Energetische Sektorkopplung zwischen Wasser- und Energiewirtschaft durch heizwertorientierte Abwasserbehandlung
Projektdurchführung
Technische Universität Dresden
Fakultät Umweltwissenschaften
Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft
(ISI) Professur für Siedlungswasserwirtschaft
Bergstr. 66
01069 Dresden
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der Ausstieg aus der stofflichen Verwertung von Klärschlamm in Landwirtschaft und Landschaftsbau steigert die Bedeutung von thermischen Entsorgungsverfahren. Die Verfahrenstechnik auf Kläranlagen ist auf die Erzeugung stabilisierter Klärschlämme abgestimmt. Damit werden zwar Probleme bei der Schlammlagerung und -verwertung vermieden, allerdings mindert dies den Heizwert des Schlamms. Für die thermische Verwertung ist dies kontraproduktiv, da die Schlämme auf einen höheren Feststoffgehalt zu trocknen sind. Gegenstand des Projektes ist die Untersuchung einer alternativen Verfahrensweise zur Verminderung von Heizwertverlusten bei der Abwasser- und Schlammbehandlung durch Intensivierung der Vorklärung durch den Einsatz kohlenstoffhaltiger Adsorbentien wie bspw. gemahlener Pflanzenkohle oder Pyrolysekoks in Kombination mit einem Flockungshilfsmittel. Durch die erhöhte CSB-Abscheidung in der Vorklärung sinken der Luftbedarf und damit der Elektroenergiebedarf in der biologischen Stufe sowie der Überschussschlammanfall. Im Gegensatz zu bisher erprobten Konzepten soll der Primärschlamm nicht zur Biogaserzeugung genutzt, sondern direkt thermisch verwertet werden. Voraussetzung dafür ist ein Paradigmenwechsel hin zur sektorübergreifenden Energieerzeugung (thermische Verwertungsanlage) und Energienutzung (Kläranlage).
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur Auswahl von geeigneten Adsorbentien und Flockungshilfsmitteln sowie zur Bestimmung der Prozessbedingungen wurden Versuche im labortechnischen Maßstab durchgeführt. Von Interesse waren dabei die erreichbaren Wirkungsgrade für die Elimination von AFS, CSB, Stickstoff und Phosphor, da diese Parameter entscheidend für die folgende Verfahrenskette sind. Zur Beurteilung der Lagerungsfähigkeit des erzeugten Gemischs wurden Gärtests durchgeführt. Die erzielten Ergebnisse wurden zur Bewertung des Verfahrens und von Möglichkeiten zu dessen Anwendung und Weiterentwicklung genutzt. Dabei spielten insbesondere Auswirkungen auf den Elektroenergie- und Wärmebedarf von Kläranlagen eine Rolle.
Ergebnisse und Diskussion
Von den untersuchten Kohlen hat sich Aktivkohle als am effektivsten erwiesen. Ursprünglich sollte Aktivkohle nicht im Fokus des Projektes stehen, allerdings machten die Ergebnisse eine entsprechende Anpassung des Projektplans erforderlich. Grundsätzlich spielt die Kohle für die CSB-Elimination eine geringe Rolle. Einen wesentlich größeren Einfluss haben die dosierten Fällungs- und Flockungshilfsmittel. Die Intensivierung der Vorklärung erfolgt daher analog zu den bekannten CEPT-Verfahren. Im Unterschied dazu wird der Primärschlamm nicht zur Erhöhung der Biogasproduktion eingesetzt, sondern als heizwertreiches Substrat für die thermische Verwertung. Die Dosierung von Aktivkohle in die Belebungsanlage dient der zeitweiligen Unterdrückung von Geruchsemissionen bei der Lagerung von entwässertem Rohschlamm.
Die heizwertorientierte Klärschlammbehandlung (HOKB) hat ein großes Potenzial zur Einsparung an Elektroenergie durch die Verringerung des erforderlichen Behandlungsvolumens infolge der verstärkten CSB-Ausschleusung über die Vorklärung, der Senkung der zu nitrifizierenden Frachten durch die fehlende Rückbelastung aus Faulungsanlagen und der Senkung des Schlammalters bei aeroben Schlammstabilisierungsanlagen auf das notwendige Schlammalter. Die Versuche haben gezeigt, dass Geruchsemissionen vor allem bei fließfähigen, d. h. eingedickten Schlämmen auftreten. Bei entwässerten, aktivkohlehaltigen Rohschlämmen treten bei kurzer Lagerung nur geringfügige Emissionen auf. Die Verdichtung des Schlamms verzögert offenbar schnelle Abbauprozesse.
Infolge des geringeren elektrischen Wirkungsgrades von Dampfturbinen im Vergleich zu BHKW verringert sich bei der heizwertorientierten Klärschlammbehandlung die Elektroenergieerzeugung um rd. 50 %. Daher ist die aus der direkten Rohschlammverbrennung erzeugbare Elektroenergie gegenwärtig geringer als bei der Klärgasverstromung. Allerdings vernachlässigt dies den Fakt, dass die Gesamtenergie mit HOKB deutlich höher ist als mit der gegenwärtigen Vorzugslösung mit Faulung und Klärgasverstromung. Der größte Teil der Energie fällt allerdings als Wärme an. Da im Zuge der Wärmewende zunehmend kommunale Wärmenetze ausgebaut werden, steigt auch der Bedarf für die Wärmebereitstellung. Die Wärmebereitstellung aus der Klärschlammverbrennung steht ganzjährig, gleichbleibend und damit berechenbar zur Verfügung. Der Fremdstrombedarf von Kläranlagen steigt zwar an, in der Gesamtbilanz wird der Energiegehalt aus Abwasser aber besser genutzt. Dazu ist es aber notwendig, vom Ziel der energieautarken Kläranlage abzurücken und die Kläranlage im Kontext von kommunaler Elektroenergie- und Wärmeerzeugung und deren Verbrauch zu betrachten.
Im Vergleich zu Anlagen mit aerober oder anaerober Stabilisierung führt die HOKB aufgrund des geringeren oTS-Abbaus (fehlende Stabilisierung) zur Steigerung der zu verwertenden Schlammmasse. Damit sind die Phosphatkonzentrationen im entwässerten Schlamm zunächst geringerer als in stabilisierten Schlämmen. Bezogen auf den mineralischen Anteil sind die Phosphatkonzentrationen vergleichbar. Für die Phosphatrückgewinnung aus Klärschlammasche hätte die HOKB demzufolge keinen negativen Einfluss.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Projekt wurde zu verschiedenen Anlässen bei mehreren Akteuren vorgestellt und diskutiert, u. a. bei der CARBUNA AG und der Stadtentwässerung Hildesheim. Daran waren auch der DWA-Landesverband Nord sowie die Kommunale Nährstoffrückgewinnung Niedersachsen (KNRN) beteiligt. Darüber hinaus wurden verschiedenen Organisationen und Firmen im Rahmen des fachlichen Austauschs kontaktiert (u. a. Berliner Wasserbetriebe, Brenntag GmbH, Cabot Norit GmbH, Freiberger Abwasserbeseitigung, Hiller GmbH, Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg, Kläranlage Öhringen). Die Publikation der Projektergebnisse wird gegenwärtig vorbereitet.
Fazit
Der Fokus der Abwasserbehandlung ist gegenwärtig auf den Inselbetrieb von Kläranlagen ausgerichtet. Dies spiegelt sich in Betriebs- und Energiekonzepten wieder. Da Schlämme zukünftig weitgehend thermisch verwertet werden, sind diese Konzepte zu überprüfen. Wenn als letzte Stufe der Abwasser- und Schlammbehandlung die thermische Klärschlammverwertung vorgesehen ist, sollte zur Vermeidung von gesamtenergetischen Wirkungsgradverlusten die bisherige Linie der Abwasser- und Schlammbehandlung überdacht werden. Da der Fremdbezug von Elektroenergie und Wärme zu höheren Kosten führt als die Eigenproduktion, ist eine Realisierung der HOKB nur im Verbund der beteiligten Akteure aus Energieversorgung, Wasserversorgung, Abwasserbehandlung und thermischer Klärschlammbehandlung möglich.
Fördersumme
124.360,00 €
Förderzeitraum
26.11.2021 - 31.07.2024
Bundesland
Sachsen
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik