Projekt 37511/01

Schleifschlamm Mehr Potenzial als nur Recycling

Projektdurchführung

Bergische Universität Wuppertal Wuppertal Die Kanzlerin
Gaußstr. 30
42119 Wuppertal

Zielsetzung

Dieses Forschungsvorhaben widmet sich der Aufbereitung und Nutzung von Schleifschlämmen der Kaltarbeitsstahlsorten X153CrMoV12 (1.2379) und 80CrV2 (1.2235) für die Herstellung von Halbzeugen mittels additiver Fertigung und Schmelzmetallurgie. Die Motivation für diese Untersuchungen gründet sich auf Herausforderungen sowie Potenziale, die in der aktuellen Industrielandschaft zu finden sind.
Die Notwendigkeit der Nutzung von Schleifschlämmen als Sekundärrohstoffe in der Metallindustrie ergibt sich zunächst aus der bisherigen Unzulänglichkeit bei der Verwendung dieser Materialien. In der Bundesrepublik Deutschland fallen durch die subtraktive Materialbearbeitung jährlich zwischen 150.000 und 250.000 Tonnen Schleifschlämme und Spanmaterial als Abfallprodukte an. Die Abfallstoffe sind kontaminiert (Kühlschmierstoffe, Werkzeugabrieb, Oxidpartikel, Abrasive), schwer zu verwerten und werden teils als Sondermüll deponiert. Die Suche nach Lösungen für diese Problematik ist essenziell, um Ressourcen effizienter zu nutzen, Raum und Ressourcen freizugeben und Abfall zu reduzieren.
Des Weiteren erlangt die Entwicklung von Legierungskonzepten sowie die Untersuchung der Eigenschaften von mit Rezyklat gefertigten Werkstoffen eine hohe Bedeutung. Hierbei kann eine gezielte Berücksichtigung von Abrasivstoffen aus dem Schleifprozess als Legierungselement erfolgen, um das metallurgische Konzept anzupassen, beispielsweise mittels einer Modifikation des Hartphasengehalts und -typs. Eine Erhöhung des Hartphasengehalts kann insbesondere im Falle von abrasionsbeanspruchten Bauteilen zu einer verlängerten Produktnutzungsphase führen, was wiederum ein Up-Cycling der Abfallstoffe bewirkt.
Ein weiterer Anlass für dieses Vorhaben ist die Notwendigkeit, innovative Wege in der Metallverarbeitung zu beschreiten. Die additive Fertigung, insbesondere der WAAM-Prozess, bietet die Möglichkeit, komplexe Bauteile herzustellen und dabei Material und Energie einzusparen. Die Integration von rezyklierten Schleifspänen in diesen Prozess kann einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Metallindustrie leisten.
Das Forschungsvorhaben ist insgesamt der Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Metallverarbeitung gewidmet. Im Mittelpunkt stehen die Verwertung von Abfallprodukten, die effizientere Nutzung von Ressourcen sowie die Minimierung von Umweltauswirkungen. Die Ergebnisse dieser Arbeit können nicht nur für die beteiligten KMU von Bedeutung sein, sondern auch für die gesamte Metallindustrie.

Arbeitsschritte

Das Projekt umfasste zwei Routen: die Schmelzmetallurgie, in der rezyklierte Schleifspäne durch gießtechnische Verfahren re- bzw. upcycelt werden, sowie die additive Fertigung, in der metallische Fülldrähte für das WAAM-Verfahren entwickelt und produziert wurden, deren Pulverfüllung sich aus Anteilen an rezyklierten Schleifspänen zusammensetzte.
Die Realisierung beider Routen erforderte die Rezyklierung der Schleifschlämme. Der Prozess umfasste Trocknungs-, Fraktionierungs- und Separationsschritte. Im Anschluss wurden typische Pulverkenngrößen an unterschiedlichen Schleifspanfraktionen bestimmt, um eine Bewertung der Eignung für die nachfolgenden Fertigungsrouten zu erstellen. Die chemische Zusammensetzung der Schleifspanfraktionen wurde nach der Umschmelzung bestimmt, gefolgt von thermodynamischen Berechnungen zur Herstellung der ursprünglichen und neuen Werkstoffkonzepte. Hierzu wurden thermodynamische Berechnungen durchgeführt, um bspw. das Erstarrungsverhalten aus der Schmelze zu bestimmen. Des Weiteren wurden optimale Wärmebehandlungsstrategien für die entwickelten Werkstoffe simulativ konzipiert.
Im Anschluss wurden die Werkstoffkonzepte unter Verwendung des Rezyklats abgegossen und zur Analyse der Werkstoffgefüge experimentelle Methoden wie Rasterelektronenmikroskopie und Elektronenrückstreubeugung angewendet. Zudem wurden die mechanischen Eigenschaften der Werkstoffe untersucht.
Im Rahmen der zweiten Route wurden auf Grundlage der chemischen Zusammensetzung der Schleifspäne zunächst unter Berücksichtigung des LTT-Konzepts Werkstoffkonzepte erarbeitet, die in der additiven Fertigung zum Einsatz kommen können. Im Rahmen des Projekts wurde an der Bergischen Universität Wuppertal eine Labor-WAAM-Anlage konzeptioniert und aufgebaut, an der Proben aus den erarbeiteten Werkstoffen additiv gefertigt werden konnten.
In einem folgenden Schritt wurden Fülldrähte gefertigt, die mit den zuvor rezyklierten Schleifspänen befüllt waren. In der Folge wurden Proben aus konventionell gefertigten Fülldrähten und aus dem mit Rezyklat versehenen Fülldraht additiv gefertigt und unter Anwendung experimenteller metallographischer, mechanischer sowie tribomechanischer Methoden charakterisiert und verglichen. Schließlich wurden Proben mit großem Volumen gefertigt (LxBxH = 110x50x60 mm).
Das Forschungsvorhaben wurde mit der Durchführung eines ECO-Audits abgeschlossen, dessen Ziel die Abschätzung des notwendigen Energiebedarfs bzw. der freigesetzten CO2-Emissionen war.

Ergebnisse

Die Charakterisierung der Schleifspäne zeigte, dass in Abhängigkeit des Zulieferers und der dort verwendeten spanenden Fertigungsverfahren und -parameter unterschiedliche Recyclingrouten in Betracht gezogen werden sollten. Insbesondere wurden variierende Größenverteilungen und Abrasivgehalte festgestellt, die einen maßgeblichen Einfluss auf die spätere Weiterverarbeitung der Schleifspäne aufweisen. Des Weiteren konnten Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung festgestellt werden, die ein mögliches Ressourceneinsparpotenzial in der gießtechnischen und additiven Route definieren.
Es konnte demonstriert werden, dass unter Anwendung eines Rezyklatanteils von 31 Ma.-% des Kaltarbeitsstahls X153CrMoV12 eine gießtechnische Fertigung zur ursprünglichen chemischen Zusammensetzung nach Norm möglich ist. Hierbei wurde der Rezyklatanteil insbesondere durch die C- und Si-Gehalte der Schleifspäne und verbleibender Abrasivpartikel beschränkt. Unter Anwendung thermodynamischer Berechnungen konnten Werkstoffkonzepte erarbeitet werden, die Recyclinganteile von bis zu 68 Ma.-% ermöglichten. Die an den abgegossenen Proben durchgeführten Experimente zeigten, dass die Gefüge und die daraus resultierenden Eigenschaften der Werkstoffe mit Rezyklat eine hohe Ähnlichkeit zu konventionell gießtechnisch gefertigten Werkstoffen aufweisen.
Auch innerhalb der additiven Fertigungsroute konnten Schleifspäne erfolgreich zur Fülldrahtfertigung verwendet werden. Trotz der anfangs experimentell bestimmten schlechten Fließeigenschaften und reduzierten Schüttdichte der Schleifspäne konnte ein Fülldraht mit einem Drahtdurchmesser von 2,0 mm gefertigt werden, der anschließend auf der neu installierten Labor-WAAM-Anlage additiv verarbeitet wurde. Der Anteil an Rezyklat in der Pulverfüllung des Fülldrahts betrug 36 Ma.-%. Der Vergleich zwischen konventionellem Fülldraht und Rezyklat-Fülldraht zeigte ähnliche Eigenschaften. Die entsprechenden Schweißversuche belegen zudem die Einsatzfähigkeit des LTT-Ansatzes im Rahmen der WAAM-Fertigung.
Die Durchführung eines ECO-Audits ermöglichte die Bestimmung einer möglichen Energie- und CO2-Einsparung von bis zu 40 % durch die Verwendung der oben erwähnten Rezyklatanteile innerhalb der gießtechnischen Route. Die additive Fertigung eines mit Rezyklat erstellten Fülldrahts hingegen ermöglicht eine Einsparung von 35 %, vorausgesetzt, dass DfAM-Ansätze und damit verbundene Materialeinsparungen berücksichtigt werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Ergebnisse wurden auf dem 78. HärtereiKongress + Steel Innovation 2022 von AWT und DGM vorgestellt. Zudem wurden im Rahmen der ersten Fachtagung Steel Innovation (SI) in Köln erste Erkenntnisse präsentiert.
Weiter wurden ausgewählte Ergebnisse bei dem von BMFSFJ sowie BMBF geförderten Girls Day der Bergischen Universität Wuppertal in den Jahren 2022 und 2023 vorgestellt. Artähnlich wurden Ergebnisse innerhalb der SommerUni 2022 und 2023, einer Initiative der Bergischen Universität Wuppertal zur Förderung von MINT-Studienfächer für Schülerinnen ab der zehnten Klasse, präsentiert. Auch für die Girls Day und SommerUni Veranstaltungen im Jahr 2024 werden ähnliche Kurzvorstellungen geplant.
Die Ergebnisse, die im Rahmen des Projekts erarbeitet wurden, werden derzeit in zwei Publikationen zusammengefasst. Außerdem wird derzeit ein Kurzbeitrag ausgewählter Forschungsergebnisse für die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift FORUM Schneidwerkzeug- und Schleiftechnik erarbeitet.
In dem von der EU geförderten EFRE-Vorhaben „Bergisch.Kompetenz“ werden erarbeitete Ergebnisse als Basis weiterer Aktivitäten genutzt um die Kreislaufwirtschaft im Kontext der additiven Produktfertigung zu fördern.

Fazit

Das Forschungsprojekt hat erfolgreich demonstriert, dass die Wiederverwendung von Schleifspänen durch Umschmelzen und die Herstellung von metallischem Filament für die additive Fertigung vielversprechende Möglichkeiten bietet. Trotz technischer Herausforderungen konnten effektive Lösungen erarbeitet werden, um Werkstoffe mit hohem Rezyklatanteil herzustellen.
Die Ergebnisse der schmelzmetallurgischen Route weisen darauf hin, dass Werkstoffe mit einem entsprechend hohen Anteil an rezyklierten Schleifspänen erfolgreich hergestellt werden können, wodurch der Ressourcenverbrauch bei der Stahlproduktion signifikant reduziert wird. Die additive Fertigung von Proben mittels des WAAM-Prozesses zeigt ebenfalls vielversprechende Ergebnisse.
Die Errichtung der Labor-WAAM-Anlage und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Partnern haben die Grundlage für weitere Forschungsarbeiten gelegt. Das durchgeführte ECO-Audit identifiziert signifikante Einsparpotenziale beim Energieverbrauch und den CO2-Emissionen, insbesondere bei der Nutzung von rezyklierten Schleifspänen in der gießtechnischen Route.
Die bisherigen Ergebnisse bieten vielversprechende Ansätze zur nachhaltigen Nutzung von Schleifschlämmen und könnten einen signifikanten Beitrag zur Schließung eines Werkstoffkreislaufs leisten. Weitere Forschungsarbeiten werden dazu beitragen, die noch bestehenden Herausforderungen zu überwinden und das volle Potenzial dieser Recyclingrouten auszuschöpfen.

Übersicht

Fördersumme

249.958,00 €

Förderzeitraum

01.02.2022 - 31.01.2024

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter