Projekt 37823/01

Identifikation von Rezyklateinsatzpotenzialen durch Analyse allgemeiner Normen und herstellerspezifischer Anforderungen in verschiedenen Anwendungsbereichen

Projektdurchführung

SKZ - Das Kunststoff-Zentrum KFE gGmbH
Friedrich-Bergius-Ring 22
97076 Würzburg
Telefon: +49 931 4104 447

Zielsetzung

Künftig wird der Einsatz von recyceltem Kunststoff (Rezyklat), zur Erreichung der von der europäischen Kommission definierten Klimaziele, weiter steigen. Das Bündnis Circular Plastics Alliance bspw. sieht vor, bis 2025 EU weit 10 Mio. Tonnen Kunststoffrezyklate für neue Produkte einzusetzen.

Allerdings bestehen derzeit noch verschiedene Hürden für eine gesteigerte Kreislaufführung von Kunststoffen. Neben technischen und wirtschaftlichen Barrieren erschweren oder verhindern oftmals Werkstandards und allgemeine Normen den Einsatz von Rezyklaten. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren die Qualität verfügbarer Sekundärkunststoffe deutlich verbessert, sodass sich diese Materialien aufgrund ihres Eigenschaftsprofils häufig sogar 1:1 für den Ersatz von Neuware qualifizieren. Aus diesem Grund wurden im Zuge des Forschungsprojekts „Rezy-Spezi“ vom 01.01.2022 bis 31.12.2023 Werkstandards und Normen auf nicht notwendige Vorgaben geprüft, Einsatzpotenziale für Rezyklate definiert und Handlungsempfehlungen für Industrie, Gesetzgeber und Forschung beschrieben.

Das Forschungsvorhaben trägt somit zur Erhöhung des Einsatzes von Sekundärkunststoffen bei. Wodurch umweltrelevante Effekte, wie z. B. Einsparung von CO2-Emission durch den verringerten Verbrauch von fossilen Rohstoffen und Reduzierung der stetig wachsenden Kunststoff-Vermüllung in der Umwelt, erwartet werden können.

Recycler und Kunststoffverarbeiter sollen durch ein online zur Verfügung gestelltes Tool direkt in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche verfügbaren Rezyklatqualitäten sich – entgegen bestehenden Hürden durch aktuelle Standards – aufgrund ihrer Eigenschaften für spezifische Anwendungen eignen. Mithilfe eines nutzerfreundlichen Online-Tools wurden betriebsübergreifende Änderungspotenziale argumentativ vorgezeigt, die von den Akteuren aufgegriffen und für die Erweiterung der Standards im Sinne der Kreislaufführung umgesetzt werden können.

Onlinetool

Arbeitsschritte

Um die bestehenden Potenziale für einen verstärkten Rezyklateinsatz in Kunststoffprodukten zu bestimmen, wurden verschiedene Maßnahmen durchgeführt. Die Projektdurchführung begann mit einer Anforderungsanalyse. Hierbei wurden allgemeine Normen und herstellerspezifische Standards gesichtet und bzgl. ihrer Anforderungen an einzusetzende Materialien und insbesondere hinsichtlich der Beschränkung des Einsatzes von Sekundärkunststoffen analysiert. Vorerst wurden Befragungen mit SKZ-interne Produktexperten und -expertinnen durchgeführt, um einen Überblick über bestehende Normen zu gewinnen und erste Beschränkungsgründe bezüglich des Rezyklateinsatzes in Kunststoffprodukten zu erarbeiten. Anhand dieser Erkenntnisse konnte im nächsten Schritt eine Onlinebefragung ausformuliert und an zahlreiche Industrieakteure aus der Kunststoffbranche, mit der Bitte zur Teilnahme, versendet werden. Zusätzlich wurden Interviews mit Experten und Expertinnen aus den Bereichen Forschung und Prüfung, Recycling und Unternehmen der verarbeitenden Industrie geführt. Im nächsten Schritt erfolgte die Einstufung der gesammelten Anforderungen nach Relevanz. Zudem wurden die Erkenntnisse aus der Relevanzeinordnung durch verfügbarere Rezyklate und ihren Qualitäten aktualisiert und erweitert. Im Rahmen der Studie wurden bislang unberücksichtigte und durch bestehende Standards blockierte Potenziale für den Rezyklateinsatz abgeleitet und die Einsatzfähigkeit transparent mit Kunststoffakteuren zu kommunizieren.

Ergebnisse

Die Anforderung an die Farbe des Kunststoffmaterials stellt eine vielfach beschriebene Anforderung dar, deren Beschreibung sowohl in den Normen zu finden ist als auch von Befragten aus der Kunststoffindustrie genannt wurde. Für die Sicherstellung der Produktfunktion ist die Farbe des Kunststoffmaterials jedoch von untergeordneter Bedeutung, sodass die Farbanforderung in dieser Arbeit als „anpassungsfähig“ bewertet wird. Durch die Möglichkeit zur Angabe von Farbspektren könnte das Angebot von Recyclingunternehmen in den Branchen Elektronik (plus 26 %), Automotive (plus 17 %), Bau (plus 10 %) und Verpackung (plus 74 %) gesteigert werden.
Weitere Einschränkungen für den Einsatz von Rezyklaten konnten zusätzlich aus den durchgeführten Umfragen und Interviews mit Kunststoffexperten aus den Bereichen Forschung und Prüfung, Recycling und Unternehmen der verarbeitenden Industrie identifiziert werden. Daraus wurden Einsatzpotenziale erarbeitet, die bei angepassten Produktanforderungen realisierbar wären. Könnten beispielsweise Anforderungen an die Dimensionierung von Bauteilen angepasst werden, wäre der Einsatz von Rezyklaten bei gleichbleibenden mechanischen Eigenschaften denkbar. So würde sich, laut befragter Recyclingunternehmen, das Rezyklatangebot für die Branche Verpackung um 41 %, für den Bereich Elektronik und Elektrogeräte (E&E) um 21 %, im Bauwesen um 65 % und im Automobilsektor um 51 % erhöhen.
Ein häufig diskutiertes Hemmnis für den Recyclingprozess und den Einsatz von Rezyklaten sind heterogene Abfallströme, die häufig aus Kunststoffverbunden bestehen und die am Ende der Nutzungsphase nicht trenn- und damit auch nicht recyclebar sind. Durch die Vielzahl an Kunststoffsorten innerhalb einer Anwendungsbranche und deren Vermischung bei der Entsorgung, können geforderte polymerspezifische Eigenschaften der Industrie nur schwer oder gar nicht mit Rezyklaten umgesetzt werden. Durch angepasste Additivierungen von Homo-Kunststoffen könnten laut Umfrageergebnisse in einigen Produktbereichen dieselben Anforderungen wie mit Verbundkunststoffen erreicht werden. Folglich wurde untersucht, inwiefern Rezylateinsätze je Anwendungsbranche gesteigert werden können, wenn sich Kunststoffproduktbranchen auf die Nutzung von drei Kunststoffsorten beschränken würden, und somit die Kunststoffvielfalt reduzieren. Laut befragter Recyclingunternehmen könnte die Rezyklatmenge besonders in der Verpackungs- und Automobilindustrie um über 50 % erhöht werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Studienergebnisse werden anhand einer Pressemitteilung, zusammen mit einem Social Media Post im Mai 2024 veröffentlicht. Gleichzeitig erfolgt eine Veröffentlichung der Projektinhalte über eine Fachzeitschrift mit der Redaktion der Zeitschrift "Plastverarbeiter" in der diesjährigen Ausgabe 7/8 (Juli/August). Das im Projektverlauf erstellte Onlinetool ist auf der offiziellen Webseite von plastship GmbH erhältlich. Kontinuierliche Bewerbung des Tools und Darstellung der Ergebnisse erfolgt im Rahmen von SKZ-eigenen Seminaren, Tagungen und weiteren Bildungsveranstaltungen über die Projektlaufzeit hinaus, sowie über den SKZ-Podcast. Die Erstveröffentlichung der Podcastfolge geschieht zum SKZ Innovationstag Circular Economy am 25.06.2024. Weiterhin kann auf der offiziellen SKZ-Homepage das Policy Paper zum Projekt eingesehen werden. Am 06.06.2024 findet eine Abschlussveranstaltung für die Ergebnis- und Toolpräsentation mit vorgesehenen 50 Teilnehmer*Innen aus den Bereichen Kunststoffbranche, Forschung, Ministerien, weitere öffentliche Stellen (z. B. Umweltbundesamt) statt.

Fazit

Bei der Entwicklung und Herstellung von Kunststoffprodukten und Bauteilen sollten Produktanforderungen nach ihrem Beitrag zur Sicherstellung der Produktfunktion bewertet und eingeordnet werden. Produktanforderungen, die nicht der Funktion dienen, sind zu hinterfragen. Es ist notwendig Kunststoffabfälle als Wertstoffe zu betrachten, die nach entsprechender Aufbereitung in Zukunft wieder verwendet werden. Aus den Ergebnissen der Studie konnten Handlungsempfehlungen beschreiben werden, die sich sowohl an die Politik und Forschung als auch an die Industrie wenden. Hierzu zählen beispielsweise die verstärke öffentliche Förderung von Kooperationsprojekten zwischen Forschung und Industrie zur Entwicklung von Demonstratoren für die Kunststoffneuwaresubstitution, eine verstärkte öffentliche Förderung der Wiederaufbereitung von Kunststoffabfällen durch die Erprobung neuer Rezepturen auf Basis verringerter Materialvielfalt und dem Einsatz von Additiven, sowie der Anpassung von Arbeitsprozessen während einer Produktentwicklung in Einbeziehung von Sekundärkunststoffen und endkundenorientierte Aufklärungskampagnen zum Rezyklateinsatz in Kunststoffprodukten.

Übersicht

Fördersumme

123.994,00 €

Förderzeitraum

01.01.2022 - 31.12.2023

Bundesland

Bayern

Schlagwörter