Der Weltklimarat IPCC formuliert im ersten Teil seines sechsten Sachstandsberichts, der im August 2021 vorgestellt wurde, sehr deutlich, dass akuter Handlungsbedarf besteht, um die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. In dem im August 2021 von der damaligen Bundesregierung geänderten Klimaschutzgesetz wurde das Ziel verankert, bis 2045 klimaneutral zu werden. Doch die bisher ergriffenen Maßnahmen reichen dafür bei Weitem nicht aus.
Gleichzeitig bieten die rasanten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung neue Lösungen zur Reduktion der CO2-Emissionen und haben das Potenzial, Transformationsprozesse hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu beschleunigen. Doch auch die Digitalisierung selbst bewegt sich in einem Spannungsfeld, denn digitale Tools, Services und deren Infrastruktur haben aufgrund ihres hohen Energieverbrauches und Ressourceneinsatzes negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima.
Die gemeinnützige Stiftungsgesellschaft RESET fokussiert seit 2007 auf die Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Auch das Projekt „Deutschland klimaneutral – Mit digitalen Lösungen den Weg bereiten“ bringt das Themenpaar zusammen. Ausgangspunkt war die Frage, welchen Beitrag digitale Lösungen in der Erreichung eines klimaneutralen Deutschlands spielen. Betrachtet wurden dabei die Sektoren, in denen akuter Transformationsbedarf besteht, da sie für den Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind: Energie (Industrie), Mobilität, Gebäude und Landwirtschaft (vgl. Umweltbundesamt 2020). Um wesentliche Schritte zu dem komplexen Ziel „Deutschland klimaneutral“ sichtbar zu machen und mit konkreten Lösungen zu verknüpfen, wurden in vier sektorspezifischen Online-Dossiers (Greenbooks) Hintergrundwissen und Rahmenbedingungen vermittelt und mit dem Schwerpunkt auf innovativen Best Practice-Beispielen eine Vielzahl an digitalen Lösungen vorgestellt, die einen Beitrag zur effektiven Reduktion der CO2-Emissionen leisten können. Dabei wurde auch deren jeweilige Wirksamkeit und Hebelwirkung diskutiert.
Das Projekt hat einen klaren Bildungs-, Aktivierungs- und Vernetzungsauftrag mit dem Ziel, die verschiedenen Zielgruppen anzuregen sowie die Herausforderung Klimaneutralität an wesentlichen Stellschrauben mit wirkungsvoller, digitaler Unterstützung anzugehen. Ein weiteres Ziel war, den Impact der Digitalisierung zur Erreichung der Klimaziele zu erhöhen.
Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen, ist komplex. In nahezu allen Bereichen sind Transformationsprozesse hin zu klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweisen nötig – und möglich! Um die komplexen Zusammenhänge leichter verständlich zu machen und Ansatzpunkte für Veränderungen aufzuzeigen, hat sich RESET mit jedem Online-Dossier/ Greenbook auf Herausforderungen und Lösungen in jeweils einem der vier CO2-intensiven Sektoren Energie (inkl. Industrie), Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft konzentriert.
Innerhalb der genannten Sektoren wurden die Potenziale und Herausforderungen des Einsatzes verschiedener digitaler Technologien betrachtet. Dazu beinhalten die vier Online-Dossiers jeweils eine Einführung in die Problemfelder mit der Nennung der wesentlichen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele in dem jeweiligen Sektor, Best-Practice-Beispiele und eine abschließende Betrachtung, in der Maßnahmen und Lösungen zusammengeführt werden. Der wissenschaftliche Anspruch wurde über Interviews mit Expert*innen (ZALF, IÖW, BPIE, Borderstep Institut, RWTH Aachen/ TU Berlin, IASS Potsdam u. a.) abgesichert. Flankiert wurden die Online-Dossiers von Podcast-Folgen (Expert*innen-Interviews und Featureformate) und jeweils einem Policy Brief, der sich mit konkreten Empfehlungen zum wirkungsvollen Einsatz digitaler Technologien im jeweiligen Sektor an politische Entscheidungsträger*innen richtet. Auf einer Micropage wurden die zentralen Projektergebnisse aus allen vier Sektoren in einer übersichtlichen, grafisch ansprechenden und leicht zugänglichen Form zusammengebracht. Das Angebot ist wie auch die Greenbooks auf RESET.org eingebunden und über die Seitennavigation direkt ansteuerbar.
Indem die Greenbooks über die Potenziale digitaler Lösungen für den effektiven Klimaschutz in den jeweiligen Sektoren informieren, sollte dazu angeregt werden, die Potenziale der Digitalisierung zur Erreichung der Klimaziele auszuschöpfen. Gleichzeitig werden in den Beiträgen Nachhaltigkeitskriterien für die Entwicklung digitaler Tools und Services herausgearbeitet, um den nachhaltigen Impact digitaler Technologien zu erhöhen.
