Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Didaktik der Biologie
Institut für Organismische und Molekulare
Evolutionsbiologie (iomE)
Johannes-von-Müller-Weg 6
55128 Mainz
Das Projekt WinUM 2.0 ist ein Kooperationsprojekt der AG Didaktik der Biologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Prof. Dr. Daniel Dreesmann & Dr. Liane Becker) und dem Institut für Modellierung und Systemanalyse der Hochschule Geisenheim University (Prof. Dr. Katrin Kahlen & Benjamin Spehle, M.Sc.).
Der Weinberg als Ökosystem und die Weinrebe Vitis vinifera sind ausgezeichnete Modelle, um die Folgen des Klimawandels auf vielfältige Weise und unter Berücksichtigung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Unterricht unmittelbar sichtbar zu machen. Nicht nur in den Anbauregionen des Rhein-Main-Gebietes, wo Weinbau eine hohe Alltagsrelevanz hat, können Einflüsse des Klimawandels auf Ebene des Ökosystems und auf Ebene der Weinrebe als Modellpflanze thematisiert werden. Bezüge zu biologischen und landwirtschaftlichen Themen sind vielfältig und berühren neben ökologischen und biologischen Aspekten auch soziale und ökonomische Komponenten. Modellierungen und Computersimulationen zu möglichen Veränderungen im Ökosystem Weinberg als Folgen des Klimawandels können hierbei entsprechende Lösungsoptionen aufzeigen. In Kombination mit Echtbegegnungen im Weinberg als außerschulischem Lernort lassen sich auf diese Weise auch aktuelle Forschungsergebnisse berücksichtigen.
In diesem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben soll durch die Entwicklung von schultauglichen Computersimulationen zum virtuellen Weinberg in Verbindung mit passgenauen Unterrichtsmedien für den Biologieunterricht der gymnasialen Oberstufe ein neuer Ansatz zur schulischen Vermittlung des Themas Klimawandel etabliert werden, der ausgehend von heute einen wissenschaftlich begründeten Blick in die Zukunft wirft und unter Verwendung von fachlichen Zusammenhängen (Ökologie, Physiologie) einen multiperspektivischen Zugang im Biologieunterricht ermöglicht; dieser soll durch fächerverbindende Ansätze (Erdkunde, Politik, Mathematik, Ethik) sinnvoll erweiterbar sein.
Dabei wird aus mehreren Gründen der Schwerpunkt der abiotischen Umweltfaktoren der Simulationen auf Temperatur gelegt, weil diese von Schülerinnen und Schülern unter Verwendung entsprechender Messtechnik einfach im Ökosystem Weinberg nachvollzogen werden kann. Zudem gibt es für den dem WinUM 2.0-Simulation Tool zugrunde liegenden Standort Geisenheim Klimadaten, die bis in das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen.
Um das Projektziel zu erreichen, wurden die Projektmodule und digitalen Werkzeuge in einem strukturierten Prozess entwickelt und erprobt. Zunächst erfolgte im Rahmen von Arbeitspaket 1 die Planung und inhaltliche Entwicklung der Basis- und Aufbaumodule, die als Grundlage für die weiteren pädagogischen Konzepte dienten. Im Anschluss wurden in Arbeitspaket 2 geeignete fachliche Methoden ausgewählt und die Basis- und Aufbaumodule in einer Pilotphase an einem Gymnasium erprobt und evaluiert. Arbeitspaket 3 widmete sich der Erarbeitung von Methoden zur Nutzung des Modells Virtueller Riesling (ViRi, Schmidt et al. 2019) und der Simulationssoftware GroIMP, um Schülern den Umgang mit diesen Tools zu ermöglichen. Im Anschluss wurde im Arbeitspaket 4 ein Prototyp einer benutzerfreundliche grafische Benutzeroberfläche (GUI) mithilfe der Shiny App entwickelt, und es entstand das Basismodul "Simulationen – Chancen und Grenzen", das den Schülern die Möglichkeiten und Einschränkungen von Simulationen nahebringen sollte. Für die erste Haupterprobung wurden in Arbeitspaket 5 das Basismodul und ein erstes Aufbaumodul vorbereitet, die im zweiten Schulhalbjahr 2021/2022 getestet wurden. In Arbeitspaket 6 fand die erste schulische Haupterprobung in fünf Lerngruppen unterschiedlicher Schulformen statt, begleitet von einer Evaluation zur Untersuchung der Wirksamkeit und Eignung der Materialien. Nach der ersten Haupterprobung wurden die Ergebnisse der Evaluation in Arbeitspaket 7 ausgewertet, die Materialien überarbeitet und Laptops für Lehrerworkshops vorbereitet. Im Zuge von Arbeitspaket 8 erfolgte die Vorbereitung auf die zweite schulische Haupterprobung, einschließlich eines Workshops für Lehrkräfte zur Einarbeitung in die optimierten Materialien. Arbeitspaket 9 konzentrierte sich auf die Anpassung und mögliche Erweiterung der Computersimulationen und der Applikation für die zweite Erprobung. Abschließend fand im Rahmen von Arbeitspaket 10 die zweite schulische Haupterprobung in verschiedenen Schulformen statt, begleitet von einer weiteren Evaluation zur Überprüfung der Module. Dieser schrittweise und evaluative Ansatz ermöglichte es, die entwickelten Materialien kontinuierlich zu optimieren und gezielt auf die Bedürfnisse von Schülern und Lehrkräften anzupassen.
Schmidt D, Bahr C, Friedel M, Kahlen K (2019) Modelling approach for predicting theimpact of changing temperature conditions on grapevine canopy architectures. Agronomy, 9(8), 426.
Auf der Grundlage des Pflanzenmodells Virtueller Riesling (ViRi) wurde eine vereinfachte Benutzeroberfläche für den Einsatz eines virtuellen Weinbergs in der Lehre (Mittel- und Oberstufe Gymnasium) erarbeitet. Die Simulationsergebnisse werde mit der Modellierungsplattform GroIMP erzeugt und mit Hilfe einer vereinfachten Benutzeroberfläche gesteuert und dargestellt. Die vereinfachte Benutzeroberfläche wurde mit Hilfe von R Shiny programmiert.
Es wurden Anforderungen an eine stark vereinfachte GUI vereinbart, die die Simulation virtueller Weinberge mit Bezug zum Klimawandel basierend auf Virtual Riesling und GroIMP im schulischen Einsatz ermöglichen sollen. Diese GUI sollte extrem robust in der Anwendung sein sowie einerseits autark, d.h. ohne Internetverbindung, und somit lokal auf den Rechnern installiert und betrieben werden können.
Die Prototyp-GUI ermöglicht die Auswahl Weinbau- und Klimafolgen-relevanter Eingabe-Parameter. Die Größe des Weinbergs kann durch die Auswahl der Anzahl an Reihen, Reihensegmenten und Pflanzen definiert werden. Außerdem können Wetterdatensätze anhand der Jahreszahl sowie der Simulationsstart und -ende anhand der Tagnummer eines Jahres ausgewählt werden. Die Ausgabe der Simulation umfasst eine graphische Darstellung des Weinberges am Ende der Simulation sowie einen Graphen zur Größe der Blattfläche über die Simulationsdauer. Eine weitere Schaltfläche für den Start einer zweiten Simulation ermöglicht einen ersten direkten Vergleich verschiedener Szenarien.
Umfassende Tests des Prototyps durch die Projektpartner, in Lehrkräfteworkshops und in den schulischen Erprobungen, haben im Ergebnis zur Erstellung von zwei Versionen des WinUM 2.0-Simulationstools geführt:
• Vollversion, die lokal auf einem Rechner installiert werden muss; sie enthält alle Features.
• Online-Version, die gegenüber der Vollversion reduzierte Auswahlmöglichkeiten hat, dafür jedoch mit einem Webbrowser auf Tablets und Computern genutzt werden kann.
Anhand der Weinrebe als Modellorganismus und des Weinbergs als Modellökosystem erkennen Schülerinnen und Schüler im Rahmen von vier neu entwickelten Projektmodulen rund um den virtuellen Weinberg grundlegende Wachstums- und Entwicklungsprozesse einer mehrjährigen Kulturpflanze. Hierbei können sie komplexe Wechselbeziehungen innerhalb eines Ökosystems unter sich verändernden Klimabedingungen mit Hilfe des WinUM 2.0-Simulation Tool nachvollziehen.
Eine Projekthomepage ist online erreichbar (Webadresse: www.winumzweipunktnull.de).
Hompage des Projekts "WinUM 2.0"AG Didaktik der Biologie | JGU MainzInstitut für Modellierung und SystemanalyseHochschule Geisenheim University | HGUIm Kooperationsprojekt WinUM 2.0 der Hochschule Geisenheim University und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurden erfolgreich die fachlichen Grundlagen sowie die methodischen Erklärungen entwickelt, damit Lehrkräfte mit ihren Lerngruppe Computersimulationen im virtuellen Weinberg durchführen können. Beide Versionen des Tools „WinUM 2.0-Simulation“, eine Vollversion und eine reduzierte Online-Version, sind für den Biologieunterricht der Oberstufe geeignet. Der virtuelle Weinberg kann, auch in Verbindung mit einer Exkursion in einen natürlichen Weinberg, somit optimal in die Lehrpläne des Faches Biologie der Sekundarstufe II eingeordnet werden.
Durch das Arbeiten im virtuellen Weinberg erlernen Schülerinnen und Schüler den fachgerechten Umgang mit dem digitalen Medium Computersimulation, generieren selbständig Daten ausgehend von einer Problemstellung und vergleichen diese Daten anschließend miteinander. Auf Basis der Datenauswertung können die Ergebnisse in den Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel gesetzt und zeitgemäße ökologische Fragestellungen beantwortet und reflektiert werden.