Das Projekt widmete sich einer regionalökonomischen Sichtweise auf die Nationalen Naturlandschaften und im Speziellen der vor Ort generierten Wertschöpfung aus Naturtourismus. In verschiedenen Forschungsprojekten zur Ermittlung der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften wurde in der Vergangenheit standardmäßig das Verfahren der touristischen Wertschöpfungsanalyse angewandt. Die Anwendung ist praktikabel und kostengünstig, zeigt methodisch aber Schwächen: Erstens werden die indirekten Vorleistungseffekte der naturtouristischen Ausgaben pauschal anhand einer Wertschöpfungsquote von 30 % indirektem Wertschöpfungsanteil an den Vorleistungen geschätzt. Diese gilt für alle Nationalen Naturlandschaften und alle touristischen Branchen und basiert auf keinem statistisch belastbaren Modell. Zweitens können induzierte Konsumeffekte nicht bestimmt werden. Im internationalen Forschungskontext hat sich die Input-Output-Analyse als Verfahren zur Bestimmung regionalökonomischer Effekte des Naturtourismus bewährt. Diese Methode ist detailreicher, weil die indirekte Wirkungsebene branchen- und regionsspezifisch analysiert werden kann, und außerdem belastbar, weil amtliche Statistikdaten zugrunde liegen. Im deutschen Anwendungsfall wurde die Methode ein erstes Mal für das Biosphärengebiet und den Nationalpark Schwarzwald getestet (Majewski 2023).
Dieses Forschungsprojekt verfolgte das Ziel, die Methode zur Ermittlung der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften weiterzuentwickeln, indem naturtouristische Multiplikatoreffekte umfassend mithilfe des Input-Output-Verfahrens analysiert wurden. Als Untersuchungsregionen dienten die drei Nationalparkregionen Niedersächsisches, Schleswig-Holsteinisches und Hamburgisches Wattenmeer. Ein multi-regionales Input-Output-Modell erlaubte eine Abbildung nationaler Vorleistungs- und Konsumeffekte, die von naturtouristischen Ausgaben in den Untersuchungsregionen an der Nordseeküste ausgehen. Die in diesem Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse zur Methodik und zu den Ergebnissen regionalökonomischer Effekte des Naturtourismus in den ausgewählten Fallbeispielen sind eine Bewertungsgrundlage für methodische Implikationen für ein künftiges regionalökonomisches Monitoring in den Nationalen Naturlandschaften.
Für die Analysen konnte auf im Rahmen von vorherigen Forschungsprojekten ermittelte Daten zur naturtouristischen Nachfrage in den drei Nationalparkregionen am Wattenmeer zurückgegriffen werden. Die Daten zum Besuchsaufkommen und zu den vor Ort getätigten Ausgaben der Besucher*innen wurden verwendet, um in einem ersten Schritt die direkten regionalökonomischen Effekte zu ermitteln. Diese verstehen sich als Anteil der in der Region verbleibende Wertschöpfung vom erwirtschafteten Produktionswert. Dieser Anteil wird durch Wertschöpfungsquoten bestimmt. Diese wurden anhand von Daten der amtlichen Statistik für die drei Nationalparkregionen am Wattenmeer und für touristische Branchen berechnet.
Ein weiterer Anteil des erwirtschafteten Produktionswerts wird von touristischen Leistungsanbietern vor Ort für Vorleistungen aufgewendet. Die Vorleistungsanbieter profitieren also ebenso von den getätigten Ausgaben der Besucher*innen während eines Aufenthalts in einer Nationalparkregion. Diese indirekte Wertschöpfung ist die naturtouristische Multiplikatorwirkung. Darüber hinaus setzen die Ausgaben induzierte Konsumeffekte frei, was sich ebenfalls in der Multiplikatorwirkung ausdrückt.
Die indirekten und induzierten Effekte wurden anhand von regionalen Input-Output-Modellen ermittelt. Dazu erfolgte die Ableitung von Output-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungsmultiplikatoren. Zur Berechnung der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus wurde die Anzahl der Besuchstage in den Nationalparkregionen am Wattenmeer mit den durchschnittlichen Ausgaben der Besucher*innen und die Multiplikatoren miteinander multipliziert. Dabei wurde nach regionalökonomisch relevanten Besuchssegmenten differenziert vorgegangen.
Die Analyse der drei Nationalparkregionen am Wattenmeer zeigt regionale Multiplikatorvariationen. Diese bewegen sich zwischen einer indirekten Wertschöpfungsquote von 14 % für das Hamburgische Wattenmeer, 24,3 % für das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer und 39,7 % für das Niedersächsische Wattenmeer. Zum Vergleich liegen die indirekten Wertschöpfungsquoten bei 30,6 % für das Biosphärengebiet Schwarzwald und 29,6 % für den Nationalpark Schwarzwald (Majewski 2023). Das belegt, dass kleine und spezialisierte Regionalökonomien eine stärkere Importneigung aufweisen und dadurch stärker von Sickerverlusten betroffen sind als größere, stärker diversifizierte Regionalökonomien. Umgekehrt zeigt deshalb die hohe indirekte Vorleistungswirkung für das Niedersächsische Wattenmeer, dass diese große Region, die insgesamt neun Landkreise an der deutschen Nordseeküste umfasst, stark vernetzt ist. Die Ausgaben in der Nationalparkregion Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer bestehen außerdem zu einem hohen Anteil aus Einzelhandelsprodukten, was zusätzlich zu Sickerverlusten führt. Eine Erklärung für die nur geringe Abweichung der regionalen Wertschöpfungsquoten vom Durchschnittswert von 30 % in den beiden Regionen im Schwarzwald kann nach jetzigem Kenntnisstand die sektorale Bruttowertschöpfungsverteilung sein, wonach das Land Baden-Württemberg eine ähnliche Struktur wie Deutschland zeigt. Die Applikation der Input-Output-Analyse ermöglichte dadurch eine realitätsnähere Quantifizierung der naturtouristischen Multiplikatoreffekte.
Ein Teil der Ergebnisse wurde in einem Fachvortrag im Rahmen des Deutschen Kongresses für Geographie im September 2023 in Frankfurt am Main vorgestellt. Ein weiterer Fachvortrag mit den Ergebnissen und weiteren Input-Output-Analysen in Nationalen Naturlandschaften ist im September 2024 bei der Konferenz „Monitoring and Management of Visitors“ in Schneverdingen (Naturpark Lüneburger Heide) geplant. Ein Teil der Ergebnisse soll in wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht werden.
Der Ansatz des Forschungsprojektes war die Weiterentwicklung der Methodik zur regionalökonomischen Wirkungsanalyse des Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften. Dabei wurde ein innovatives und zukunftsweisendes Vorgehen gewählt, weil das international anerkannte Input-Output-Verfahren für Fallbeispiele von Nationalen Naturlandschaften erfolgreich angewandt wurde. Die Analyse offenbarte raumstrukturelle Multiplikatorvariationen. Perspektivisch ist ein methodisch solides Analyseverfahren zur Ermittlung der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften ein zentraler Baustein in Richtung eines statistisch belastbaren, langfristig ausgerichteten, standardisierten und bestenfalls automatisierten Monitorings der regionalökonomischen Effekte des Naturtourismus in den Nationalen Naturlandschaften.