Entwicklung und Untersuchung der Eigenschaften eines innovativen Rotorblattes mit veränderbarer Massenverteilung für Windkraftanlagen
Projektdurchführung
Fachhochschule Flensburg
Fachbereich Energie und Biotechnologie
Wind Energy Technology Institute (WETI)
Kanzleistr. 91 - 93
24943 Flensburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Im Rahmen des Forschungsprojekts Ressourceneffizienz in der Windenergie verfolgt das Institut für Windenergietechnik (WETI) an der Hochschule Flensburg in Kooperation mit AEROVIDE GmbH und HYDAC Technology GmbH das Ziel, ein System zu entwickeln, um hauptsächlich die mechanischen Lasten auf Windenergieanlagen zu verringern. Somit werden Material und Energie eingespart, was wie-derum zur Senkung des CO2-Fußabdrucks der Windenergieanlagen führt. Das zu erforschende System ist ein hydropneumatischer Schwungradspeicher, welcher in die Rotorblätter einer Windenergieanlage integriert wird.
Das laufende Forschungsvorhaben ist in zwei Projektphasen aufgeteilt. Ziel der ersten Projektphase ist die Entwicklung und rechnerische Untersuchung eines neuartigen Rotorblattes, in dem flexible Leicht-baukolbenspeicher als lasttragende Elemente in die Struktur des Rotorblattes integriert sind. Damit soll erreicht werden, dass die zusätzlichen Funktionalitäten des Schwungradspeichers nicht mit unverhält-nismäßigem zusätzlichem Materialaufwand im Rotorblatt erkauft werden müssen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn dieser ersten Projektphase wurden hauptsächlich zwei wichtige Arbeitspakete behandelt. Das erste Arbeitspaket war die Erweiterung der Lastensimulationssoftware, um veränderliche Eigenschaften des Blattes zu simulieren. Um das zu erreichen, wurden zuerst vom WETI die Blatteigenschaften definiert, die vom Schwungradspeicher variiert werden. Zur Modellierung der Variation dieser Eigenschaften hat das WETI zusammen mit AEROVIDE ein Konzept entwickelt. Dieses Konzept haben AEROVIDE und WETI jeweils in den Lastensimulationssoftwares HAWC2 und BeamDyn implementiert. Parallel dazu hat das WETI Regelungsstrategien für diverse Anwendungsfälle des Schwungradspeichers entworfen. Dazu hat das WETI ein Interface definiert, um den entwickelten Schwungradspeicher-Regler mit den erweiterten Lastensimulationssoftwares zu verknüpfen. AEROVIDE und WETI haben die erweiterten HAWC2- und BeamDyn-Anwendungen gegen eine analytische Berechnung geprüft.
Das zweite Arbeitspaket war eine Vorauslegung eines Rotorblatts mit Schwungradspeicher als integra-les Strukturelement. Dafür hat das WETI, in Kooperation mit HYDAC, verschiedene Schwungradspei-cher-Typen für mögliche Anwendungsfälle des Schwungradspeichers in Windenergieanlagen entwor-fen. Angesichts der möglichen Schwungradspeicher-Typen hat AEROVIDE einen Vorentwurf eines Ro-torblatts mit Schwungradspeicher analysiert. HYDAC hat weitere Schwungradspeicher-Komponenten aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) gebaut und getestet. AEROVIDE hat das CFK-Design beim Entwurf eines Rotorblatts mit CFK-Funktionskomponenten verwendet. Zuletzt konnten AEROVIDE und WETI Lastenrechnungen an einer generischen Windenergieanlage und an der NREL 5 Megawatt Referenz Windenergieanlage mit Schwungradspeicher durchführen, um die Möglichkeit zur Senkung der mechanischen Lasten zu untersuchen.
Ergebnisse und Diskussion
Im ersten Arbeitspaket wurde erreicht, dass das dynamische Verhalten des Schwungradspeichers in zwei modernen, hochentwickelten Lastensimulationstools simuliert werden konnte. Die Validierung der modifizierten Modelle von BeamDyn und HAWC2 hat gezeigt, dass die unterschiedlichen Methoden zur Implementierung variabler Blatteigenschaften in beiden Modellen die physikalischen Gesetze der Gleichgewichtsbedingungen und des Impulserhaltungssatzes nachweisen konnten. Damit konnten verschiedene Funktionalitäten des Schwungradspeichers simuliert werden. Als Beispiel wurde der Schwungradspeicher zum Einsatz für den Lastfall DLC2.3 simuliert. Der Lastfall DLC2.3 ist in der IEC 61400-1 mit den Windbedingungen Extreme Operating Gust (EOG, dt. Extreme Betriebsböe) und dem gleichzeitig auftretenden transienten Ereignis eines Netzausfalls definiert. Dieser Lastfall ist durch eine große Belastung am Turmfuß gekennzeichnet. Um die Auswirkung des Schwungradspeichers im Lastfall DLC2.3 auf die Windenergieanlagenkomponenten, und insbesondere auf den Turmfuß, zu untersuchen, wurde der Schwungradspeicher zunächst im generischen Modell mit Referenzblatt (Referenzanlage) simuliert. Der Einsatz des Schwungradspeichers im generischen Windenergieanlagenmodell hat gezeigt, dass das Drehzahlmaximum um 8 %, der Schubumkehr um etwa 18 %, und das Turmfußbiegemoment in longitudinaler Richtung um etwa 15 % gesunken sind. Am Ende dieses Arbeitspakets wurde das gleiche Simulationsszenario, das im generischen Windenergieanlagenmodell verwendet wurde, auf das NREL 5 Megawatt Referenz Windenergieanlagenmodell angewendet. Dabei wurden die Simulationsergebnisse aus HAWC2 und OpenFAST/BeamDyn verglichen. Die Ergebnisse aus den beiden Lastensimulationstools haben eine sehr gute Übereinstimmung gezeigt. Im Vergleich zum generischen Windenergieanlagenmodell konnte im NREL 5 Megawatt Referenz Windenergieanlagenmodell eine Reduktion des Turmfußbiegemoments in longitudinaler Richtung sowohl in HAWC2 als auch in OpenFAST bis zu 12% erreicht werden.
Im zweiten Arbeitspaket wurde eine Methode zur Integration des Blattspitzenkolbenspeichers in die Tragstruktur des Blattes entwickelt. Dabei wurden Teile der Gurte durch das Verbundmaterial des Kolbenspeichers ersetzt. Dadurch konnte der Schwungradspeicher in die Rotorblätter integriert werden, ohne diese wesentlich schwerer zu machen. Diese Methode wurde auf das von AEROVIDE entwickelte Blattdesign AE 4.0-68.7 umgesetzt. Um den Einfluss dieser Methode auf die Blattstruktur zu untersuchen, wurden Strukturanalysen für zwei Schwungradkonfigurationen durchgeführt. Die Konfigurationen unterscheiden sich in der Geometrie und den Positionen der Kolbenspeicher. Die Eigenfrequenzanalyse beider Konfigurationen hat gezeigt, dass der Einfluss des Schwungradspeichers im entladenen Zustand auf das Blattverhalten vernachlässigbar ist. Dies deutet darauf hin, dass es mit der vorgestellten Methode möglich ist, Kolbenspeicher in die Blattstruktur einer Windenergieanlage zu integrieren, ohne das Blatt komplett neu konstruieren zu müssen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Einige Ergebnisse aus diesem Projekt wurden auf der wissenschaftlichen Konferenz TORQUE 2022 in den Niederlanden präsentiert. Darüber hinaus wurden im Rahmen dieses Projektes zwei Artikel in zwei wissenschaftlichen peer-review Zeitschriften veröffentlicht: IOP science Journal of Physics DOI: 10.1088/1742-6596/2265/3/032018; Energies DOI: 10.3390/en16166061. Über dieses Projekt wurde fer-ner in der Ausgabe 03|2023 des Journals Erneuerbare Energien berichtet.
Fazit
Die Ziele, die in der ersten Projektphase geplant waren, konnten erfolgreich erreicht werden. Darauf basierend kann die zweite Projektphase gestartet werden.
Fördersumme
399.205,00 €
Förderzeitraum
01.03.2021 - 31.07.2023
Bundesland
Schleswig-Holstein
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik