Projekt 37734/01

Dosis und Auswirkung anthropogener Schadstoffe in Vitrinen (DoAaSch) Untersuchung des Stofftransports in der Gasphase für die Optimierung passiver Ausstellungsvitrinen zur Erhaltung von Kulturgut

Projektdurchführung

Rathgen-Forschungslabor Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Schlossstr. 1 a
14059 Berlin

Zielsetzung

Die Schädigung von Museumsexponaten durch Einwirkung anthropogener Schadgase ist ein zentrales Problem als Folge der Belastung von Innenräumen mit Schadstoffen. Ein diesbezüglich weit verbreiteter Schadstoff ist Essigsäure, vertreten sind aber auch andere kurzkettige Carbonsäuren. Essigsäure, die im beantragten Vorhaben im Fokus stehen soll, kann bei einer Vielzahl von Materialien unter bestimmten klimatischen Bedingungen zu Korrosionsprozessen führen, so dass es unter Schädigung und Materialverlust am Objekt zur Ausbildung von Acetat-Ausblühungen (oder anderer kristalliner Phasen) kommen kann.
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit des Schutzes solcher zum national wertvollen Kulturgut gehörender Objekte gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen und folglich auch der Entfernung der anthropogenen Schadstoffe aus ihrem unmittelbaren Umfeld.
Eine Museumsvitrine hat eine Schutzfunktion für die Objekte. Sie ist Instrument zur nachhaltigen präventiven Konservierung und hat die Aufgabe, Kulturgüter sicher und ästhetisch ansprechend auszustellen.
Die Vitrine soll neben dem Schutz vor unberechtigtem Zugriff eine möglichst inerte, das heißt reaktionsarme Umgebung sowie ein auf die Bedürfnisse des Objekts angepasstes Klima bieten. Eine reaktionsarme Umgebung schließt per Definition auch den Schutz vor anthropogenen Schadstoffen, z.B. Essig- und Ameisensäure, Formaldehyd, Schwefeldioxid, Stickoxide, Ozon u.a. ein. Die Protektion vor den genannten äußeren Einflüssen ist durch eine niedrige Luftwechselrate der Vitrinen gegeben, d.h. der Präsentationsraum, der das Volumen für das auszustellende Sammlungsgut darstellt, tauscht nur wenig Luft mit der Umgebung der Vitrine aus.
Durch die Reduktion des Luftaustauschs werden anthropogenen Schadstoffe am Eintritt in die Vitrine gehindert. Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind jedoch interne Quellen, durch die Schadstoffe innerhalb der Vitrine freigesetzt werden. Zu diesen Schadstoffquellen können Bau- und Konstruktionsmaterialien der Vitrine, ihrer Innenausstattung, insbesondere Holz oder weitere Werkstoffe wie Silikon aber auch das Objekt selbst zählen.
Routinemäßig durchgeführte Messungen von Schadstoffkonzentrationen und relativer Feuchte sind zwar ausreichend, um Handlungsbedarf an den Vitrinen nachzuweisen, sie sind jedoch nicht dazu geeignet, die Kinetik der Schadstoff- oder Wasserdampfverteilung nachzuvollziehen.
Jede Optimierung der passiven Vitrine kann dazu beitragen, die Anschaffung von aktiv konditionierten Vitrinen unnötig zu machen und so wesentliche Ressourcen einzusparen. Aktiv konditionierte Vitrinen verschlechtern die CO2-Bilanz von Einrichtungen und bergen das Risiko technischer Havarien in sich, wie sie in der Museumspraxis leider immer wieder vorkommen. Im einfachsten Fall handelt es sich um Einbauten von Pumpen und Ventilatoren, die Luft aus dem Präsentationsraum zum Konditionierungsmittel transportieren. Aufwändigere Lösungen beinhalten auch verbaute Klimageräte, welche Luftfeuchte und Temperatur regulieren. Bei der Nachhaltigkeitsbetrachtung der Einbauten müssen Anschaffungskosten, Wartungsleistungen und Energieverbrauch der Geräte, Gesamttreibhausemission und Rohstoffverbrauch im Herstellungsprozess sowie die Recyclingfähigkeit der Geräte in deren Lebenszyklus beachtet werden. Passive Vitrinen hingegen kommen ohne fehleranfällige Elektronik aus, die ausfallen kann, so dass eine vergleichende Betrachtung immer zugunsten der passiven Vitrine ausfällt.
Um der Problematik der Schadstoffdeposition anthropogenen Ursprungs auf vulnerablen Objekten sowie der damit einhergehenden Materialschädigung entgegenzuwirken, ist neben der weiteren Aufklärung der zugrundeliegenden Schädigungsmechanismen auch eine Charakterisierung der Situation in der passiven Vitrine erforderlich. Das Vorhaben soll durch eine systematische Untersuchung zur Schadenswirkung unter verschiedenen Bedingungen (Schadstoffwirkung und Deposition), Schadstoffangebot (Konzentration) und dem Transport innerhalb der Vitrine sowie durch die Beschreibung der Effektivität von Vitrinen zum Objektschutz beitragen und sämtlichen musealen Einrichtungen zugutekommen

Arbeitsschritte

Mit dem Ziel, die Bedingungen für und die Affinität verschiedener Materialien gegenüber der Schädigung durch eine essigsäurehaltige Atmosphäre in Vitrinen besser zu verstehen, sowie eine innovative Kennzahl zur Beschreibung des Luftaustauschs zwischen Präsentations- und Konditionierungsraum zu definieren, sollen die folgenden Fragestellungen im Rahmen des Projekts untersucht werden:

A. Um zu beurteilen, wie effektiv die Verbindung von Präsentationsraum und Konditionierungsfach hinsichtlich der präventiven Konservierung ist, gibt es zurzeit kein Kriterium. Eine solche innovative Charakterisierung der Eigenschaften einer Vitrine schafft jedoch die Möglichkeit, in das Leistungsverzeichnis für Neuanschaffungen aufgenommen zu werden. Im Rahmen des Vorhabens ist vorgesehen, dafür eine aussagekräftige Kennzahl zu definieren. Diese wird dazu führen, dass passive Vitrinen verschiedener Hersteller detaillierter hinsichtlich ihrer Eigenschaften verglichen werden können, was bei der Kaufentscheidung berücksichtigt werden kann.

B. Die Auswirkung der anthropogenen Schadstoff-Dosis auf Objekte wird für Essigsäure unter verschiedenen Randbedingungen untersucht werden. Es ist bekannt, dass destruktive Acetate an Objekten verschiedener Materialien gebildet werden. Eine systematische Untersuchung der Schadenswirkung (Schadstoffwirkung, Schadstoffangebot und Transport) steht jedoch bislang aus. Mit Fokus auf Acetatsalze sollen in diesem Forschungsvorhaben modellhaft sowohl die Schädigungswirkung der Salzbildung durch die Schadstoffdeposition auf verschiedenen Materialien, als auch die resultierenden Ausblühsalze und die in bestimmten Zeitintervallen aufgenommene Acetat-Menge untersucht werden. Dabei sollen auch die Depositionsgeschwindigkeiten von Essigsäure auf Adsorbentien aus Aktivkohle mit jenen auf Modellmaterialien verglichen und die zeitliche Veränderung der Essigsäure-Affinität untersucht werden, um zu einem besseren Verständnis des Stofftransportes bei Mitigationsmaßnahmen zur Kontrolle anthropogener Schadstoffe zu gelangen.

C. Der Einfluss der passiven Vitrine auf die Schadenswirkung am Objekt soll modellhaft untersucht werden. Dazu werden die Ergebnisse aus den Teilaufgaben A und B zusammengeführt und in Testreihen an Modellvitrinen eines Herstellers wird evaluiert, bis zu welchem Grad bauliche Veränderungen an der Vitrine zu einer Verbesserung der Situation für Objekte im Präsentationsraum führen.

Übersicht

Fördersumme

124.947,00 €

Förderzeitraum

18.10.2021 - 18.07.2025

Bundesland

Berlin

Schlagwörter