancen und vielversprechende Kontextfaktoren und Entwicklungen die für die Etablierung von Bürgerenergie-Ansätzen positive wirken (können) und die in den untersuchten Ländern durchaus thematisiert und zum Teil auch bereits aktiv genutzt bzw. gefördert werden. Dazu gehörten:
• Anstieg der Energiepreise in den letzten Jahren – Momentum und „Windows of opportunity“ für Bürger*innen, sich mit Energiethemen zu befassen (Interviews Kosovo, Bulgarien, Rumänien)
• die junge Generation ist gut vernetzt mit der Welt (Internet, soziale Medien, Studium/Arbeit im Ausland), dies führt zur Verbreitung von Ideen und z.T. zu einer Rückkehr von Personen mit Erfahrungen im Bereich Energiewende aus anderen Regionen in ihre Heimatländer (Interview Kosovo)
• Existenz engagierter Organisationen in fast jedem Land, die führend bei Kapazitätsaufbau und Lobbyarbeit sein können bzw. bereits sind
• die Bildung eines Netzwerks mit Austausch unter MOE-Staaten und mit westeuropäischen Ländern zum Thema Bürgerenergie (Austausch bewährter Verfahren usw.)
• Regierungen versuchen das Thema aufzugreifen und zu stärken, in vielen Ländern ist förderliche Gesetzgebung in Entwicklung.
Als ein klarer Schwerpunkt in Bezug auf notwendige Aktivitäten zur Unterstützung der Etablierung des Themas “Bürgerenergie” wurde in den untersuchten Ländern in Mittel- und Osteuropa die Lobbyarbeit, der Kapazitätsaufbau und die finanzielle Unterstützung von Bürger-Initiativen sowie Know-how, Etablierung und Austausch von Pilotprojekten und Erfahrungen mit bewährten Verfahren gesehen. Hier setzen auch die von der DBU nun im Förderschwerpunkt “Bürgerenergie” unterstützten Projekte an, mit unterschiedlichen Fokussierungen. Ein Austausch und eine Zusammenführung der dort generierten Ergebnisse und Erfahrungen kann in den Ländern Mittel- und Osteuropas die Verankerung der Idee von Bürgerenergiegemeinschaften sicherlich befördern und sollte unterstützt werden.





Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen des Projektes kam es zur Teilnahme an diversen Veranstaltungen wie u.a. der REScoop.eu conference 2022, dem Right to energy forum 2022, der Konferenz Energiegemeinschaften 2023, Wien. Darüber hinaus fanden mehrere Treffen mit dem Sekretariat der Karpatenkonvention (Carpathian Con-ven-tion) und dem Exekutivkomitee des Netzwerks "Science for the Carpathians" (S4C) statt.
Im Rahmen des Projekts wurden im Jahr 2022 zwei virtuelle Workshops für Akteur*innen in Ländern Mittel- und Osteuropas zum Thema Bürgerenergie organisiert und durchgeführt.
Weiterhin wurden Steckbriefe zu den untersuchten Ländern im Bezug auf die existierenden Vorgaben und Rahmenbedingungen für Bürgerenergievorhaben auf der Website der DBU veröffentlicht.



Fazit

Als Fazit kann zusammengefasst werden, dass das Thema Bürgerenergie in den Ländern Mittel- und Osteuropas eine zunehmende Rolle spielt u.a. durch entsprechende EU-Vorgaben und deren nationale Umsetzung. Bürgerenergiegemeinschaften gibt es in fast allen untersuchten Ländern bereits, allerdings nicht als weit verbreitetes Konzept, sondern eher als Pilot- oder Pioniervorhaben. Es zeigen sich zwischen den 19 untersuchten Ländern deutliche Unterschiede in den Rahmenbedingungen und unterschiedlich viel Erfahrung auch von zentralen Akteuren mit dem Thema Bürgerenergie. In der Konsequenz ergeben sich unterschiedliche Handlungsbedarfe, wobei das Thema Kapazitätsbildung und Information sowie das Teilen von guten Praxiserfahrungen und erfolgreichen Pilot-Bürgerenergiegemeinschaften in allen Ländern als wichtige Maßnahme festgehalten werden kann.

Übersicht

Fördersumme

90.600,00 €

Förderzeitraum

01.10.2021 - 31.07.2023

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik