Die Projektergebnisse ergänzen das Konzept der “Bildung für Nachhaltige Entwicklung” des Erlebnispädagogischen Schullandheims Barkhausen in Bad Essen im Osnabrücker Land um analoge und digitale Angebote.
Das Schullandheim ist seit dem Jahr 2000 in Trägerschaft der Ehlerding Stiftung, einer gemeinnützigen, unabhängigen und überparteilichen Stiftung mit Sitz in Hamburg. Kinder und Jugendliche machen hier - in der Regel im Klassenverband oder im Rahmen von Jugendfreizeiten - selbstbestimmte Naturerfahrungen, entwickeln Naturverbundenheit, Teamgeist und Konfliktlösungskompetenz. Das erlebnispädagogische Angebot wurde und wird so gut angenommen, dass bereits im Jahr 2016 die Idee einer Weiterentwicklung mit umfangreichen Neu- und Umbauten entstand. Diese wurde über mehrere Jahre hinweg geplant, konkretisiert und schließlich bis zum Mai 2022 umgesetzt. Das Ergebnis ist, neben der Modernisierung und des Umbaus des historischen Haupthauses, ein hochwertiger Neubau zur Unterbringung von Gästen, ein großzügiger Neubau mit Veranstaltungs- und Gruppenräumen, Akademie Saurierspuren genannt, und ein vergrößertes neu gestaltetes Naturerlebnisgelände Dieses optimierte Angebot bildet den Anlass des Projekts. Es wird durch das Projektergebnis noch um einen wesentlichen, inhaltlich-pädagogischen Baustein ergänzt, vervollständigt und abgerundet.
Die Zielsetzung des Projekts war die Entwicklung einer Erlebnisausstellung mit interaktiver App, die das Thema Nachhaltigkeit anschaulich, sinnlich und unterhaltsam vermittelt. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen bildete dafür den Rahmen und bot Orientierung. Ihre zentrale Botschaft lautet, dass sich die Menschheit ökologisch, ökonomisch und sozial in nachhaltiger Weise weiterentwickeln muss, um die Lebensperspektiven der jetzigen und künftigen Generationen positiv zu gestalten. Hier wird das Thema Zukunft in den Fokus genommen, das dem Projekt auch seinen Namen gab: “Create The Future”.
Das Projektergebnis will bei Kindern und Jugendlichen die Bereitschaft, Motivation und Willenskraft für den aktiven Umwelt- und Klimaschutz stärken. Es verbindet spielerischen Wissenserwerb mit Naturerfahrung und schult die sozialen und kommunikativen Kompetenzen, die nötig sind, um komplexe Themen fundiert, selbstbewusst und wertschätzend zu verhandeln. Dabei wird das gestalterische und politische Prinzip eingeübt, aus Zukunftsvisionen konkrete Maßnahmen für die Gegenwart abzuleiten.
Die Hauptzielgruppe für das Angebot sind Schulklassen der 5. bis 9. Klassenstufe. Sie nutzen das Schullandheim in der Regel für mehrtägige Aufenthalte. Weitere Zielgruppen sind Tagesgäste (zumeist Kleingruppen und Familien) sowie pädagogische Lehrkräfte in der Fortbildung.
Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit zwischen der Ehlerding Stiftung, www.ehlerding-stiftung.de (hauptverantwortlich Ulrike Wegner); den Mitarbeiter:innen des Schullandheims Barkhausen, www.barkhausen.ehlerding-stiftung.de (hauptverantwortlich Sascha Mordt) und der umsetzenden Agentur Expo-Etage, www.expo-etage.de (hauptverantwortlich Karen Hehnke) aus Osnabrück entwickelt.
Die einzelnen Arbeitsschritte entsprachen im Wesentlichen den typischen Projektphasen von Medienprojekten: Ideenfindung, Grob- und Feinkonzeption, Gestaltung, Umsetzungsplanung, Produktion (Programmierung und Druck), Veröffentlichung und Evaluation. Die einzelnen digitalen Spiele unterschieden sich hinsichtlich der Zeit und Energie, die für ihre Entwicklung jeweils aufgebracht werden musste. Erwähnenswert ist eine gelungene Balance aus klaren, strukturgebenden Entscheidungen und daraus resultierenden, kreativen Freiräumen.
Gliederung in 10 Stationen
Entscheidend für den Weg von den ersten Ideen bis zum Ziel war die klare, inhaltliche Gliederung des zu entwickelnden Angebots in 10 Stationen, die schon im Projektantrag festgelegt war. Am Ende, so das Ziel, sollten alle 10 Stationen zusammen ein großes Ganzes bilden, das so gestaltet ist, dass es wahlweise auch nur in Teilen genutzt werden kann, zum Beispiel durch eine Schulklasse, die nur wenige Stunden zu Gast auf dem Gelände ist. Vor diesem Hintergrund sollten einige starke, wiederkehrende Gestaltungselemente für Klarheit, Konstanz und Zusammenhalt sorgen, aber gleichzeitig - als fest etablierte Komponenten - den Freiraum für Vielfalt, Unterschiede und Überraschungen eröffnen.
Drei Nutzungsangebote pro Station
Die 10 Stationen bestehen jeweils aus einer Erlebnisstation, einer Ausstellungstafel und einem digitalen Spielangebot.
Erlebnisstationen:
Diese Angebote sind ganz im Sinne der Erlebnispädagogik auf den Körper, die Bewegung und auf die sinnlichen Erfahrungen hin ausgerichtet. Das „Erlebnis“ steht hier im Mittelpunkt und dient als Vermittler und AHA-Effekt. Als analoge Angebote sind sie inhaltlich eng mit den Ausstellungstafeln und den digitalen Spielen verzahnt.
Ausstellungstafeln:
Die jeweiligen Themen werden im Sinne einer Ausstellung an den Stationen über Infotafeln mit vielen Bildern und kurzen Texten unterhaltsam eingekreist und vermittelt. Von den Infotafeln aus werden per QR-Code auch die Spiele gestartet, die deshalb einen engen Bezug zum größeren Kontext erhalten.
App-Spiele:
Zu jeder Station gehört ein digitales, interaktives Spiel, das über eine Augmented-Reality-App aufgerufen wird, die auf mobilen Leihgeräten aufgespielt ist. Diese Spiele sind speziell für die Stationen entwickelt und funktionieren nach ganz unterschiedlichen Logiken. Sie bilden eine überraschende Angebotsvielfalt.
Moderatoren führen in die Themen
Eine weitere Konstante bildete die Entscheidung, die Inhalte der Angebote durch Kinder bzw. Jugendliche anmoderieren zu lassen, die - als Illustrationen umgesetzt - sowohl auf den Ausstellungstafeln als auch in der App auftauchen. Es ist eine “bunte Truppe” aus zwei Jungen und zwei Mädchen unterschiedlichen Alters, die im Dialog das jeweilige Thema anreißen. Während sie auf den Ausstellungstafeln in themenbezogenen Gesten neben einem QR-Code dargestellt sind, führen sie in der App, ausgehend von demselben Motiv, jeweils mit einem kurzen Audio-Dialog in das Thema und zum digitalen Spiel. Wir verknüpfen also mit den Moderatoren die analogen und digitalen Angebote in einer direkten, anschaulichen Form und bieten den Kindern und Jugendlichen darüber hinaus starke Identifikationsfiguren.
Die Formate Meinungen und Zukunftsbild
Alle 10 Stationsthemen werden nach der Spieleanwendung in der App durch jeweils drei Meinungen reflektiert oder kommentiert, die als kurze Audiobeiträge eingesprochen wurden. Sie sind so formuliert, als wären es spontane Statements einer Umfrage. Die Spielenden werden aufgefordert, eine dieser Meinungen zum Thema auszuwählen - und zwar die, mit der sie sich am meisten identifizieren können. Sie müssen dafür also zuhören und abwägen und üben dabei einen Wechsel der Perspektiven. Sie lernen, dass Einschätzungen oft auch von eigenen Interessen abhängig sind. Der Grundgedanke dieses Formats ist ein modellhaftes Nachspielen gesellschaftlicher Meinungsbildung: Meinungen einzelner verdichten sich in einer Demokratie zu Meinungen vieler. Diese wirken auf die Politik ein, die wiederum Entscheidungen dazu zur Umsetzung bringt. So wird aus Meinungen "gestaltete Zukunft". In unserer Anwendung wurde jede Meinung mit einem illustrativen Bild hinterlegt, das darstellt, welche Wirkung die Umsetzung dieser Meinung für die Menschen und ihre Umwelt haben könnte. Diese Bilder sind betitelt mit „Mögliches Zukunftsbild dieser Aussage:“. Die Spielenden können also einen Moment lang anhand des Bildes prüfen, was sie sehen, und diskutieren, ob sie sich für dieses Zukunftsbild entscheiden wollen. Nach Klick auf „Weiter“, wird dieses Zukunftsbild Teil einer Bildgalerie, die für die Zukunft steht. Jede Kleingruppe generiert über diesen Weg, Station für Station, ein eigenes Bild oder eine eigene Galerie der Zukunft. Dieses kommunikative Spielformat mit Aussagen und Bildern ist eine schöne und sinnträchtige Umsetzung des Projekttitels “Create The Future”.
Alle im Projektantrag eingeplanten 10 Stationen wurden umgesetzt. Fünf der Stationen wurden innerhalb der neu gebauten Akademie Saurierspuren platziert (Energie, Wasser, Holz, Dinosaurier, Menschheit), weitere fünf im Außengelände (Kulturlandschaft, Boden und Gestein, Baum und Wald, Fließgewässer, Biologische Vielfalt)
Beispielhaft wird bei der folgenden Darstellung eine Station vorgestellt:
Station „Boden und Gestein“
Die Erlebnisstation
Ein Kletterfelsen begeistert an dieser Station die Teilnehmenden. Sie benötigen keinen Klettergurt, um ihn zu besteigen, aber doch etwas Mut und Kraft. Hier lässt sich der natürliche Bewegungsdrang gut ausleben. Zudem sind verschiedene echte Gesteinsformationen aus unterschiedlichen Epochen um den Kletterfelsen verteilt, die gefunden und analysiert werden können.
Die Ausstellungstafel:
Die Infotafel lenkt die Aufmerksamkeit auf die “Erdgeschichte unter unseren Füßen”, angefangen mit der Entstehung unseres Planeten und seinem inneren Aufbau aus innerem und äußerem Erdkern, Erdmantel und Erdkruste. Sie thematisiert auch die Entstehung der Kontinente und ihre Verschiebungen und schließt mit der Botschaft “Böden sind Archive”. Es wird klargestellt: Boden und Gestein sind wertvolle, schützenswerte Ressourcen.
Das App-Spiel:
Das App-Spiel nimmt das Prinzip der Fossiliensuche auf und setzt diese mit digitalen Fundobjekten um. Die einzelnen Gruppenmitglieder klettern mit dem Tablet über die Felsformation und suchen dort kleine, der Felsfarbe angepasste, QR-Codes. Entdeckt und eingescannt, öffnet sich auf dem Display des Tablets eine Abbildung des gefundenen Objekts, die aber durch den “Gesteinsforscher” noch richtig klassifiziert werden muss. So erarbeitet sich die Gruppe in mehreren Runden einen eigenen Katalog der Fundstücke. Ergänzender Hinweis: Die Idee, hier körperliche Aktivität und die Nutzung von Mobiltechnik ganz unmittelbar zu koppeln, ist mutig, nimmt aber die Tendenz der Wissenschaft auf, auch in der Forschung, immer mehr AR- und VR-Technologien einzusetzen.
Die Erlebnisausstellung und die App bilden zusammen mit den sonstigen Angeboten des Schullandheims für Schulklassen ein höchst attraktives Gesamtpaket. Gerade die Kombination von analogen und digitalen Indoor- und Outdoor-Angeboten wird von den Teilnehmenden als spannend und wertvoll wahrgenommen. Im Schullandheim ist für jede und jeden etwas dabei! Auf dem großen Außengelände mit Klettergarten und Bolzplatz können sich die Teilnehmenden körperlich austoben, bekommen bei Experimenten im Laborraum der neuen Akademie und bei den nahegelegenen Saurierfährten lehrreiche Impulse - und dürfen mit “Create The Future” nun auch spielerisch ihre Medienkompetenz erweitern.
Die meisten Kinder und Jugendlichen dürften sich vor dem Besuch des Schullandheimes eher schwer mit dem Begriff Nachhaltigkeit tun - er ist weder einfach noch bildhaft. Wir benutzen ihn deshalb in den Texten fast ausschließlich als Adjektiv, denn als Eigenschaft wird er griffiger. Unsere aktuell noch nicht evaluierte These ist, dass die Teilnehmenden nach aktiver Nutzung der Angebote eine bessere Vorstellung von “nachhaltigem Handeln”, “nachhaltiger Entwicklung” und “nachhaltiger Land- oder Forstwirtschaft” haben. Über die Texte hinaus werden in praktisch sämtlichen App-Spielen Beispiele für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und unseren Ressourcen gegeben. So sind zum Beispiel auch die Visualisierungen der Zukunft im digitalen Spezial-Memory der Station Kulturlandschaft keineswegs düster, sondern zeigen nachhaltige Ansätze.
Die aktuelle gesellschaftliche Situation ist durch Krisen und Kriege gekennzeichnet, die viele Menschen - auch Kinder und Jugendliche - stark verunsichern und beunruhigen. Umso wichtiger ist reflektiertes, engagiertes und verantwortungsvolles Handeln, das die Zukunftsaussichten mit einbezieht. Was das konkret bedeutet, zeigen die Ausstellungstafeln und die App-Spiele auf mannigfaltige Weise und direkt am jeweiligen Thema der Station entlang. Durch die Formate “Meinungen” und “Zukunftsbild” wird Freude an der Meinungsbildung und die Lust auf Auseinandersetzung vermittelt. Wir stellen fest, dass die Teilnehmenden diese Angebote positiv aufnehmen und dass sie sie als motivierend und inspirierend empfinden.
Neben der Beherbergung von Schulklassen finden auf dem Gelände des Schullandheims zukünftig auch Fortbildungen und Workshops für pädagogische Lehrkräfte statt. Auf diesen werden die Projektergebnisse vorgestellt und es wird über die relevanten Erfahrungen und Erkenntnisse berichtet. Vor allem die App-Spiele bieten mit ihren unterschiedliche Spielelogiken und -mechaniken ein interessantes Feld für Forschungen zu Gamification- und Edutainment-Strategien.
Die Projektübergabe am 10. Mai 2022 wurde von der Presse begleitet. Das Wittlager Kreisblatt (NOZ) berichtete in einer Printausgabe. ZEIT ONLINE, die NEUE DEISTER-ZEITUNG und das Hamburger Abendblatt veröffentlichten Artikel in ihren Online-Ausgaben.
Das Erlebnispädagogische Schullandheim informierte auf Instagram und auf Facebook über das neue innovative Angebot im Schullandheim, das mit der Förderung durch die DBU realisiert werden konnte.
Nach erfolgreicher Umsetzung der Weiterentwicklung des Erlebnispädagogischen Schullandheims Barkhausen, mit umfangreichen Um- und Neubauten sowie mit der Erweiterung und Gestaltung der Außenflächen, wird nun die Website des Schullandheims sukzessive überarbeitet. Es ist geplant, Create The Future entsprechenden Raum zu geben, da die interaktive Naturerlebnisausstellung ein einzigartiges Angebot ist. Dies wird angemessen kommuniziert. In dem Zuge werden die Ergebnisse in Form des Abschlussberichtes auf der Website zur Verfügung gestellt. Nach und nach werden die Print-Materialien überarbeitet. Auch hier findet Create The Future einen Platz. Als weiteres ist geplant, den Abschlussbericht auch in einer Printversion zu veröffentlichen.
Create The Future ist seit der Eröffnung ein fester Bestandteil der erlebnis- und umweltpädagogischen Programme im Schullandheim Barkhausen. Als Weiteres wird auch Besucher:innen an den Wochenenden die Möglichkeit gegeben, die interaktive Naturerlebnisausstellung zu nutzen.
Dieses besondere Projekt wird zukünftig immer wieder in die Öffentlichkeitsarbeit einfließen.
Gerade in diesen aktuellen Zeiten ist es wichtiger denn je, die Nachhaltigkeitsziele aufzugreifen, emotional zu vermitteln und alles zu versuchen, dass die Menschen es verankern und sich das Bewusstsein für eine schützenswerte Erde in ihren Handlungen widerspiegelt.
Der Dreiklang aus Erlebnisstation, Ausstellungstafel und App-Spiel verbunden durch ein mobiles Element (Tablet) ist eine sehr gelungene und innovative Mischung aus traditionellen Elementen der Museumspädagogik, spannenden Ansätzen aus der Erlebnis- und Umweltpädagogik und fortschrittlichen Methoden aus der Medienpädagogik. So werden wichtige Bildungselemente und zukunftsträchtige Themen aus der Umwelt (wie beispielsweise Nachhaltigkeit, Energiegewinnung, Wasserverbrauch) auf moderne und spielerische Art und Weise vermittelt. Grade dieser neuartige Zugang, der auf Eigeninteresse und aktives Erkunden setzt, bietet einen guten Einstieg, um sich mit den Bildungselementen frei auseinander zu setzen.