Die intensive Produktion klassischer Eiweißfuttermittel belastet unsere Ökosysteme und führt zum Verlust von Biodiversität: So ist z. B. der Anbau von Soja in erheblichem Maß mitverantwortlich für die Rodung des Amazonasregenwaldes und die Produktion von Fischmehl trägt zur Überfischung der Ozeane und Zerstörung der Meeresböden bei. Insekteneiweiß hingegen lässt sich ohne zusätzlichen Ressourcenaufwand produzieren, indem Insektenlarven mit Lebensmittelresten (sog. Nebenströmen) gefüttert werden. Die erzeugten Larven stellen ein natürliches Proteinfuttermittel für viele Nutztiere dar.
Die Larve der Schwarzen Soldatenfliege (lat. Hermetia Illucens) kann ein breites Spektrum von organischen Reststoffen verwerten, dazu zählen neben diversen Lebensmittelresten, auch bei bereits begonnenem Zerfall, grundsätzlich auch Schlachtabfälle oder Gülle. Aufgrund von regulatorischen Einschränkungen darf das Insekt in der EU bislang aber ausschließlich mit pflanzlichen Nebenströmen gemästet werden. In Symbiose mit Hefen und Pilzen können die Larven auch verholzte Substrate verwerten.
Für die Insektenmast zugelassene Nebenströme entstehen hauptsächlich in der Lebensmittelindustrie und in der Landwirtschaft. Ein großer Teil dieser hochqualitativen, vegetarischen Reststoffe wird bereits an andere Nutztiere verfüttert. Es gibt jedoch auch in Deutschland Nebenströme, die nicht verfüttert werden, weil die logistischen Aufwände zu groß oder die Reststoffe für die klassische Tierernährung ungeeignet sind. Die Nutzung der Larven der Schwarzen Soldatenfliege ermöglicht die Beseitigung dieser Hemmnisse, sodass die Nährstoffe der anfallenden Reststoffe zurückgewonnen und dem Nährstoffkreislauf wieder zugeführt werden können.
Die Reduktion der logistischen Aufwände wird durch die Entwicklung einer kleinskaligen Insektenfarm ermöglicht. Der sogenannte Omnivore-Container stellt eine vollautomatisierte Mastanlage für die Larven der Schwarzen Soldatenfliege dar. Er beinhaltet alle Prozessschritte, die zur nachhaltigen Verwertung der Lebensmittelnebenströme notwendig sind. Der Omnivore-Container verarbeitet die anfallenden Reststoffe zu einem homogenen Futtersubstrat und verfüttert dieses an die Insektenlarven. Die Mast erfolgt unter kontrollierten Bedingungen (Temperatur und Feuchtigkeit). Am Ende der Mastzeit werden die Larven automatisiert geerntet und bis zur Abholung gekühlt gelagert. Die Fernüberwachung des Systems erfolgt über das Internet und benötigt daher keinerlei Personal.
Das Projekt begann mit der Ausdetaillierung des Anlagenkonzepts. Ziel war es, ein wirtschaftlich tragfähiges System zu entwickeln, das die Produktion von Insektenprotein und -dünger auf Basis von Lebensmittelresten in der Größe eines Seecontainers realisiert. Die Anlage wurde so konzipiert, dass sie etwa eine Tonne Lebensmittelreste täglich verarbeiten kann.
In der ersten Entwicklungsphase wurden Funktionsmuster verschiedener Teiltechnologien erstellt und getestet. Dazu gehörten die Substrataufbereitung, das Behälterhandling, die Klima- und Lüftungstechnik sowie die Erntetechnik. Lebensmittelreste wurden zerkleinert und zu einer homogenen Masse vermischt, um eine optimale Verdaulichkeit für die Larven zu gewährleisten. Unterschiedliche Mühlentypen und Fördertechniken wurden dabei validiert, um die Effizienz des Prozesses zu optimieren. Eine speziell entwickelte Klimakammer ermöglichte die Aufzeichnung thermodynamischer Prozessgrößen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Konzentration. Diese Daten wurden verwendet, um die Lüftungstechnik des Omnivore-Containers optimal auszulegen und die Wachstumsbedingungen für die Larven zu steuern.
Darauf aufbauend wurde die Pilotanlage in Aachen aufgebaut. Hier erfolgt die Larvenmast in drehbar gelagerten Mastwannen, die mit einem computergesteuerten System zur Flüssigfütterung ausgestattet sind. Ein Rüttelsieb wurde entwickelt, um die Larven von ihrem Kot zu trennen. Die Containerwände wurden zur Energieeffizienz mit Sandwichpaneelen isoliert und für die Montage von Beleuchtung und Elektroinstallationen genutzt.
Im April 2024 startete der Pilotbetrieb des Omnivore-Containers in Aachen. Lebensmittelreste aus dem Einzelhandel wurden gesammelt, überprüft und an die Larven verfüttert. Der Pilotbetrieb diente der Validierung des Systems und der Optimierung der Betriebsprozesse. Der Pilotbetrieb ermöglichte es, die Prozessparameter weiter zu verfeinern und die Skalierbarkeit des Systems zu testen.
Durch die Nutzung von Insektenlarven zur Verwertung von Lebensmittelresten kann eine signifikante Reduktion von Treibhausgasemissionen erreicht werden. Die Lebenszyklusanalyse für einen Anwendungsfall in Kenia ergab, dass der Einsatz des Omnivore-Containers jährlich bis zu einer Million Kilogramm CO2-Äquivalente einsparen kann. Zudem reduziert das System den Flächenverbrauch um etwa 60.000 Quadratmeter und spart rund 30 Millionen Liter Wasser pro Jahr ein. Für die Berechnung der Einsparungen wurde der Vergleich mit der üblichen Form der Entsorgung (Deponierung), sowie dem Import von Futter-Soja und Kunstdünger herangezogen.
Der Pilotbetrieb in Aachen zeigte, dass das System umweltfreundlich und potentiell profitabel ist. Das Interesse der lokalen Unternehmen an einer nachhaltigen Verwertung ihrer Abfälle ist groß, was die Marktakzeptanz und das wirtschaftliche Potential des Systems unterstreicht.
Der Omnivore-Container bietet vielseitige Anwendungsmöglichkeiten. In Entwicklungsländern bietet ein angepasster Omnivore-Container eine kostengünstige und nachhaltige Lösung zur Verwertung organischer Abfälle und zur Produktion von Insektenprotein und Dünger, wodurch die lokale Landwirtschaft und die Nahrungsmittelsicherheit gestärkt werden. Die Reduktion von klimaschädlichen Methanemissionen ist hier besonders groß.
Für Landwirte ermöglicht der Container die Produktion von hochwertigem Futter direkt vor Ort, was zu einer verbesserten Nährstoffversorgung der Tiere und zu mehr Tierwohl führt. Neben dem ökologischen Nutzen lassen sich so die Futtermittelkosten der Landwirte reduzieren.
Zukünftig - nach einer Freigabe von Speiseresten zur Verfütterung an Insektenlarven - kann die Entsorgungsindustrie die Technologie nutzen. In einer Kaskadennutzung können Lebensmittelreste zunächst an die Larven verfüttert werden und der verbleibende Larvenkot kann dann zur Biogaserzeugung genutzt werden.
Schließlich können Produktionsbetriebe für Lebensmittel durch die Kooperation mit Omnivore Recycling ihre Abfallmengen reduzieren und gleichzeitig zur nachhaltigen Produktion von Insektenprotein beitragen, indem Nebenströme effizient verwertet werden. Hierfür werden die Lebensmittelreste in Omnivore-Containern verfüttert, die in der direkten Nähe der Produktionsstätte aufgestellt werden können.
Die Hermetia Tech GmbH hat den Markennamen "Omnivore Recycling" gewählt, um sich klar von Wettbewerbern abzuheben. Durch die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen und Messen, wie der Hannover Messe, dem GreenTec Festival und der Woche der Umwelt, konnte das Unternehmen sein innovatives Verwertungskonzept einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Hierdurch konnten Kontakte zu potentiellen Investoren und Kunden geknüpft werden.
Die Teilnahme an Programmen wie dem Incubation Programm der RWTH Aachen und dem Catalyst Programm des Global Entrepreneurship Centre haben die Sichtbarkeit des Projekts weiter gesteigert. Die mediale Berichterstattung, unter anderem in der Aachener Zeitung und dem Cleantech-Webportal "cleanthinking.de", hat das öffentliche Interesse an der nachhaltigen Technologie geweckt. Zusätzlich nutzt Omnivore Recycling soziale Medien wie LinkedIn und Instagram, um potentielle Kunden, Investoren und studentische Hilfskräfte zu erreichen. Diese Kanäle dienen nicht nur der Bekanntheitssteigerung, sondern fördern auch die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Eine große Reichweite auf diesen Plattformen bietet zudem das Potential für zukünftige Crowd-Funding-Kampagnen.
Die Entwicklung des Omnivore-Containers und die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit haben den Bedarf nach einem automatisierten Larvenmast-Container unter Beweis gestellt. Im Rahmen der Projektlaufzeit konnte die Funktionsfähigkeit des Omnivore-Containers demonstriert werden. Nun muss eine Industrialisierung bis zur Marktreife erfolgen. Unter den vielen Anwendungsfällen können heute insbesondere Landwirte profitieren. Sie können Futterkosten reduzieren, das Tierwohl durch die lebend verfütterten Larven erhöhen und die Nährstoffversorgung ihrer Nutztiere verbessern.
In Entwicklungsländern hat die Technologie besonderes Potential. Hier können Treibhausgasemissionen reduziert werden und gleichzeitig lokal kostengünstiges Futter- und Düngemittel produziert werden. Während der Projektlaufzeit konnte mit einem an Entwicklungsländer angepassten Omnivore-Container gezeigt werden, dass dieses Potential mit geringen Investitionen gehoben werden kann.
Um das volle Potential der Technologie auszuschöpfen und eine echte Kaskadennutzung zu ermöglichen, ist es entscheidend, dass die Gesetzgebung angepasst wird. Dies würde erlauben, eine noch breitere Palette von organischen Reststoffen zu verwerten und die Umweltauswirkungen weiter zu minimieren.