Projekt 37097/01

Modellvorhaben Parkschadensbericht. Zustandserfassung der Schäden an Gehölzen in historischen Parks in Deutschland infolge des Klimawandels

Projektdurchführung

Technische Universität Berlin FG Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung
Königin-Luise-Str. 22
14195 Berlin
Telefon: +49 30 314 71275

Zielsetzung

Infolge der extremen Wetterphänomene der Jahre 2017, 2018 und 2019 kam es zu massiven Schädigungen in den historischen Parks und Gärten Deutschlands. Vielfach betroffen sind wertvolle alte Gehölze. Bekannt geworden sind Astbrüche, Zusammenbrüche und Entwurzelungen von Einzelbäumen. Auch das Absterben ganzer Baumgruppen und –bestände wurde berichtet.
Als primäre Ursache scheinen die Extremwetterereignisse und –perioden verantwortlich zu sein, die als Teil des einsetzenden Klimawandels gedeutet werden. Sekundär kommen vielfach Schaderreger (Pilze, Bakterien, Schadinsekten) hinzu. Es wird damit gerechnet, dass es in Zukunft zu weiteren und vermehrten Schäden kommen wird.
Obwohl dieses Thema immer wieder von verschiedenen parkpflegenden Institutionen (vor allem den großen Stiftungen und staatlichen Gartenverwaltungen) thematisiert wird, gibt es bislang nur Einzelberichte. Es fehlt eine umfassende Dokumentation und Auswertung zu den Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Parks und Gärten in Deutschland. Weder kann die Gesamtsituation objektiv beurteilt werden, noch ist ein Vergleich der Entwicklungen über die Jahre hinweg zu leisten. Bislang ist auch unklar, welche Art von Bäumen besonders geschädigt wurden. Auch wissen wir nicht, ob alle Teile Deutschlands gleichermaßen betroffen sind. Erst wenn diese Aufarbeitung bereitsteht, wird zu erkennen sein, wie groß die Schäden wirklich sind, welche Maßnahmen ergriffen werden können und welche finanziellen Mittel hierfür in Zukunft erforderlich sein werden.
Hauptziel des Projektes ist es daher das Ausmaß und die Qualität der in den letzten Jahren eingetretenen Schädigungen der Baumbestände in historischen Parks und Gärten in ganz Deutschland zu erfassen und darzustellen. Insbesondere soll eine verlässliche Daten- und Diskussionsgrundlage geschaffen werden und damit auch die Basis zur Entwicklung einer Strategie, mit der diesen Entwicklungen begegnet werden kann.

Arbeitsschritte

Für die Untersuchung wurde auf digitalisierte Baumkatasterdaten zurückgegriffen, die im Sinne der rechtlich gebotenen Verkehrssicherung von den zuständigen Stellen erhoben werden. Dabei werden Bäume durch systematische Inaugenscheinnahme (mit einfachen Werkzeugen ohne technische Hilfsmittel) auf verkehrsgefährdende Schäden an Wurzel, Stamm und Krone regelmäßig untersucht. Insgesamt konnten Datensätze von 61 Parkanlagen aus 11 Bundesländern einbezogen werden. Noch findet sich nicht in allen Verwaltungen eine digitale Datenhaltung in Form einer Datenbank, so dass nicht alle historisch bedeutsamen Parkanlagen in Deutschland einbezogen werden konnten.
Aus den vorhandenen Daten wurde eine Analyse des Istzustands hergestellt. Es gibt vergleichende Steckbriefe aller Parkanalgen. Ausgewertet wurde die Vitalität der einzelnen Baumarten, der Zustand der Parkanlagen gesamt und die Abhängigkeit des Zustands von den Umweltparametern (Trockenheit, Hitze in den letzten Jahren, Dürregefährdung).
Nur wenige Verwaltungen konnten Daten von vergangenen Erhebungszeitpunkten zur Verfügung stellen, da die Daten mit den Kontrollen fortlaufend erneuert und in der Regel alte Angaben überschrieben werden. Die eigentlich geplante Zeitreihenanalyse war anhand der Katasterdaten also nicht möglich. Um dennoch einen Vorher-Nachher Vergleich bezüglich des Zustandes der Gehölze während die Hitzejahre 2018 bis 2020 anstellen zu können, wurde auf Spektraldaten der Raumfahrtmission Sentinel-2 des Copernicus Programms der ESA zurückgegriffen. Eine solche Vitalitätsanalyse mittels des Vegetationsindex NDVI konnte für 9 Parkanlagen durchgeführt werden. So konnten zusätzlich zu der Katasterdatenauswertungen eine Bilanz für das vergangene Dürre-Hitze-Extremereignis erfolgen.

Ergebnisse

Insgesamt liegen Datensätze von 61 Parkanlagen aus elf Bundesländern vor. Historische Parks und Gärten sind ein Hotspot der biologischen Vielfalt. 543 verschiedene Baumarten bzw. Hybriden finden sich in den Katasterdaten der 61 untersuchten Anlagen. 157 323 Bäume konnten insgesamt erfasst werden. 64 203 davon waren nicht bzw. kaum beeinträchtigt (ca. 41 %), 78 522 leicht bis mittelstark beeinträchtigt (ca. 50 %), 14598 waren schwer beeinträchtigt bis tot (ca. 9 %). Das bedeutet: 59 % aller Bäume in diesen historischen Parkanlagen zeigten 2022 Beeinträchtigungen.
Die Anzahl der geschädigten Bäume schwankte stark, es sind keine räumlichen Tendenzen sichtbar. Besonders viel geschädigte Bäume (100 %) weisen die Anlagen in Bad Liebenstein/Park Altenstein, Berlin/Schlosspark Schönhausen, Eisenach/Wilhelmsthal Und Erfort/Molsdorf auf.
Auch bei den Baumarten gab es unterschiedliche Schädigungsstufen. Die Unterschiede konnten nicht mit ihrerTrockenheitstoleranz in Übereinstimmung gebracht werden. Auffallend gute Werte gab es für Fraxinus angustifolius, Gingko biloba, Ilex aquifolium, Juniperus virginiana, Koelreuteria paniculata, Laburnum anagyroides, Liquidambar styraciflua, Parrotsia persica, Platanus x acerifolia, Sorbus torminalis, Tilia x vulgaris. Auffallend schlecht dagegen schnitten Acer negundo, Fraxinus americana, Quercus petraea, Robinia pseudoacacia, Ulmus laevis ab. Bei den Eichen waren die fremdländischen Arten (Quercus cerris, Q. coccinea, Q. frainetto, Q. imbricata, Q. palustris) in der Regel besser (48-58 % ungeschädigt) als die heimischen Arten (Quercus petraea, Q. robur; 14 bzw. 28 % ungeschädigt). Die sogenannten Zukunftsbaumarten, also Arten, die für den Klimawandel in Deutschland favorisiert werden, schnitten in der Regel besser ab.
In 9 Anlagen konnte die Vitalität von 2017 mit der von 2020 verglichen werden. In allen Anlagen nahm die Gesundheit der Gehölzbestände während dieses Zeitraums ab. Besonders starke Beeinträchtigungen gab es im Hamburger Jenischpark, im Park von Schwetzingen, im Rotehornpark in Magdeburg und im Großen Garten in Dresden. In Sanssouci in Potsdam und in Schloss Dyck konnten einzelne, abgängige Bereiche identifiziert werden. Wenig Veränderungen dagegen gab es im Englischen Garten in München.

Öffentlichkeitsarbeit

Zeitungsartikel
28 Zeitungsartikel in regionalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften

Radiointerviews
6 Rundfunkinterviews

Fernsehbeiträge
4 Fernsehinterviews (live) und Beiträge für Sendungen

Vorträge:
- 1. Kolloquium der Fachgruppe Gärten der AG Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) 24. und 25.08.2022 in Wörlitz
- Schweizer Baumtagung 2022 am 24.11.2022 in Wädenswil
- Workshop Gartenkunst im Dialog. Gärten der Welt. 24.11.2022
- Webinars "Trees in Historic Gardens in Climate Change" am 10.01.2023.
- 2. Kolloquium der Fachgruppe Gärten der AG Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) 31.05. bis zum 2.06.in München
- ÖGHG - der Österreichischen Gesellschaft für Historische Gärten. Wien. 21./22.09.2023
- 5. Mitgliederversammlung Initiativbündnis historische Gärten im Klimawandel 17.01.2024
- Perspektiven Gartenerbe. Universität Hannover. 06. März 2024
- 3. Kolloquium der Fachgruppe Gärten der AG Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) 21.06.2024 in Bad Muskau

Veröffentlichungen
Kühn, N., 2022: Gehölzbestand historischer Gärten in Zeiten des Klimawandels. Der gartenbau 2/2022, 28-31.
Wörner, A., Kühn, N., 2023: Parkschadensbericht – erste Erkenntnisse zum Zustand der Bäume in historischen Gärten. ProBaum 3/2023, 2-7.

Fazit

Der Parkschadensbericht stellt erstmals eine Grundlage her, um zielführend an einer Strategie zur Erhaltung dieses Kulturgutes arbeiten zu können. Im Laufe der Arbeit konnten weitere Handlungsfelder identifiziert werden. Es werden folgende Empfehlungen gegeben:

Forderungen an die Politik
• Höherer Stellenwert historischen Park- und Gartenanlagen bei der Berücksichtigung klimawandelbedingter Schäden und Anpassungen
• Stärkere finanzielle Förderung der historischen Gärten

Empfehlung für den Gesamtbericht
• Regelmäßige Wiederholung des Parkschadensberichts
• Ausweitung der Fernerkundungsüberwachung auf historische Parks und Gärten

Datenerhebung bei den pakrleitenden Institutionen:
• Insgesamt eine Verbesserung der digitalen Datenerfassung
• Vereinheitlichung der Erhebungsmethoden zur Vitalitätserfassung, Erfassung des Alters der Pflanzen
• Archivierung der Datenhistorie, um Zeitreihenanalysen durchführen zu können

Datendefizite:
• Weitgehendes Fehlen hydrologischer und bodenkundlicher Messdaten in historischen Parks, um sie mit den Bestandesdaten der Gehölze zu korrelieren
• Historische Belege für Kauf, Aufzucht, Pflanzung und Pflege der vorhandenen Gehölze, um mehr über die historischen Bezugsquellen der Gehölze zu erfahren

Forschung:
• Performance der Klimabäume in historischen Parkanlagen
• Erforschung von Herkunft und Genetik der Gehölze in historischen Gärten
• Jahrringanalysen zur konkreten Korrelation von Wachstum und Trockenstress

Übersicht

Fördersumme

124.549,00 €

Förderzeitraum

23.11.2020 - 31.03.2024

Bundesland

Berlin

Schlagwörter