Projekt 37003/01

Der Beitrag naturwissenschaftlicher Bildung beim Umgang mit Nachhaltigkeitsherausforderungen (NABINA)

Projektdurchführung

Universität Zürich Institut für Erziehungswissenschaft Didaktik der Naturwissenschaften und der Nachhaltigkeit
Kantonsschulstr. 3
CH-8001 Zürich

Zielsetzung

Bei "NABINA – Der Beitrag naturwissenschaftlicher Bildung beim Umgang mit Nachhaltigkeitsherausforderungen" handelt es sich um ein innovatives empirisches Forschungsprojekt im Bereich Bildungs- und Fachdidaktikforschung, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) von Januar 2021 bis Dezember 2023 gefördert wurde.
Die aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen im Umweltschutz und der Nachhaltigkeit erfordern eine umfassende naturwissenschaftliche Allgemeinbildung. Die Entwicklung einer verantwortungsbewussten Haltung gegenüber diesen Herausforderungen, insbesondere im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich, wird in europäischen Bildungs- und Wissenschaftsprogrammen betont. Dies betrifft nicht nur individuelle Entscheidungen im Alltag, sondern auch die politische Partizipationsfähigkeit von informierten Bürger:innen, insbesondere von Personen in einflussreichen Positionen.
Im Rahmen des Projekts NABINA untersuchen wir empirisch das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlicher Grundbildung und politischer Partizipationsfähigkeit. In einer qualitativen Interviewstudie wurden 15 Verantwortungsträger:innen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu ihren schulischen Naturwissenschaftskenntnissen und deren Einfluss auf ihre Entscheidungsprozesse in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen befragt. Die Untersuchung zielte darauf ab, herauszufinden, wie der Naturwissenschaftsunterricht auf Gymnasialstufe Personen ohne naturwissenschaftliches Hochschulstudium im weiteren Lebensverlauf prägt. Wir analysieren, welchen Beitrag die schulische Bildung zu einem gesteigerten Bewusstsein für nachhaltigkeitsrelevante Probleme leistet und wie gut sie Personen in der Informationsbeschaffung und Nachvollziehbarkeit technischer und wissenschaftlicher Aspekte von Nachhaltigkeitsherausforderungen befähigt. Die Forschungsfragen konzentrieren sich auf das geforderte naturwissenschaftliche Wissen für Personen in einflussreichen Positionen sowie auf das tatsächlich genutzte Wissen bei Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Studie sucht auch nach Narrativen, die die Verknüpfung von naturwissenschaftlichem Wissen, der Entwicklung von Nachhaltigkeitsbewusstsein und aktuellen Entscheidungen bei Verantwortungsträgern erklären. Insgesamt ist das Projekt NABINA sowohl ein Beitrag zur Forschung in der Naturwissenschaftsdidaktik als auch zur Bildungspolitik.

Arbeitsschritte

AP 1: Projektmanagement
Das Projekt wurde fortlaufend überprüft, um Zeitplan, Budget und Qualität zu sichern. Die Projektkoordination diente der Qualitätssicherung durch interne Forschungswerkstätten. Das Forschungsdesign wurde durch regelmäßige Kodiersitzungen gestärkt, um dem Gütekriterium der Intersubjektivität gerecht zu werden.

AP 2: Erarbeitung Interviewleitfaden
Die halboffenen Fragen ermöglichten eine einheitliche, semi-strukturierte Gesprächsführung. Der Leitfaden wurde überarbeitet, extern validiert und durch Pre-Test-Interviews gestärkt.

AP 3: Auswahl der Verantwortungsträger:innen und Zusammenstellung des Interviewpanels
Die Auswahl erfolgte anhand folgender Kriterien: Die Person hatte:
1. eine einflussreiche, hochrangige Position inne.
2. keine formale Ausbildung in Naturwissenschaften.
3. bereits nachweislich zur Entscheidungsfindung in Fragen der Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit beigetragen.

AP 4: Interviewdurchführung
15 Interviews mit Entscheidungsträger:innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Umwelt- und Sozialethik für globale nachhaltige Entwicklung wurden zwischen 2021 und 2022 über Zoom geführt. Leitfadenanpassungen und Panelerweiterung erfolgten.

AP 5: Auswertung und Analyse der Interviews
Die Interviewaufnahmen wurden manuell transkribiert. Anschließend erfolgte eine inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse, die in den Gesamtkorpus der Studie integriert wurde. Die Daten wurden mit theoriebasierten Kompetenzmodellen analysiert, wobei die Interrater-Reliabilität durch die gleichzeitige Kodierung von mindestens zwei Teammitgliedern sichergestellt wurde.

AP 6: Ergebniskommunikation Berichtlegung und wissenschaftliche Publikation der Studie NABINA
Die Aufbereitung der Ergebnisse richtete sich an (angehende) Lehrpersonen und Dozierende in Naturwissenschaftsdidaktiken, erreicht durch Publikationen in Unterrichtszeitschriften, Weiterbildungsangebote und an wissenschaftlichen Tagungen. Die Ergebnisse wurden in peer-reviewed Journals publiziert.

AP 7: Verbreitung und Implementierung der Ergebnisse in der Aus- und Weiterbildung von angehenden Lehrpersonen
Die Ergebnisse der Studie, relevant für (angehende) Lehrpersonen und Dozierende in Naturwissenschaftsdidaktiken, wurden über Publikationen in Unterrichtszeitschriften, Konferenzbeiträge, Workshops vermittelt. Die Ergebnisse sind in einem Onlinekurs "Nachhaltigkeit lehren lernen" auf der Plattform Coursera zur kostenfreien Nutzung verfügbar.

Ergebnisse

Die ausgewerteten Interviews des NABINA-Projekts bieten wertvolle Erkenntnisse für die Lehrer:innenbildung an Gymnasien, die in wissenschaftlichen Artikeln und auf Konferenzen vorgestellt wurden. Ein Dissertationsprojekt, das 2024 abgeschlossen wird, vertieft diese Erkenntnisse weiter. Die von Wiek et al. (2011) vorgeschlagenen Nachhaltigkeitskompetenzen haben sich als nützliche Analyseperspektive erwiesen. Gespräche mit Entscheidungsträger:innen zeigten, dass diese über normative Kompetenzen verfügen, die sie bei komplexen und unsicheren Entscheidungen unterstützen. Ihr umweltrelevantes Handeln basiert auf einem Abgleich wissenschaftlicher Erkenntnisse mit einem Wertesystem.
In der gymnasialen Naturwissenschaftsbildung ist ein verstärktes Systemdenken und eine Neukonzeption des Fachwissens erforderlich. Anstatt isolierte Fakten zu vermitteln, sollte das Wissen themenübergreifend und abstrakter präsentiert werden. Zukünftige Verantwortungsträger:innen brauchen ein breites Wissen, unterstützt durch spezialisierte wissenschaftliche Berater:innen.
Die Heuristik der "Großen Transformation" (Polanyi 2019; Schneidewind & Augenstein 2016) ist eine wichtige Entscheidungshilfe für nachhaltigkeitsorientierte Verantwortungsträger:innen. Empirische Befunde zeigen, dass effektive, nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungen meist in der public sphere (Stern 2000) getroffen werden, mit Fokus auf politische Partizipation und Verantwortung für größere Kollektive. Sie bevorzugen ordnungsrechtliche Strategien und staatliche Steuerung über technologische Innovationen und Marktmechanismen.
Das NABINA-Projekt trägt zur Umweltentlastung bei, indem es auf Entscheidungen in der public sphere fokussiert, im Gegensatz zu der Mehrheit an Initiativen der Umweltbildung, die auf persönliche Verhaltensänderungen abzielen. Es bietet eine systemische Perspektive in der Bildung für nachhaltige Entwicklung und konzentriert sich auf Entscheidungsträger:innen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Das Projekt zielte darauf ab, die politische Partizipationsfähigkeit der Bürger:innen zu stärken, indem es relevante Wissens- und Könnenselemente für nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungen identifiziert.

Öffentlichkeitsarbeit

Das Kernergebnis des Projekts NABINA manifestiert sich in einem Kompetenzset und potenziellen Inhalten, die für nachhaltiges Handeln in der gesellschaftspolitischen Dimension von Bedeutung sind. Zur breiteren und gleichzeitig zielgerichteten Veröffentlichung dieser Ergebnisse erfolgte eine Aufbereitung für ein diverses Publikum. Insbesondere wurden (angehende) Lehrpersonen und Dozierende in den Naturwissenschaftsdidaktiken an Hochschulen durch Publikationen in Zeitschriften sowie entsprechende Weiterbildungsangebote angesprochen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgte in peer-reviewed Journals, um einen hohen wissenschaftlichen Impact zu gewährleisten und die Resultate für nachfolgende Forschungsarbeiten nutzbar zu machen. Zusätzlich zu schriftlichen Beiträgen in internationalen Fachzeitschriften resultierten aus den Projekterkenntnissen einer Vielzahl an Konferenzbeiträgen. Diese trugen unmittelbar dazu bei, die Weiterbildung zur Förderung des MINT-Unterrichts für Lehrende im schulischen und außerschulischen Bereich zu bereichern und den Naturwissenschaftsunterricht entlang nachhaltigkeitsrelevanter Wissens- und Könnenselemente auszurichten. Parallel dazu wurde ein MOOC auf der Lernplattform Coursera veröffentlicht.

MOOC: "Nachhaltigkeit lehren lernen"

Fazit

Effektive nachhaltige Entwicklungen entstehen eher durch systemische Transformationen als durch individuelle Konsumentscheidungen. Bildungsinitiativen konzentrieren sich oft auf individuelle Handlungsentscheidungen. Viele Akteure fühlen sich angesichts der komplexen Pfadabhängigkeiten ohnmächtig, doch erfahrene Entscheidungsträger:innen setzen durch ihre politische Erfahrung und Bildung Schritt für Schritt nachhaltige Maßnahmen durch. Ihre Kombination aus Nachhaltigkeitskompetenzen, Wertegeleitheit und wissenschaftlicher Evidenz befähigt sie, Herausforderungen zu meistern.
Die Schlussfolgerung für die Nachhaltigkeitsbildung ist, dass politische Bildung stärker einbezogen werden muss. Schüler:innen sollten lernen, wie wichtig politische Entscheidungen und Prozesse für den Klimaschutz sind und wie sie als Individuen auf verschiedenen Ebenen mitwirken können. Partizipation hat großen Einfluss, z.B. durch Proteste oder Petitionen. Ergänzend zum Desiderat, die politische Bildung verstärkt in BNE-Initiativen miteinzubeziehen, soll nicht nur aktives politisches Engagement gefördert werden, sondern auch ein grundlegendes Verständnis für die Dynamiken und Zeitskalen demokratischer Prozesse.

Übersicht

Fördersumme

123.688,00 €

Förderzeitraum

01.02.2021 - 04.12.2023

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Landnutzung
Naturschutz
Umweltkommunikation