Projekt 35556/01

Entwicklung eines Konzeptes zur ressourcen- und naturschutzgerechten Konstruktion von Lehmlärmschutz

Projektdurchführung

Zentrum für Peripherie e. V. Vorstand
Nebeliner Dorfstr. 35
19357 Karstädt

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Im Rahmen von Naturschutz hochklappen ? Innovativer Lärmschutz als vertikale Ausgleichsmaßnahme prüften wir folgende Aspekte der Grundidee:
1. Prozessinnovation im Sinne spartenübergreifender Zusammenarbeit
2. Die Schallschutzwirkung von Lehm und die Entwicklung von Verfahren und Materialien zur Steigerung der Schallabsoption
3. Optimierungen der Bauweise (Form), Standsicherheit und Statik
4. Erosionsbremsen, die zugleich Nisthilfen sind im Stampflehm
5. Erhöhung der Druckfestigkeit in der Bauweise Wellerlehm
6. Die Oberfläche Wellerlehm
7. Materialentwicklung für beide Technologien mit dem Aushub vor Ort
8. Die Fundamente und deren Optimierung
9. Die Abdeckung
10. Kostenschätzungen und Berechnungen
11. Die Bewertung als Ausgleichsmaßnahme
12. Die Darstellung von Partizipation und Prozess
13. Die Transparenz der Kommunikation und Transparenz
14. Analyse
15. „Brandenburgs Alhambra“
16. Fortsetzung der Forschungsarbeit: „Entwicklung im Maschinenbau“, Fortführung von Grundlagenforschung, Tests und Untersuchungen


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenErstes Halbjahr 2020
Einbeziehen der Kinder und Bildungseinrichtungen der Region zur Produktion von „Erosionsbremsen“. Die Kinder trugen die Projektidee in die Haushalte der Region. Parallel berichtete die regionale Tageszeitung „Der Prignitzer“ erstmals über die Idee des Lehmlärmschutzes / Naturschutz hochklappen. Parallel dazu entwickelte das Forschungsteam zum Projektstart die Grundideen weiter.

Untersuchungsbereich Akustik
Das Bauunternehmen STRABAG ist unter der Voraussetzung der Rechte an der entwickelten Technik an der Zusammenarbeit interessiert gewesen. Das ist mit einer öffentlichen Förderung nicht kompatibel und wäre nicht im Projektsinn. Eine Kooperation ist deshalb nicht zustande gekommen.
Der Fachbereich Bauwesen der Technischen Hochschule Lübeck unter Prof. Heiner Lippe übernahm vorübergehend Berechnungen der Schallschutz-Akustik. Ab Mitte 2020 hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) den Akustikbereich übernommen.
Vor dem Kindergarten in Nebelin, neben dem Dorfgemeinschaftshaus, wurde eine 220 cm hohe und 8 Meter lange Test- und Demonstrationswand errichtet. Alle technologischen Projektideen wurden hier erprobt und umgesetzt. So entstand ein anschauliches Demonstrationsobjekt, anhand dessen sich alle 2020 untersuchten Aspekte verfolgen lassen.

Juni 2020
Die Eröffnung der Probewand fand mit zahlreichen Gästen – DorfbewohnerInnen, Fachpublikum, PressevertreterInnen, PolitikerInnen, VertreterInnen des Landkreises und des Umweltministeriums, der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Architektenkammer Brandenburg, der Baukulturinitiative Brandenburg, des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe Brandenburg und der Bundesstiftung Baukultur statt.
Reaktionen haben gezeigt, dass das traditionelle Baumaterial Lehm in der Region kaum noch präsent ist und mittels der Demonstrationswand die Projektidee nun aber greifbar wird. Auf die Frage danach, welche Lebensdauer die Wand habe, nutzte Prof. Heiner Lippe die Alhambra in Granada, Spanien, als Beispiel. Die jährliche Niederschlagsmenge der Region dort entspricht derjenigen der Prignitz. Die bis zu 20 Meter hohe Stampflehm-Umfassungsmauer der Alhambra steht seit 700 Jahren und wurde im Gespräch zur Metapher für Dauerhaftigkeit und Baukultur.
Infolge der Einweihung sind folgende Institutionen als Projektpartner hinzugekommen: die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe Brandenburg, das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUK), die Brandenburgische Architektenkammer, die Baukulturinitiative Brandenburg, die Bundesstiftung Baukultur.
Im Juli titelte die Zeitung Der Prignitzer „Vision der Alhambra an der A14“. Diese Pressemeldung wurde zum Ursprung des Titels „Brandenburgs Alhambra“.

Ende 2020/Anfang 2021
Die ursprüngliche Projektlaufzeit bis Ende September wurde verlängert.
Die Auswertung und die Arbeit an Skizzen, Konzepten und die filmische Dokumentation wurde vorangetrieben. Das Projekt wurde bei jeder Vorstellungsrunde weiterentwickelt. Im Januar 2021 fand der erste Ideenfindungs- und Planungsworkshop zu „Brandenburgs Alhambra“ statt.
Nach Zeichnungen von Martin Rauch, der Recherche zu Großpressen im Abfallentsorgungsbereich und in der Landwirtschaft baute der Prignitzer Schlosser Kai Hoffmann den Kern einer hydraulischen Lehmpresse als ersten Versuchsprototyp.
Im März 2021 wurden damit erste Wellerlehmblöcke gepresst. Die Ergebnisse der Druckfestigkeitsprüfungen lagen zwischen drei und fünfmal höher als bei traditionell verarbeitetem Wellerlehm. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Verdichtung von Wellerlehm Standfestigkeiten wie beim Stampflehm ermöglicht. Damit wäre hochverdichteter Wellerlehm für zeitgenössische Bauwerke nutzbar.

April 2021
Forschungsteam der TH Lübeck unter Prof. Heiner Lippe verlängert Laufzeit seines Projektteilbereichs. Nur die TH verfügt noch über Forschungsmittel. Ehrenamtlich arbeitet das Zentrum für Peripherie mit an zwei weiteren Presstests, die von der TH im Januar/Fabruar 2022 untersucht wurden.

Ausblick und Folgeforschung
Auf Initiative von Dr. Heike Ellner, Leiterin des Biosphärenreservats, stellte die Gemeinde Karstädt zusammen mit dem Forschungsteam einen Antrag auf Mittel aus Vermögen von Parteien und Massenorganisationen der DDR (PMO) zur Entwicklung und zum Bau einer Wellerlehmpresse. Hinzukommender Partner für die Entwicklung im Maschinenbau wurde das Forschungszentrum Strangpressen der TU Berlin.
Das Team formulierte die nötige Folgeforschung in einem Antrag. Dieser wurde zunächst als Skizze bei Zukunft Bau und dann bei der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe eingereicht. Für beide Vorhaben wurde die Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung Projektpartner. Sie wird bei der Folgeforschung die Testreihen zur Druckfestigkeit konzipieren und durchführen.
Peter Vogel, Umweltingenieur aus Der Prignitz, brachte die Idee ein, Reet als Armierungsmaterial für Wellerlehm zu nutzen. Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim hat die mögliche Verwendung von Straßenbegleitgrün im Wellerlehm nachgefragt. Beides ist prinzipiell möglich und soll in der Folge erforscht und experimentell überprüft werden. Durch den Einsatz organischen Materials lässt sich Kohlenstoff dauerhaft binden und damit die CO2-Bilanz verbessern.

Aktueller Stand und Ausblick
Zunehmend am Projekt interessiert zeigen sich die Autobahn GmbH und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr.


Ergebnisse und Diskussion

Druckfestigkeitstests
Diese Tests sind noch nicht abgeschlossen.
Es liegen aber bereits zwei Ergebnisse vor:
1. Verdichteter Wellerlehm hat eine vergleichbare Standfestigkeit wie Stampflehm und ist damit für bestimmte zeitgenössische Bauwerke nutzbar.
2. Die Erhöhung der Druckfestigkeit ist durch hydraulisches Pressen, aber auch durch pneumatische Verdichtung möglich. So erhöht sich die Druckfestigkeit von 1 Newton pro Quadratmillimeter (N/mm²) auf 3 bis 5 N/mm².

Schallabsorption
Es zeigt sich, dass Schall Bauwerke aus Lehm kaum zu durchdringen vermag. Allerdings hat Lehm nur eine geringe schallabsorbierende Oberflächenwirkung. Wir haben mit erfolgreichen Vorversuchen gezeigt, dass sich die Schallabsorption mit dem Einarbeiten poröser Materialien wie Hanfkalkschichten oder Heraklith-Leichtbauplatten wesentlich verbessern lässt. Eine weitere, nach ersten Tests vielversprechende Möglichkeit ist die Verwendung von Reet. Die Technologien dazu sollen im nächsten Forschungsschritt entwickelt werden.

Kohlendioxid-Bilanz
Reet und Straßenbegleitgrün lassen sich als CO2-Speicher in Lehm einarbeiten. So ließe sich die CO2-Bilanz noch verbessern. Darüber hinaus ist Reet strukturell sehr stabil und dauerhaft und könnte als Biomaterial möglicherweise das Geogitter im Lehm (Kunststoffgitter zur Erhöhung der Stabilität) ersetzen.

Offene Fragen
Es ergeben sich derzeit vier offene Fragen:
1. Was ergibt die Auswertung der weiteren Druckfestigkeitstests?
3. Wie lassen sich die schallabsorbierenden Materialien in den Lehm einarbeiten?
4. Wie verhält sich Lehm in Bezug auf Salzsprühnehbel, der im Winter zur Straßensicherung eingesetzt wird?
5. Welche Insekten und weitere Tierarten profitieren von Lehmwänden und wie lässt sich dieser Vorteil in die Bewertungskriterien für Ausgleichsflächen übersetzen?

Themen der Folgeforschung
? Professionell durchgeführte und ausgewertete Druckfestigkeitstests von verdichteten Wellerlehmblöcken,
? Lebenszyklusanalysen, die umfassender sind und dadurch die Realität besser abbilden als dies bislang mit den derzeit gültigen aber veralteten Standards möglich ist,
? das Weiterführen der Versuche zur Schallabsorption und das Entwickeln und Testen verschiedener Materialien und deren Integration beim Bau. Untersucht werden Hanfkalk, Heraklith (Holzwolle mit dem mineralischen Bindemittel Magnesit), Reet und weitere Naturstoffe,
? Untersuchung der Auswirkung von Tausalz auf Veränderungen des Wasserhaushaltes, der Gefüge und auf die Dauerhaftigkeit der Konstruktion von Wellerlehm,
? Untersuchung materialsparender Varianten für die bei Schwerlastwänden nötigen Betonfundamente,
? Untersuchung betonfreier Varianten,
? Präzisierung der Bedingungen für die Besiedlungsfähigkeit von Großbauwerken durch wildlebende Arten als naturschützende Maßnahme,
? Schaffung von Grundlagen für die Nachhhaltigkeitsbewertung von Wellerlehm als Baustoff und der daraus erstellten Bauwerke (Hochbau und Infrastrukturbauten) und Entwicklung von Ansätzen zur Integration der Nachhaltigkeitsvorteile des Baustoffs Wellerlehm auch in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung,
? Prototypische Anwendung und Prüfung von Langzeiteinflüssen auf die Trag- und Dauerhaftigkeit von Wellerlehmbauteilen in Infrastrukturbauten,
? Standortbezogene Untersuchungen zu Materialressourcen für Wellerlehmbauwerke (wo und was muss für eine sinnvolle Anwendung vorhanden sein): Ziel ist ressourcenschonendes Bauen mit regional verfügbarem Bodenaushub und nachwachsenden Rohstoffen.
? Technologieentwicklung für die serielle Produktion von Wellerehmblöcken. Anforderungen und Abhängigkeiten herstellungsbedingter Einflussparameter (Material, Feuchte, Druck), materielle Begleitprüfungen zur Qualitätssicherung der Herstellung.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Tageszeitung „Der Prignitzer“ berichtet kontinuierlich über das Vorhaben. Seit Januar 2020 sind dort zwölf Beiträge zum Thema erschienen.
Überregional haben die Süddeutsche Zeitung (28.07.2020), der Deutschlandfunk (14.07.20201), und die taz (28.02.2022) über das Projekt berichtet.
In der Broschüre „Baukultur Sommerreise 2021“ der Bundesstiftung Baukultur stellte ein Beitrag das Vorhaben einem Fachpublikum vor.
Seit Juni 2022 steht eine Testwand am Dorfgemeinschaftshaus in Nebelin, die das Vorhaben anschaulich und greifbar darstellt.
Die Ausstellung „Brandenburgs Alhambra – Prototyp für klimaneutrale, dauerhafte und lebensfreundliche Lehmbautechnologie“ in der Gemeindeverwaltung von Karstädt stellte im Oktober 2021 einem breiten Publikum das Vorhaben und den Stand des Projekts vor.
Die Ausstellung wurde vom 1. Oktober bis Ende Januar auch im Foyer der Bundesanstalt für Straßenwesen gezeigt.
Am 22. März wird die Ausstellung in der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund eröffnet. Mitglieder des Forschungsteams werden die Eröffnung mit Redebeiträgen begleiten.
Am 3. und 4. Mai wird das Projekt und die Ausstellung auf dem Konvent der Baukultur in Potsdam vorgestellt und gezeigt.
Ein achtseitiges Faltblatt in DIN-A4-Größe bereitet die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie lesefreundlichauf und gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Studie.
Die Website „zentrum-fuer-peripherie.org“ informiert unter „https://zentrum-fuer-peripherie.org/startseite-test/projekte/brandenburgs-alhambra/“über den Projektverlauf und gibt Hintergrundinformationen.


Fazit

Es ist mit dem Projekt gelungen, Lehmbau, insbesondere dem bislang unterschätzten Lehmwellerbau, als Ergänzung der dringend gebotenen Bauwende weitere Bausteine hinzuzufügen.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und die Bundesanstalt für Straßenwesen sind dabei, darüber zu beraten und wie sich Brandenburgs Alhambra als Leuchtturm-Forschungsvorhaben umsetzen lässt.

Übersicht

Fördersumme

118.657,00 €

Förderzeitraum

17.12.2019 - 28.02.2022

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik