Als Folge des industriellen Aufschwungs nach dem 2. Weltkrieg gekoppelt mit dem Fortschrittsglauben, langlebige Produkte entwickeln zu können, kamen moderne synthetische Materialien (Kunststoffe) ohne lange zu prüfen, ob sie geeignet sind, zum Einsatz bei Sanierungs-, Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten zum Erhalt in der Baudenkmalpflege.
Die hohe anthropogene Umweltbelastung durch Schadgase bis in die 1990er Jahre und ihr Eintrag als trockene und nasse Deposition mit entsprechenden Säurereaktionen führte zu beschleunigten Alterungsprozessen besonders bei synthetischen organischen Molekülen, die gegenüber Oxidations-, photochemischen Prozessen und Säureangriffen besonders anfällig sind.
Es kam zu Verfärbungen, Schwund- und Rissbildungen, Abplatzungen und Auswitterungen bis hin zu mechanischem Versagen von synthetischen Festigungsmittel, Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen und anderen zum Kulturgüterschutz eingesetzten Materialien.
Die eingebrachten und nun gealterten Substanzen stehen in direktem Kontakt mit dem Originalmaterial und sind größtenteils in sie eingedrungen.
So stehen die Verantwortlichen der damals behandelten Objekte heute häufig vor dem großen Problem, wie sie mit den schädigenden Altrestaurierungen unter Beibehaltung der Originalsubstanz umgehen sollen.
Im Rahmen des Projekts werden innovative Methoden entwickelt und modellhaft an Objekten, die mit synthetischen Polymeren zum Kulturgüterschutz behandelt bzw. restauriert worden sind, angewendet und die Ergebnisse breit kommuniziert.
Bevor die Methoden zum Umgang mit den Altrestaurierungen entwickelt werden können, muss zunächst ausführlich untersucht werden, welche synthetischen Materialien wo aufgebracht worden und wie eingedrungen sind und zu welchen Schäden sie beigetragen haben. Daher gliedert sich das Projekt in 3 Stufen:
1. Entwurf und Anwendung einer noch nicht existierenden, systematischen Herangehensweise für die Untersuchung von durch Umwelteinflüsse degradierten synthetischen Konservierungs- und Restaurierungsmaterialien (Kunststoffen) an Baudenkmalen.
2. Entwicklung von innovativen Verfahren und Methoden zum Umgang mit „Altrestaurierungen“ und deren modellhafte Umsetzung an ausgewählten Praxisobjekten.
3. Überregionale zweisprachige Verbreitung des Wissens zu synthetischen Materialien in der Baudenkmalpflege, deren Alterungsverhalten unter anthropogener Umweltbelastung und zu Möglichkeiten des Umgangs mit schädigenden Altrestaurierungen. Hierzu soll die nach einer Modernisierung bereits existierende Datenbank POLYKON genutzt werden, die bereits in der Fachwelt weit bekannt ist und genutzt wird.
Das Projekt verfolgt darüber hinaus das Ziel, Weiterbildungsangebote im Umgang geschädigten Altrestaurierungen für Restaurator*innen zu konzipieren und durchzuführen.
Die Frage „Wie gehen wir mit den Altrestaurierungen an Objekten um, die trotz oder wegen des Einsatzes von Kunststoffen Schäden aufweisen?“ ist Hauptbestandteil des Projekts.
Mit einer erarbeiteten Herangehensweise werden ausgewählte Objekte aus dem Bereich der Baudenkmalpflege untersucht, evaluiert und bearbeitet.
Die Objekte wurden aus verschiedenen Materialgruppen beispielhaft ausgewählt und sind in der Vergangenheit mit unterschiedlichen synthetischen Materialien behandelt worden.
Nach der Dokumentation und Untersuchung der Objekte werden unterschiedliche Konservierungs- und Restaurierungsstrategien modellhaft entwickelt und an Musterflächen getestet, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert und nach Bedarf optimiert. Hieraus ergeben sich Untersuchungs- und innovative Handlungsstrategien für mit Kunststoffen behandelte Objekte, die nach einer detaillierten Bestands- und Schadenserfassung unter Berücksichtigung der Objekt- und Restaurierungsgeschichte sich durch ihren Modellcharakter auf andere Objekte ähnlicher Materialität und Behandlung übertragen lassen.
Für folgende zwei Objekte werden im Rahmen des Projekts nach detaillierten Voruntersuchungen Konservierungs- und Restaurierungsstrategien modellhaft entwickelt und evaluiert werden:
1) Frankfurt (Oder), Marienkirche, barockes Erbbegräbnis (Friedrich Wilhelm Roloff, gestorben 1741, und seine Gemahlin Margaretha geb. Schüler).
Das barocke Erbbegräbnis, dessen Zuschreibung bislang nur zum Teil möglich ist, ist in einer Materialkombination von Putz, reicher plastischer Stuckrahmung, Wandmalerei in der Kalotte und in einer zweiten barocken Gestaltungsphase montierten Schrifttafeln aus Metallblech mit farbiger Inschrift geschaffen.
Bei der restauratorischen Voruntersuchung und Erarbeitung eines Grobkonzeptes für die Konservierung wurde durch die Dokumentation der Sicherungs- und Konservierungsmaßnahmen um 1985 eine besondere Restaurierungsgeschichte nachvollziehbar, die mit den Folgeschäden der langjährigen Ruinensituation der Marienkirche in Frankfurt (Oder) zusammenhängt. Das durch eine Vermauerung vor direkter Bewitterung geschützte Epitaph in einer Nische der Wand unter der Westempore der Marienkirche wurde infolge der Ruinensituation stark durchfeuchtet. Die chemischen Prozesse der Reaktion der Materialien und Bildung bachschädlicher Salze waren direkt nach der Öffnung der Nische (um 1980) noch nicht erkennbar – die einsetzende Trocknung brachte jedoch Salzkristallisationsprozesse mit Gefügeschäden in Putz, Stuck und Malschicht mit sich, die sich von Monat zu Monat verstärkten.
Die Restaurator:innen reagierten auf die sich verstärkende Schadenssituation mit wiederholten Konservierungsversuchen, bei denen synthetische Konservierungsmittel in immer höherer Konzentration (und auch wechselnder Zusammensetzung) eingesetzt wurden. Die Malschichtkonservierung erfolgte mit unterschiedichen Acrylaten, es wurden Kittmörtel auf der Basis von Polyvinylacrylaten eingesetzt und Malschichtfestigungen mit filmbildendem Paraloid B72 wiederholt. Die hohe Luftfeuchte in der vermauerten Nische hatte auch die beschrifteten Metalltafeln stark angegriffen. – Hier wurden Verklebungen und Ergänzungen mit ungesättigtem Polyesterharz unter Zusatz von Trägermaterialien und Füllstoffen vorgenommen.
2) Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus, Außenfassade, baugebundene Kunst: Glaskröselbild „Mensch und Bildung“ von Gerhard Krüger 1972/73
Das monumentale Wandbild befindet sich an der heutigen Universitätsstraße auf dem Zentral-Campus der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg in Cottbus. Dort ist es auf die südliche, von Pfeilern getragene Stirnwand der Aula zwischen den Lehrgebäuden 2A und 2B aufgebracht. Das Wandbild wurde 1972 von einer Arbeitsgruppe der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) um Gerhard Krüger unter der künstlerischen Leitung von Prof. Gerhard Bondzin ausgeführt.
Das polychrome Werk ist in einer speziellen künstlerischen Technik ausgeführt, dem elektrostatischen Beschichtungsverfahren mit Glaskröseln.
Am Wandbild sind werktechnische und umweltbedingte Schäden wie Aufrollen und Ablösungen der synthetisch-organisch gebundenen Beschichtung vom anorganischen Träger (Betonplatten) erkennbar – es droht ein Verlust von wesentlichen Partien des Wandbildes.
Die wesentlichen Schadfaktoren neben der unterschiedlichen thermischen Dilatation und Kontraktion von Träger und Beschichtung werden im Rahmen des Projektes vertiefend zu untersuchen.
Ein wesentliches Arbeitsziel im Projekt sind Proberestaurierungen zur Entwicklung eines Konzepts zur Konservierung und Restaurierung dieses Beispiels baugebundener Kunst der DDR.
Das Projekt wird beworben unter:
https://www.fh-potsdam.de/studium-weiterbildung/projekte/umweltbedingte-degradation
Neue Untersuchungen und Rechercheergebnisse zu Kunststoffen als Konservierungs- und Restaurierungsmittel können in der Datenbank POLYKON gefunden werden:
http://polykon.fh-potsdam.de/