Als Steppenart mit kontinental-mediterraner Verbreitung erreicht die Wechselkröte (Bufotes viridis) in Ostniedersachsen ihre nordwestlichen Verbreitungsgrenze. Ihr Bestand in Niedersachsen ist innerhalb des letzten Jahrhunderts um ca. 80 % zurückgegangen, sodass die Art auf der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Amphibienarten als „vom Aussterben bedroht“ gelistet wird. Als Lebensräume werden offene, spärlich bewachsene Standorte mit ausreichend Versteckplätzen und grabbarem Boden bevorzugt. Reproduktionsgewässer zeichnen sich durch Vegetationsarmut, Sonnenexposition, meist flache Ufer und oft nur temporäre Wasserführung aus.
In der niedersächsischen Kulturlandschaft sind solche trockenwarmen, steppenartigen Standorte als typische Lebensräume der Wechselkröte heutzutage hauptsächlich in Abgrabungen und Abbaufolgelandschaften, auf Äckern und auf Ruderal-, Brach- und Industrieflächen zu finden. Somit kommt die Wechselkröte in Niedersachsen inzwischen nur noch in stark isolierten, naturfernen Sekundärhabitaten in den Landkreisen Helmstedt und Wolfenbüttel vor.
Das Ziel des Projektes ist die Bestandsstützung der Wechselkröte durch das Schaffen von Grundlagen und Voraussetzungen für die Anlage von nachhaltig geeigneten Fortpflanzungs- und Landlebensräumen im Verbreitungsgebiet Südost-Niedersachsen, um der Art so das langfristige Überleben an ihrem Arealrand zu ermöglichen. Wichtiger Inhalt des Projektes ist die Integration der Wechselkröte in urbanen Räumen durch gezielte Kommunikation und Aufklärung von Unternehmen und Bürger*innen. Dabei soll anders als in der Vergangenheit der Fokus nicht auf "typischen" Naturschutzflächen, sondern auf stark anthropogen überformten Lebensräumen wie Gewerbeflächen, Parkplätzen, Bodendeponien, Kleingartenkolonien u.a. liegen. Die Fähigkeit der Wechselkröte auch solche Habitate erfolgreich zu besiedeln, soll hier gezielt genutzt und gleichzeitig die Biodiversität auf Industrieflächen erhöht werden - eine Kombination aus Wirtschaft, Industrie und Naturschutz. Kosten werden geringgehalten, Unternehmen können uneingeschränkt weiter agieren und der Artenschutz wird auf - für die Art - bislang ungenutzten anthropogen überformten Lebensräumen praktikabel. Als Mitnahmeeffekt entstehen neue (Teil-)Lebensräume auch für weitere bedrohte Arten. Zur Gewinnung solcher Flächen wird ein sehr hohes Maß an Information und Kommunikation mit den jeweiligen Eigentümer*innen und Nutzenden erforderlich sein.
1) Flächensuche: Identifikation von geeigneten Flächen für die Schaffung von Wechselkrötenhabitaten mithilfe der ortsansässigen Unteren Naturschutzbehörden sowie Unternehmen mit großen Außenanlagen und Industrieflächen wie z. B. Bergbauunternehmen.
2) Kommunikation: Kontakt zu diversen Akteur*innen, die an diesem Projekt beteiligt sind oder angesprochen bzw. aufgeklärt werden sollen, wie z. B. Bürger*innen, Ehrenamtliche, Unternehmen mit potenziellen Flächen für Ersatzbiotope, sowie Garten- und Landschaftsbaufirmen für die Beauftragung der Anlage von Amphibiengewässern.
3) Infektionsbiologische Untersuchungen & Artnachweise mittels Umwelt-DNA (eDNA): Untersuchung der Projektgebiete auf Infektionskrankheiten (z.B. Chytridpilz) und Vorkommen von Wechselkröten mithilfe von eDNA aus Gewässerproben. Insbesondere für Kleinstpopulationen, bei denen nicht immer Nachweise während des regulären Monitorings erbracht werden können, ist die Beprobung mittels eDNA ein wichtiges Hilfsmittel.
4) Bestandsstützung: Aufzucht von Wechselkrötenlarven bis ins juvenile Stadium in der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen. Kooperation mit der bereits seit 2018 laufenden Bestandsstützung des Landkreises Wolfenbüttel und Ausweitung auf den Landkreis Helmstedt. Aussiedelung der aufgezogenen Jungtiere in Kleinpopulationen in beiden Landkreisen zur Stützung der lokalen Bestände.
5) Gewässerbau: Anlage von beispielhaften Amphibiengewässern (natürliche wie künstliche) als Prototypen zur Darstellung und Anschauung, wie auf weiteren potenziellen Flächen Teiche geschaffen werden können. Um das Projekt zusätzlich zu unterstützen, sollen finanzielle Mittel für die Schaffung weiterer Wechselkröten-Habitaten akquiriert werden.
6) Öffentlichkeitsarbeit: Bürger*innen und Privatleute sollen über Management- und Schutzmöglichkeiten aufgeklärt werden, z. B. über Newsletter sowie Exkursionen, Vorträge und eine Wanderausstellung.
7) Erstellung von Infomaterialien: Zur Aufklärung und nachhaltigen Bewusstseinsschaffung der Bürger*innen ist die Erstellung von Informationsmaterial notwendig, wie bspw. Plakate, Handzettel, Flyer und eine Homepage.
8) Monitoring: Etablierung eines projekteigenen Monitorings, dass sich in seiner Methodik an der des landesweiten Wechselkröten-Monitorings des NLWKN orientiert, dieses aber deutlich intensiviert und auf weitere Potentialflächen ausweitet. Dies beinhaltet Ruferkartierungen während der Laichperiode sowie Reproduktionskontrollen im Sommer.