Das Thema der Klimaneutralität und die Rolle digitaler Technologien dabei wurde in vier kompakten Dossiers und einer zusammenfassenden Microsite vermittelt:
1. Energiewende – Die Zukunft ist vernetzt
2. Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität
3. Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren
4. Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen
5. Mission Klimaneutralität – Digitale Lösungen als Chance für die Klimawende
Mit 78 Best-Practice-Beispiele, acht umfangreichen Hintergrundartikeln, acht Expert*innen-Interviews, vier Policy Briefs, sechs Podcast-Folgen und der abschließenden Microsite hat das komplexe Thema eine systematische, lösungsorientierte und greifbare Form bekommen.
In dem den Sustainable Development Goals (SDGs) SDGs 7, 11, 12 , 13 , 14 und 15 konkrete digitale Lösungen zugeordnet wurden, konnte deren Umsetzbarkeit veranschaulicht werden.
Durch die verschiedenen Formate und Zugänge der Dossiers werden Bürger*innen und Zivilgesellschaft über Lösungen für den Klimaschutz informiert, Unternehmen, Ecopreneurs und Startups Schnittstellen und Vernetzungsmöglichkeiten geboten und mit den Policy Briefs konkrete Handlungsempfehlungen an politische Entscheidungsträger*innen gerichtet werden. Verstärkt wurde der Netzwerkcharakter noch durch die Initiierung von Gastbeiträgen, Live-Talks und Paneldiskussionen. Die leicht zugänglichen, multimedialen Formate mit den verschiedenen Themenzugängen ermöglichten zudem vielfältige, intuitive Zugangswege für die unterschiedlichen Zielgruppen, womit viele Menschen erreicht werden konnten.
Die sekundäre Zielgruppe der Expert*innen und wissenschaftlichen Akteur*innen konnte darüber erreicht werden, dass in Gastbeiträgen und innerhalb der Dossiers Best-Practice-Beispiele mit wissenschaftlichen Fragestellungen verknüpft wurden, die wiederum in den wissenschaftlichen Diskurs Eingang finden können.
Insgesamt ist durch das umfassende Informationsangebot ein differenziertes Bild über die Potenziale und Herausforderungen digitaler Lösungen entstanden, das auch über den Projektzeitraum hinaus bestehen bleibt und aktualisiert wird. Zudem wurde durch die Schaffung von Schnittstellen eine Vielzahl an Menschen aktiviert und vernetzt.
Die im Rahmen des Projekts entstandenen Inhalte und Lösungsansätze wurden über verschiedene Kanäle verbreitet:
- Veröffentlichung aller Beiträge (Best-Practice-Beispiele, Hintergrundartikel, Expert*innen-Interviews, Podcast-Folgen, Policy Briefs) auf RESET.org
- Microsite „Mission Klimaneutralität“ mit den zentralen Ergebnissen
- Intensive Social-Media-Kampagnen, Newsletter, Pressemitteilungen und personalisierte Mailings an das RESET-Netzwerk und Multiplikator*innen aus Forschung und Zivilgesellschaft
- RESET Podium auf der Bits-und-Bäume-Konferenz 2022, Titel: Die Energiewende in deiner Nachbarschaft – Wie kann das gelingen? Mit Frieder Rabl (A2EI), Christoph Rinke (BürgerEnergie Berlin), Astrid Aretz (IÖW) und Indra Jungblut (Host/RESET) / 1.Oktober 2022
- RESET Live-Talk im Rahmen der re:publica 2023 (Paneldiskussion Mobilitätswende)
- Podiumsteilnahme Konferenz für Konstruktiven Journalismus (Berlin, 6. Juli 2023)
- Gastartikel „How digitalisation can help neighbourhoods share electricity" in Shaping Digital Transformation for a Sustainable Society, Bits & Bäume, 2023
Zudem wurden Strukturen geschaffen, über welche die Projektinhalte auch weiterhin leicht auffindbar sind und die Dossiers auf einem aktuellen Stand halten.
Die spezifischen Herausforderungen und digitalen Lösungen nach Sektoren aufzuschlüsseln, hat sich als eine sinnvolle Herangehensweise erwiesen. Dadurch konnte einerseits auf redaktioneller Ebene die Komplexität des schwer zu fassenden Ziels „Klimaneutralität“ aufgebrochen und entsprechende Best-Practice-Beispiele präzise zugeordnet werden. Gleichzeitig konnten die Inhalte den Zielgruppen leichter vermittelt und die Maßnahmen und digitalen Lösungen greifbarer gemacht werden. Zudem konnte die Ansprachen an die Zielgruppen und Multiplikator*innen zielgerichteter erfolgen.
Insgesamt konnten mit dem Projekt wichtige Erkenntnisse und innovative Ideen einer großen Öffentlichkeit bekannter gemacht und diese auch über die Herausforderungen informiert werden. Gleichzeitig konnten über die Best Practice Cases, Interviews, Podcast-Folgen und Paneldiskussionen die Akteur*innen einer sozial-ökologischen Transformation aktiviert und vernetzt werden.
Auf inhaltlicher Ebene hat sich gezeigt, dass es durchaus umfängliche innovative Vorhaben gibt, mit denen mithilfe digitaler Technologien ein Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet werden kann. Allerdings greifen diese oft in Bezug auf ihren eigenen digitalen Fußabdruck zu kurz. Der Impact der digitalen Anwendungen selbst wird bisher selten in der Entwicklung mitgedacht und in eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung einbezogen.