Viele Umweltprobleme sind nicht monokausal zu erklären und ihre Diskussion bedarf naturwissenschaftlichen Fachwissens. Aufgrund der Komplexität, der bei der naturwissenschaftlichen Datenerhebung und Auswertung zum Einsatz kommenden Methoden, können diese häufig aber nicht im naturwissenschaftlichen Unterricht in der Schule behandelt werden. In der Folge ist ein kritisches Auseinandersetzen mit den Ergebnissen und ein Ableiten von Entscheidungen und eigenen Handlungen nicht möglich.
In den aktuellen Debatten ist die Gewässerbelastung durch Schadstoffe sehr präsent. Trotzdem fällt es den Schüler:innen schwer, die Daten, die die Grundlage von gesellschaftlichen Entscheidungen bilden, mit den Erfahrungen aus ihrem Lebensumfeld zu verknüpfen. Gleichzeitig findet die Photometrie, die eine wichtige Analysemethode in der Umweltchemie darstellt, in der Schule nur wenig Beachtung. Dies liegt vor allem daran, dass Laborphotometer sich für Schulen als ungeeignet erweisen. Sie sind teuer, nicht transportabel und die Funktionsweise des Geräts ist für Schüler:innen nicht ersichtlich. Diese Umstände verhindern, dass sie zu einer datenbasierten Entscheidung befähigt und zu einem nachhaltigen und umweltbewussten Handeln bewegt werden können.
Im Zentrum dieses Projektes steht die Idee, dass Schüler:innen in direkt am Untersuchungsort durchgeführten Experimenten ein Gewässerprofil erstellen und auswerten. Parallel zu den experimentellen Protokollen soll ein didaktisch aufbereitetes, tragbares Photometer entwickelt werden, das sich für Feldversuche in diesem Kontext eignet. Indem sie die einzelnen Schritte, die zur Beantwortung einer Forschungsfrage nötig sind, selbstständig durchführen, soll den Schüler:innen die zentrale Kompetenz des wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt werden. Dabei sollen durch die Integration eines Citizen Science - Ansatzes wissenschaftspropädeutische Kompetenzen erworben werden.
Dieser Prozess wird durch eine im Rahmen des Projektes entwickelte Webanwendung unterstützt. Diese bietet den Schüler:innen die Möglichkeit, die eigenen Messergebnisse zu veröffentlichen und die Ergebnisse und Auswertungen anderer interaktiv darzustellen. Die enge Verknüpfung mit curricularen Inhalten in mehreren Bundesländern und die Vernetzung der Projektpartner über alle Phasen der Ausbildung der Lehrkräfte hinweg wird mit einem Veranstaltungsangebot zur Implementierung der Projektergebnisse im Regelunterricht verbunden.
Im Verlauf des Projekts “ECOLAB - Photometrie im Sinne der Umweltbildung verstehen und anwenden”, umbenannt in "GewässerCampus", wurde ein Citizen Science-Werkzeugkasten (Abbildung 1) entwickelt, mit dem eine Untersuchung der ökologischen Gewässergüte im MINT-Unterricht ermöglicht wird. Die Projektergebnisse umfassen einfach durchzuführende Laborprotokolle, mit deren Hilfe, in Kombination mit dem didaktisch aufbereiteten und tragbaren Photometer, direkt am Untersuchungsort photometrische Experimente zur Quantifizierung der für den chemischen Gewässerzustand charakteristischen Parameter pH-Wert, Phosphat, Nitrat, Nitrit, Ammonium, Sulfat, Gelöstsauerstoff- und Chlorophyll-a-Gehalt erfolgen kann. Ergänzend dazu vermitteln die begleitenden Unterrichtsmaterialien die wichtigsten theoretischen Hintergründe sowie zu den verwendeten Nachweisreaktionen. Die erarbeiteten Unterrichtsmaterialien beinhalten auch leicht verständliche, bebilderte Anleitungen zur Durchführung der Experimente und eine Erklärung und Anleitung für die Berechnung chemischer Gewässergüteindizes: den BACH-Index (Fließgewässer) und den Trophie-Index (stehender Gewässer). Die chemische Gewässergüte wird dabei auch im Kontext der Gewässerstrukturgüte und der biologischen Gewässergüte betrachtet, deren Bestimmung ebenfalls unterstützt wird. Alle entwickelten Materialien sind öffentlich einsehbar und können von interessierten Lehrkräften im Regelunterricht als auch in extracurricularen Projekten eingesetzt werden.
Die bei der Gewässeranalyse erhaltenen Messergebnisse können von den Schüler:innen in einer im Projekt entwickelten Open-Source-Webanwendung (app.gewaessercampus.de), ausgewertet und veröffentlicht werden. Durch die Datenerhebung tragen die Schüler:innen als Citizen Scientists zur Erstellung und Vervollständigung eines Gewässerprofils auf Grundlage einer realen Datenbasis bei und können alle Phasen des wissenschaftlichen Prozesses der Erkenntnisgewinnung an einem authentischen Projekt erleben und lernen.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Laborprotokolle wurde eine GewässerCampus-Experimentierkiste zusammengestellt, die in das bestehende Verleihsystem des Lehrgebiets der Bioverfahrenstechnik der Rheinland-Pfälzisch Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) aufgenommen wurde. Über die Projektzeit hinaus können die für eine photometrischen Gewässeranalyse notwendigen Materialien kostenlos von Lehrkräften ausgeliehen werden.
Ein Ziel des Projekts war es, Vorschriften zur photometrischen Bestimmung des pH-Wertes, des Phosphat-, Nitrat-, Nitrit-, Ammonium-, Sauerstoff- und Chlorophyll-a-Gehalts von Gewässerproben auszuarbeiten. Im Laufe des Projektes hat sich es aufgrund der Rückmeldung der beteiligten Lehrkräfte als vorteilhaft erwiesen, den Bach- und den Trophie-Index zur Ermittlung des Gewässerzustands zu verwenden. Bei der Entwicklung der Versuchsprotokolle wurden wissenschaftlich verwendete Protokolle angepasst, Chemikalien, wenn nötig ausgetauscht und fachliche Inhalte didaktisch reduziert. Zur besseren Verständlichkeit für die Schüler:innen wurden die Versuchsvorschriften in Form bebilderter Anleitung gestaltet (Abbildung 2). Außerdem wurden Unterrichtsmaterialien sowie eine Handreichung für Lehrkräfte mit anpassbaren Unterrichtsreihen für die Fächer Biologie und Chemie erstellt.
Parallel zu den Versuchen wurde ein didaktisch aufbereitetes, tragbares und kostengünstiges Photometer entwickelt (Abbildung 3), das sich für Feldversuche eignet. Im Fokus der didaktischen Aufbereitung des Photometers stand das Verstehen der Methode der Photometrie und den zugrundeliegenden physikalischen Prinzipien. Die Kalibrierung und Messung werden dabei durch die Schüler:innen aktiv und eigenständig durchgeführt, um sie für die Vergleichbarkeit und Aussagekraft von Messergebnissen zu sensibilisieren.
Die Veröffentlichung und der Vergleich mit anderen Ergebnissen sind ein wichtiger Teil der Wissenschaft. Daher sollte auch ein wissenschaftspropädeutisches Angebot diese Prozesse abbilden. Um den Schüler:innen diese Möglichkeit über ihre Klassengemeinschaft hinweg zu bieten, wurde im Rahmen dieses Projektes eine Webanwendung entwickelt, das eine interaktive Darstellung und Auswertung der von den verschiedenen Schüler:innengruppen erhobenen Daten ermöglicht. Die Webanwendung ist unter app.gewaessercampus.de online erreichbar und wurde bereits aktiv genutzt.
Um den Einsatz der im Projekt entwickelten Materialien im Schulalltag zu erleichtern, wurden im Laufe des Projekts Fortbildungsveranstaltungen als Online-Veranstaltung sowie in Präsenz zum Thema Gewässerökologie und Photometrie für Lehrkräfte und Referendar:innen geplant und durchgeführt. Es wurden insgesamt 77 Lehrkräfte auf diesen Veranstaltungen fortgebildet.
Außerdem wurde eine GewässerCampus-Experimentierkiste konzipiert, die zur im Leihsystem des Lehrstuhls Bioverfahrenstechnik der RPTU in Kaiserslautern inkludiert wurde (Abbildung 4).
Insgesamt wurden während der Projektlaufzeit allein über die Fortbildungen und die projektbegleitende Evaluation ca. 80 Lehrkräfte und über 300 Schüler:innen erreicht. Um auch nach Abschluss des Förderzeitraums die Projektergebnisse zu bewerben, stehen die zur Teilnahme notwendigen Informationen sowohl auf der Projektwebsite (www.gewaessercampus.de) als auch in Form verschiedener Printmaterialien zur Verfügung (Abbildung 5).
Um eine zukünftige Vernetzung mit weiteren Citizen Science-Projekten zu ermöglichen, wird das Projekt auch bei der Citizen Science Plattform Bürger schaffen Wissen (https://www.buergerschaffenwissen.de/) registriert werden und das Projekt wurde zur Teilnahme an der Woche der Umwelt 2024 der DBU eingereicht.
Darüber hinaus wird in zukünftigen Fortbildungen für Lehrkräfte, durchgeführt von beiden Projektpartnern, die photometrische Gewässeranalyse und das GewässerCampus-Projekt vorgestellt und die Möglichkeiten zur Teilnahme aufgezeigt. Einige der an der Projektevaluation und der projektbegleitenden Studie teilnehmenden Schulen haben zum GewässerCampus-Projekttag einen Bericht auf ihrer Schulhomepage oder in Zusammenarbeit mit einer lokalen Zeitung einen Artikel dazu veröffentlicht.
Zum Projektende steht ein Citizen Science-Werkzeugkasten zur Beurteilung der Gewässergüte im MINT-Unterricht zur Verfügung. Durch die frühe Einbindung und Expertise der Lehrkräfte, deren Feedback beispielsweise an den durchgeführten Lehrkräfteveranstaltungen erfasst wurde, konnten die Materialien bei der Entwicklung für den Schulunterricht und die Bedürfnisse der Lehrkräfte und Schüler:innen angepasst werden. Dass die begleitenden Unterrichtsmaterialien für die Fächer Biologie und Chemie inhaltlich an den Lehrplänen orientiert sind, wurde von den Lehrkräften positiv hervorgehoben. Die im Projektantrag beschriebene Vorgehensweise hat sich damit bewährt.
Die in den Fokus gestellte praktische Umsetzbarkeit und die speziell an die Rahmenbedingungen des naturwissenschaftlichen Unterrichts angepassten Materialien haben sich als entscheidend für die Akzeptanz und damit die mögliche Skalierung der Projektergebnisse gezeigt. Die Integration eines Citizen Science-Ansatzes zur Vermittlung wissenschaftspropädeutischer Kompetenzen trifft auf ein starkes Interesse der Lehrkräfte und Schüler:innen. Die Flexibilität durch die vielseitigen Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Inhalte sowie die Kombination bereits vorhandener Materialien mit der Nutzung der praktischen Angebote ermöglicht ein nachhaltiges Lernen auf der Grundlage der Motivation der Schüler:innen, eigene Fragestellungen aus ihrem lokalen Umfeld beantworten zu können.