Projekt 37374/01

Transformation des Mobilitätsverhaltens durch coronabedingte Einschränkungen und neue Erfahrungen – Analysen und transformative Forschung

Projektdurchführung

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Institut für Psychologie Abteilung für Umweltpsychologie Gebäude 24
39106 Magdeburg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mobilität ist eine wesentliche Quelle für den Treibhausgasausstoß und somit zentral in Bezug auf eine Minderung der Emissionen. Durch die COVID-19 Pandemie hat sich das Mobilitätsverhalten, sowohl im Ausmaß als auch der Art der Mobilität gravierend verändert. Mit Blick auf die große Transformation zur Nachhaltigkeit ist die zentrale Forschungsfrage: Welche Auswirkungen haben die Beschränkungen und die dadurch ermöglichten neuen Erfahrungen auf den langfristigen Trend zu Klimaschutz und nachhaltiger
Mobilität? Aus psychologischer Sicht kann erwartet werden, dass temporäre Veränderungen der alltäglichen Mobilitätssituation auch für dauerhafte Verhaltensänderungen förderlich sind; insbesondere, wenn eine ohnehin hohe Veränderungsmotivation bereits bestand, und wenn durch die temporären Veränderungen positive Erfahrungen ermöglicht werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn Forschungskomplex 1 untersuchten wir die Entwicklung von Alltags- und Urlaubsmobilität und Mobilitätsgewohnheiten sowie das Zusammenspiel mit Normen. Mit einer Längsschnittuntersuchung mit drei Befragungen im Abstand von jeweils einem Jahr (Juni/Juli 2020, Juni 2021 und Juni 2022) konnten wir das Mobilitätsverhalten von insgesamt N = 586 Personen über diesen Zeitraum analysieren.
In Forschungskomplex 2 untersuchten wir Konferenzmobilität von Wissenschaftler*innen. Mit Hilfe einer Literaturrecherche, Workshops, Expert*innengesprächen mit N = 18 Personen (Konferenzteilnehmenden und –ausrichtenden) und einer anschließenden Befragung mit N = 73 Wissenschaftler*innen wurde herausgearbeitet, welche Bedürfnisse Konferenzmobilität erfüllen muss und welche Optionen es gibt, um das Konferenzgeschehen nachhaltiger zu gestalten. In einer selbst organisierten internationalen zweitägigen virtuellen Konferenz mit N = 98 Registrierten wurden relevante Akteure wie Konferenzausrichtende, CO2-Reduktions-Initiativen und Dienstleistende in den transformativen Prozess einbezogen. Die Konferenz diente der Präsentation und Diskussion wissenschaftlicher Erkenntnisse, dem Austausch miteinander und dem Erleben alternativer Konferenzformate und -plattformen. Abschließend wurden Maßnahmen zur Reduktion der Konferenzmobilität entwickelt und diskutiert.


Ergebnisse und Diskussion

Die Analyse des Mobilitätsverhaltens zeigte einen übergreifenden Rückgang individueller Mobilität im ersten Jahr der Corona-Pandemie (Juli 2020 – Juni 2021) im Vergleich zum Vorjahr (Juli 2019 – Juni 2020) und eine erneute Zunahme im Folgejahr (Juli 2021 – Juni 2022). Vom Vorjahr der Pandemie bis zum zweiten Jahr der Pandemie zeigten sich eine signifikant geringere Nutzung des Autos im Alltag und des Flugzeuges für Urlaubsreisen – bei den anderen Verkehrsmitteln gab es keine überdauernden Veränderungen. Gründe für die reduzierte Flugzeugnutzung waren v. a. die Attraktivität naher Reiseziele, das Sicherheitsgefühl in Deutschland, hohe Kosten von Fernreisen sowie Klima-und Umweltschutzgründe.
Die Untersuchung von Mobilitätsgewohnheiten, welche ein starker Prädiktor für Mobilitätsverhalten sind, zeigte einen Rückgang der Gewohnheit der ÖV-Nutzung von 2020 auf 2021, von 2021 zu 2022 dann jedoch wieder eine signifikante Zunahme. Insgesamt zeigte sich über den Zeitraum von 2020 bis 2022 eine signifikante Zunahme, sowohl bei der Alltags- als auch Urlaubsmobilität. Gleichzeitig zeigte sich eine signifikante Reduktion der Gewohnheit der Autonutzung über diesen Zeitraum im Alltag und für Urlaubsreisen. Diese Veränderungen spiegelten sich auch in Wünsche und Vorstellungen des zukünftigen Mobilitätsverhaltens wider und lassen darauf hoffen, dass sich der Trend in Richtung nachhaltigerer Mobilität weiter fortsetzen wird. Analysen zum 9-Euro-Ticket bestätigten dieses als Möglichkeit zur Stärkung des Trends und gaben Hinweise auf eine Zunahme der Gewohnheit der ÖV-Nutzung bei Käufer*innen des Tickets.
Die Untersuchungen zu wissenschaftlicher Konferenzmobilität stellten verschiedene inhaltsbezogene und soziale Bedürfnisse hinsichtlich einer Konferenzteilnahme heraus, wobei v. a. die Inspiration für die eigene Forschung, der informelle Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen und das Netzwerken in den Vordergrund gestellt wurden. Die Bereitschaft zur Reduktion der Konferenzmobilität war recht hoch ausgeprägt (v. a. unter jüngeren Forschenden). Jedoch wurde deutlich, dass die Verantwortung nicht nur bei den Individuen liegt, sondern auch Veränderungen im akademischen System nötig sind und Akteure wie Universitäten, Konferenzausrichtende und Fördergebende ebenfalls handeln müssen. Es wurden Ideen zusammengetragen, um die Funktionen, die Konferenzen erfüllen, in einer nachhaltigeren Weise zu erfüllen und Prinzipien zur Gestaltung virtueller Konferenzen erarbeitet.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projektergebnisse wurden durch verschiedene Präsentationen und Veröffentlichungen in disziplinären sowie inter- und transdisziplinären Kontexten verbreitet:
- Präsentation und Diskussion im Rahmen des Symposiums „The future of international conferences in times of rapid decarbonization“ bei der International Conference on Environmental Psychology in Oktober 2021
- Posterpräsentation „Die Zukunft von Konferenzen – Perspektiven aus der Psychologie Community“ auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie im September 2022
- Durchführung einer zweitägigen internationalen virtuellen Konferenz „Sustainable Conference Design of the Future“ im Januar 2023 mit daraus hervorgegangenem Konferenz- und Erfahrungsbericht
- Projektvorstellung im Rahmen des Launches der sci-an Plattform für virtuelle Konferenzen im März 2023
- Anfertigung des Papers „Toward enhanced sustainability in higher education: The role and design of virtual conferences“ (Holzen & Matties, under review)
- Vorbereitung des Papers „The role of habit for changes in travel mode choice in times of COVID-19: Empirical results from a longitudinal study in Germany“ (Holzen et al., in Vorbereitung)


Fazit

Im Rahmen des Projekts zeigten wir, dass sich das Mobilitätsverhalten, Gewohnheiten in der Alltags- und Urlaubsreisemobilität und Wünsche für zukünftiges Mobilitätsverhalten über den Verlauf der Pandemie verändert haben, längerfristig aber in Richtung nachhaltiger Mobilität deuten.
Bezüglich wissenschaftlicher Konferenzmobilität konnten wir Bedürfnisse und Erwartungen herausarbeiten und haben mit verschiedenen Akteuren aus dem Themenfeld nachhaltigere Konferenzformate beleuchtet und Maßnahmen zur Umsetzung entwickelt.

Übersicht

Fördersumme

119.270,00 €

Förderzeitraum

15.02.2021 - 14.04.2023

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter