Projekt 37463/01

Untersuchung der Ausbreitungsdynamik von Gelb- und Blankaalen zwecks Optimierung des Aalschutzes an Wasserkraftstandorten

Projektdurchführung

Institut für Angewandte Ökologie GmbH
Neustädter Weg 25
36320 Kirtorf

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Bestände des Europäischen Aals (Anguilla anguilla) sind im Verlauf der vergangenen Dekaden so stark eingebrochen, dass sie sich aktuell außerhalb sicherer biologischer Grenzen bewegen. Deshalb werden von der Europäischen Aalschutzverordnung von den Mitgliedsstaaten Maßnahmen gefordert, damit es mindestens 40 % der Aale gelingt, aus dem Binnenland zur Reproduktion ins Meer abzuwandern. Daraus folgt, dass geeignete Maßnahmen für diese als „Blankaale“ bezeichneten Migrationsstadien vor einer Schädigung durch Wasserkraftwerke zu ergreifen sind, z. B. mit Hilfe eines aalschützenden Betriebsmanagements auf der Basis von Alarmen des Frühwarnsystems MIGROMAT® (DBU-Projekt Az 17627). Jüngste Erkenntnisse u. a. aus „Fish Trek: Ein öffentliches Melderegister mit Datenbank zur Identifikation individuell markierter Fische“ (DBU-Projekt Az 36055) unterstreichen nun allerdings Zweifel an der fischereiwissenschaftlich tradierten und selbst in neueren Publikationen wiederholte Vorstellungen (www.fischlexikon.eu, TESCH 1983,ACOU et al. 2005, DURIF et al. 2005, 2009), dass es sich nur bei Blankaalen um das abwanderbereite Entwicklungsstadium handelt. Im Gegensatz dazu würden sich die jüngeren, aufgrund ihrer Färbung als Gelbaal bezeichneten Stadien, standorttreu verhalten und damit einem geringeren Risiko unterliegen, an den Einlaufrechen in Wasserkraftwerke und in deren Turbinen verletzt und getötet zu werden.

Vor diesem Hintergrund gilt es mit Hilfe des vorliegenden bis Juli 2024 laufenden DBU-Projekts Freilanduntersuchungen zur Beantwortung folgender Fragen durchzuführen:

1. Lassen sich die Entwicklungsstadien von Gelb- und Blankaal anhand ihrer der Färbung zuverlässig voneinander unterscheiden?
2. Ist die Umfärbung vom Gelb- zum Blankaal stabil oder aber reversibel?
3. Korreliert die Färbung mit einem Abwanderverhalten der Aale, d. h. sind Gelbaale tatsächlich stationär und Blankaale mobil?
4. Welche Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich aus den gewonnenen Erkenntnissen für den Betrieb des Frühwarnsystems MIGROMAT®, z. B. bezüglich
der Betriebsdauer pro Saison oder der Verwendung von Indikatoraalen mit speziellen Charakteristika?



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Rahmen der Felduntersuchungen an der Lahn für das vorliegende Projekt wurden die telemetrisch zu besendernden Aale mit einem Mindestmaß von 50 cm Totallänge per Elektrofang dem rheinland-pfälzischen Abschnitt der Lahn entnommen und in eine mobile Hälterung überführt. Nach der individuellen Markierung von insgesamt 162 Aalen mit je einem telemetrischen Sender wurden die Fische am stromaufwärtigsten Punkt des Untersuchungsgebietes, d. h. im Oberwasser der Staustufe Hollerich wieder in die Lahn entlassen. Im Ober- und Unterwasser der sieben folgenden Staustufen in dem ca. 70 km langen rheinland-pfälzischen Unterlauf der Lahn bis zur Mündung in den Rhein waren insgesamt 14 Hydrophone exponiert. Diese Empfänger haben etwa drei Jahre lang rund um die Uhr das Abwanderverhalten besenderter Aale zeitlich und räumlich aufgezeichnet.

Im Rahmen der Markierung wurde für jeden Aal ein individuelles Protokoll angelegt, um folgende phänotypischen Merkmale möglichst vollständig zu dokumentieren:

1. Identifikationscode des Individuums anhand seines telemetrischen Senders oder PIT-Tags.
2. Totallänge auf 5 mm genau mit Messbrett gemessen.
3. Körperumfang auf 2 mm genau mit Maßband vermessen.
4. Gewicht auf 5 g genau mit einer elektronischen Waage gewogen.
5. Durchmesser des Auges in vertikaler und horizontaler Achse auf 1 mm genau
6. Länge der Brustflossen auf 2 mm
7. Erkennbarkeit dunkler Punkte, d. h. Neuromasten entlang der Seitenlinie (ja/nein)

Analog dazu, wurden über die gesamte Projektlaufzeit jährlich jeweils 60 Indikatoraale an zehn MIGROMAT® Standorten in gleicher Art und Weise erfasst und dokumentiert. Die Unterschiede bestanden lediglich darin, dass diese Aale stets aus dem Fluss stammten, an dem das Frühwarnsystem eingesetzt war, die Markierung mittels PIT-Tag erfolgte sowie das nach Ende der Betriebssaison die phänotypischen Merkmale der Aale erneut aufgenommen wurden, um eventuelle Veränderungen zu dokumentieren.

Im Anschluss wurden die Bewegungsmuster der Telemetrie Aale mit ihren dokumentierten phänotypischen Merkmalen verschnitten und die Aale aus den Frühwarnsystemen wurden auf phänotypische Veränderungen während des Zeitraums der Aalabwanderung (hier: September bis Februar) hin untersucht.



Ergebnisse und Diskussion

Die Auswertungen und Analysen haben eine Fülle wirklich neuer Erkenntnisse zur Biologie des Aals und seines Abwanderverhaltens erbracht:

1. Unter allen in der Literatur beschriebenen und im Rahmen des vorliegenden Projekts untersuchten phänotypischen Merkmalen hat sich nur die Präsenz von Neuromasten in Formschwarzer Punkte entlang der Seitenlinie als gut erkennbares und einigermaßen verlässliches Merkmal für Blankaale erwiesen.
2. Die Farbpigmente in der Haut von Aalen bestehen gemäß dem Spektrum im CMYK-Farbraumaus gelb (Y) mit etwas beigemischtem margenta (M) und schwarz (K).
3. Gelbaale weisen einen gelb-Anteil (Y) von bis zu 37 % und einen schwarz-Anteil (K) von unter 20 % auf, Blankaale hingegen haben einen messbaren gelb-Anteil (Y) von weniger als 16 % und Null Anteil an schwarz (K). Alle Aale mit dazwischen liegenden Farbanteilen sind als „intermediär gefärbt“ anzusprechen. Allerdings ist die Differenzierung der Entwicklungsstadien Gelb- und Blankaal mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
4. 19,5 % der Blankaale die 7 Monate gehältert wurden, haben wieder eine intermediäre Färbung angenommen. Hingegen haben sich nur 3 von 730 der blanken Indikatoraalen wieder gelb zurückgefärbt. Damit ist die Färbung eines „echten“ Blankaals als relativ stabil zu betrachten.
5. Auf Abwanderer in der Lahn entfielen etwa 85 % der zuvor als Blankaale angesprochenen Exemplare, die die o. g. phänotypischen Merkmale aufwiesen.
6. Allerdings haben die telemetrischen Befunde auch gezeigt, dass zwar viele der phänotypisch als Blankaal angesprochenen Exemplare, aber keineswegs alle, stromabwärts wandern.
7. Abwanderung findet keineswegs wie fischereilich tradiert beschrieben, nur im 4. Quartal eines Jahres statt, sondern auch im 2. Quartal von April bis Juni.
8. Schließlich bleibt festzustellen, dass nur 1 % der besenderten Aale die Passage von 17 Wehrstandorten mit Wasserkraftnutzung bis zur Mündung überlebt hat
9. Ferner hat sich gezeigt, dass die Besatzflucht ein methodisches Problem telemetrischer Untersuchungen darstellt, dass bisher nicht erkannt und bei der Auswertung von Bewegungsaufzeichnungen berücksichtigt wurde.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Inhalte des vorliegenden DBU Endberichtes wurden bisher nicht veröffentlicht.


Fazit

Mittels Korrelation des Abwanderverhaltens telemetrisch besenderter Aale in der Lahn, deren Färbung vor der Freilassung im Fluss subjektiv-optisch tradiert durch die Bearbeiter und physikalisch-objektiv mit einem Spektrometer untersucht worden war, wurde das Wanderverhalten der Fische in Abhängigkeit von ihren phänotypischen Merkmalen evaluiert. Danach setzt sich die bauchseitige Hautfärbung der meisten Aalev aus einer Mischung der Pigmente gelb (Y = yellow), schwarz (K = black) und magenta (M = magenta) zusammen, während blau (C = cyan) stets fehlt. Eine zutreffende optisch-subjektiv Ansprache der meisten Exemplare gelingt aufgrund der zumeist gemischten Pigmentanteile nicht. Vielmehr weisen die meisten Aale eine intermediäre Färbung auf und müssten deshalb als Gelbaale angesprochen werden. Zudem färben sich etwa 20 % der bereits intermediär gelb-silbrigen Exemplare wieder zu Gelbaalen zurück. Lediglich rein silbig-weiße Aale, die einen gelb-Anteil von weniger als 16 % bei vollständig fehlendem schwarz-Anteil in der Haut sowie deutlich erkennbare schwarze Neuromasten entlang ihrer Seitenlinie aufweisen, sollten als Blankaale bezeichnet werden. Deren Färbung hat sich zudem als stabil erwiesen. Doch auch solche Exemplare wandern nach ihrer Umfärbung vom Gelb- zum Blankaal oft erst nach Jahren stromabwärts. Ungeachtet dessen wird empfohlen, nur echte Blankaale mit den beschriebenen Farbmerkmalen als Indikatorfische für das Frühwarnsystem MITGROMAT® einzusetzen, da diese die größte Neigung zur Abwanderung gezeigt haben.

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

29.06.2021 - 28.06.2024

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik